Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

Reichweite von § 393 AO

Sie haben bereits ein Haufe Produkt? Hier anmelden
 

Leitsatz

Die Annahme, dass das Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 AO nicht eingreift, wenn der Steuerpflichtige in einer Selbstanzeige eine allgemeine Straftat offenbart, die er zugleich mit der Steuerhinterziehung begangen hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer wurde unter anderem wegen Urkundenfälschung verurteilt. Seine Revision hat der BGH verworfen[1]. Grundlage für die Entscheidungen der Strafgerichte waren auch Erkenntnisse, die die Ermittlungsbehörden durch eine Selbstanzeige des Beschwerdeführers erlangt hatten. Das BVerfG nahm die gegen die Verurteilung gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.

 

Entscheidung

Der Grundsatz, dass niemand gezwungen werden darf, durch eigene Aussage die Voraussetzung für eine strafgerichtliche Verurteilung zu liefern, ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts[2]. Durch rechtlich vorgeschriebene Auskunftspflichten kann die Auskunftsperson in die Konfliktsituation geraten, sich entweder selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen, durch eine Falschaussage gegebenenfalls ein neues Delikt zu begehen oder aber wegen ihres Schweigens Zwangsmitteln ausgesetzt zu werden. Wegen dieser Folgen ist die erzwingbare Auskunftspflicht als Eingriff in die Handlungsfreiheit sowie als Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Art. 2 Abs. 1 GG zu beurteilen. Ein Zwang zur Selbstbezichtigung berührt zugleich die Würde des Menschen, dessen Aussage als Mittel gegen ihn selbst verwendet wird. Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz vor einer solchen Zwangslage schließt die Rechtmäßigkeit von gesetzlichen Auskunftspflichten aber nicht grundsätzlich aus. Insbesondere ist die steuerrechtliche Auskunftspflicht im Interesse staatlicher Aufgabenerfüllung und gleichmäßiger Erfassung aller Steuerpflichtigen verfassungsrechtlich zulässig[3].

Der BGH hat sich in seinem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil mit diesem Zwangsmittelverbot auseinandergesetzt. Er hat darauf abgestellt, dass der Grund für das in § 393 Abs. 2 AO normierte Verwendungsverbot in der grundsätzlichen Erzwingbarkeit der steuerrechtlichen Mitwirkungs- und Offenbarungspflichten mit den Zwangsmitteln nach § 328 AO bestehe. Aus der Ausnahme von dieser Erzwingbarkeit in § 393 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO folgert er, dass auch das Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 Satz 1 AO seinem Zweck nach eingeschränkt werden müsse. Da der Steuerpflichtige nicht dazu gezwungen werden könne, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten, bedürfe er auch nicht des Verwendungsverbots für offenbarte Tatsachen in Hinblick auf allgemeine Straftaten, die in Tateinheit zum Steuerdelikt begangen wurden.

Diese Auslegung widerspricht nicht der Rechtsprechung des BVerfG zum verfassungsrechtlichen Schutz vor Selbstbelastung. Ein Beweisverwertungsverbot für das Strafverfahren folgt aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nur im Hinblick auf solche Tatsachen, die auf Grund erzwingbarer Auskunftspflichten offenbart wurden. Nur im Fall einer rechtlich erzwungenen Selbstbezichtigung wird der Einzelne zum Zwecke der Strafverfolgung instrumentalisiert und zum Mittel gegen sich selbst verwendet. Drohen hingegen im Fall der Nichterfüllung einer gesetzlichen Auskunftspflicht keine Zwangsmaßnahmen, lässt sich verfassungsrechtlich aus der gesetzlichen Auskunftspflicht selbst noch kein strafrechtliches Beweisverwertungsverbot herleiten[4].

Die faktische Zwangswirkung einer Selbstanzeige beim Zusammentreffen von Steuer- und Nichtsteuerdelikten führt nicht dazu, dass die Offenlegung eines Allgemeindelikts im Rahmen einer Selbstanzeige aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen müsste. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt nicht vor einer Bestrafung strafbaren Verhaltens, sondern lediglich vor einem rechtlichen Zwang zur Selbstbelastung und einer darauf beruhenden strafrechtlichen Verurteilung. Nur in diesem Fall wird die Würde des Menschen verletzt, wenn dessen erzwungene Aussage als Mittel gegen ihn selbst verwendet wird. Der Steuerpflichtige ist indes zu einer Selbstanzeige nicht gezwungen.

 

Praxishinweis

Die Entscheidung des BVerfG beendet eine intensive Diskussion[5]. Ein Steuerpflichtiger muss künftig in jedem Fall mit einer Strafverfolgung rechnen, wenn er im Rahmen einer Selbstanzeige Nichtsteuerstraftaten offenbart.

