1 Allgemeines
Rz. 1
In § 220 Abs. 1 S. 1 BewG wird zunächst angeordnet, dass die gem. § 219 BewG für die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sowie des Grundvermögens festzustellenden Grundsteuerwerte nach den Vorschriften des Siebenten Abschnitts des Zweiten Teils des Bewertungsgesetzes, also den §§ 218 bis 263 BewG, zu ermitteln sind.
Entsprechend der vom Gesetzgeber konzeptionell als Sollertragsteuer ausgestalteten Grundsteuer, die – ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse des Stpfl. – an die objektive (abstrakte) Leistungsfähigkeit des Grundbesitzes anknüpft bzw. den objektiviert-realen Grundsteuerwert erfassen will (siehe zur Bewertungskonzeption § 236 Rz. 9 und § 243 Rz. 2ff.), schließt § 220 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BewG zudem bei der Ermittlung der Grundsteuerwerte tradiert die Anwendung des § 163 AO und somit grundsätzlich eine abweichende Feststellung der Grundsteuerwerte aus Billigkeitsgründen aus. Insbesondere in Fällen, in denen das Vertrauen der Stpfl. auf die bisherige Rechtslage bzw. Rechtsauslegung infolge einer geänderten – verschärfenden – Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs oder wegen einer neuen, von der bisherigen Verwaltungspraxis abweichenden höchstrichterlichen Rechtsprechung, verletzt wird, kann eine oberste Finanzbehörde eines Landes im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der übrigen Länder, in denen die von der Billigkeitsmaßnahme betroffenen Bewertungsvorschriften gem. §§ 218 ff. BewG ebenfalls gelten, zur Vermeidung von Härten jedoch ausnahmsweise gem. § 220 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 i. V. m. § 163 AO Billigkeits-(Übergangsregelungen) treffen.
Ausgehend vom Bewertungsziel eines "objektiviert-realen Grundsteuerwerts" und des vom Bundesverfassungsgericht für Massenverfahren, wie die Ermittlung und Feststellung der Grundsteuerwerte, attestierten großen Typisierungs- und Pauschalierungsspielraums hatte der Gesetzgeber ursprünglich – abweichend zur Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer – unter Berücksichtigung der Erfordernisse eines praktikablen, weitgehend automatisiert ablaufenden Bewertungsverfahrens, explizit auch keine Möglichkeit zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts im Rahmen der Grundsteuerwertfeststellung vorgesehen (§ 243 Rz. 2 und 10). Nachdem der Bundesfinanzhof in zwei Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vom 27.5.2024 jedoch entschieden hat, dass die Bewertungsvorschriften des §§ 218 ff. BewG verfassungskonform dahin auszulegen sind, dass die Stpfl. auf der Ebene der Grundsteuerwertfeststellung im Einzelfall die Möglichkeit haben müssen, einen niedrigeren gemeinen Wert nachweisen zu können, wenn sich der festgestellte Grundsteuerwert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist, wurde dementsprechend die Möglichkeit zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts im Rahmen der Grundsteuerwertfeststellung zunächst durch die koordinierten Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 24.6.2024 aufgegriffen und nachfolgend im Wege des Jahressteuergesetzes 2024 vom 2.12.2024 in § 220 Abs. 2 BewG – klarstellend – gesetzlich geregelt.
Hiernach ist der niedrigere gemeine Wert als Grundsteuerwert anzusetzen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der gem. §§ 218 ff. BewG ermittelte Grundsteuerwert erheblich von dem gemeinen Wert der wirtschaftlichen Einheit des Grundbesitzes im Feststellungszeitpunkt abweicht. Dies setzt regelmäßig voraus, dass der vom FA ermittelte Grundsteuerwert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt.
Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann in entsprechender Anwendung des für die Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer geltenden § 198 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 BewG einerseits ein Gutachten dienen, dass
- vom zuständigen Gutachterausschusses i. S. d. §§ 192ff. des Baugesetzbuchs,
- von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, oder
- von Personen, die von einer nach DIN EN ISO/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken nach entsprechender Norm zertifiziert worden sind,
auf der Grundlage der nach § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften, hier der Immobilienwertermittlungsverordnung, erstellt wurde.
Als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts kann anderseits auch ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt zustande gekommener Kaufpreis über die zu bewertende wirtschaftliche Einheit dienen, wenn die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen am Hauptfeststellungszeitpunkt unverändert sind.
Bei der Nachweisführung im Rahmen der Grundsteuerwertfeststellung sind zudem– abweichend zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts bei der Grundbesitzbewertung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer – einige Besonderheiten zu...