 

Link zur Entscheidung

BVerfG-Beschluss vom 15.10.2004, 2 BvR 1316/04

[1] Vgl. BGH-Urteil vom 5.5.2004, 5 StR 548/03, INF 2004, S. 528
[2] Vgl. Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG
[3] Vgl. BVerfG-Beschluss vom 21.4.1988, 2 BvR 330/88, wistra 1988, S. 302
[4] Vgl. BVerfG-Beschluss vom 7.7.1995, 2 BvR 1778/94, NStZ 1995, S. 599
[5] Vgl. Joecks, in: Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 6. Aufl., München 2005, § 393 Rn. 55

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • § 57 Zivilprozessrecht / I. Muster: Anzeige der Verteidigungsbereitschaft
    533
  • § 20 Mahnverfahren / V. Verfahren nach Einspruch
    387
  • § 15 Familienrecht / cc) Muster: Einstweilige Anordnung zum Umgangsrecht
    304
  • Eigentümerwechsel – Rechtsfolgen / 1.3.3 Betriebskostenabrechnung
    243
  • Verwalter muß Anträge auf Tagesordnung setzen
    233
  • § 57 Zivilprozessrecht / 2. Muster: Anerkenntnis
    220
  • § 30 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG / 2. Anrechnung der Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG
    208
  • § 10 Die Gebühren in Strafsachen und in Bußgeldverfahren ... / I. Einstellung des Verfahrens (Erledigungsgebühr)
    198
  • § 57 Zivilprozessrecht / b) Muster: Antrag auf Kostenfestsetzung gegen die eigene Partei gem. § 11 RVG
    195
  • § 37 Sozialrecht / I. Kostenerstattung im Widerspruchsverfahren
    188
  • § 31 Miete und Pacht / 3. Muster: Aufhebungsvertrag
    173
  • Grundstück und Grundbuch / 11 Kosten in Grundbuchsachen
    170
  • § 15 Familienrecht / c) Muster: Abänderungsantrag
    159
  • § 2 Die Grundlagen des RVG / 3. Die Reisekosten (Nrn. 7003 bis 7006 VV RVG)
    158
  • § 4 Arbeitsrecht / 9. Muster: Anschreiben Urlaubsansprüche und deren drohender Verfall
    158
  • Schönheitsreparaturklauseln im Gewerbemietrecht - Starre Fristenpläne funktionieren auch hier nicht - Es hieß immer, dass Parteien bei Gewerbemiete alles Mögliche vereinbaren können. Der BGH zeigt jedoch, dass es hier Grenzen gibt.
    154
  • Kündigung (außerordentliche) von Wohnraum / 8 Muster einer außerordentlichen fristlosen Kündigung
    142
  • Kautionsrückzahlung – Bei Verzug muss Vermieter Anwaltskosten zahlen
    141
  • § 9 Muster / III. Muster: Klageerweiterung wegen Zahlung mit PKH, hilfsweise Beiordnung
    128
  • § 2 Die Gebühren nach dem RVG / 2. Post- und Telekommunikation, Nr. 7001 und Nr. 7002 VV RVG
    125
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop

Produktempfehlung


Zum Thema Recht
Rechte und Pflichten: Praxishandbuch KI und Recht
Praxishandbuch KI und Recht
Bild: Haufe Shop

Das Buch führt in die rechtlichen Grundlagen im Zusammenhang mit dem Einsatz von KI ein. Insbesondere werden die neue europäische KI-Verordnung (AI Act) und die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten behandelt. Auch Haftungsfragen und für die datenschutzkonforme KI-Nutzung werden dargestellt. 


BVerfG 2 BvR 1316/04
BVerfG 2 BvR 1316/04

  Entscheidungsstichwort (Thema) Verwertungsverbot des § 393 Abs. 2 AO 1977 bei Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung  Leitsatz (redaktionell) Wird im Rahmen einer Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung zugleich eine mit der Steuerhinterziehung ...

4 Wochen testen


Newsletter Recht
Bild: Haufe Online Redaktion
Newsletter Recht - Wirtschaftsrecht

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Wirtschaftsrecht frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Gewerblicher Rechtsschutz
  • Vertriebsrecht
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Sie müssen den AGB zustimmen
Haufe Fachmagazine
Zum Recht Archiv
Themensuche A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #
Haufe Group
Haufe People Operations
Haufe Fachwissen
Haufe HR-Software
Haufe Digitale Personalakte
Advolux
Haufe Onlinetraining
rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS
Newsletter
FAQ
Mediadaten
Presse
Editorial Code of Conduct
Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz
Netiquette
Sitemap
Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt

Kontakt & Feedback
AGB

Compliance
Datenschutz
Impressum
Haufe Shop Recht
Anwaltssoftware
Anwaltliches Fachwissen Software
Gesellschafts- & Wirtschaftsrecht Lösungen
Alle Recht Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren