Prof. Dr. Barbara Völzmann-Stickelbrock
Gesetzestext
Wer zur Herausgabe von Früchten verpflichtet ist, kann Ersatz der auf die Gewinnung der Früchte verwendeten Kosten insoweit verlangen, als sie einer ordnungsmäßigen Wirtschaft entsprechen und den Wert der Früchte nicht übersteigen.
Rn 1
Die Billigkeitsvorschrift räumt dem zur Fruchtherausgabe Verpflichteten einen selbstständigen Anspruch auf die für die Gewinnung aufgewendeten Kosten gegen denjenigen ein, dem die Früchte zugutekommen.
Rn 2
Die Herausgabepflicht kann sich aus § 101, aber auch aus sonstigen gesetzlichen oder vertraglichen Regelungen ergeben. Sie gilt auch im Verhältnis von Vor- und Nacherbe (BGH NJW-RR 86, 1070). Die Früchte müssen bereits getrennt sein, ansonsten gelten die Sondervorschriften der §§ 596a, 998, 1055 II, 2130 II. Die Vorschrift ist dispositiv. Sie gilt für jede Art von Früchten, auch für Erträge eines Unternehmens (BGH LM Nr 1) oder Nutzungen einer Erbschaft (BGH FamRZ 86, 900).
Rn 3
Zu den Kosten der Gewinnung gehören alle Aufwendungen, die für die Fruchtziehung notwendig waren, dh bei landwirtschaftlichen Produkten die Kosten für Saatgut, Feldbestellung, Dünger, Unkraut- und Schädlingsbekämpfung sowie Ernte. Bei Gewinnung von Bodenschätzen auch die Herstellungs- und Erhaltungskosten zB für Grubenbauten im Kohleabbau. Der Anspruch umfasst auch den Wert der persönlichen Arbeitsleistung des Herausgabepflichtigen, seiner Angehörigen und Angestellten (BGHZ 131, 220). Bei Immobilien kommen als Kosten für die Gewinnung von Früchten, dh Mieteinnahmen, die Kosten für die Anbahnung, Betreuung und Abwicklung von Mietverträgen sowie auf die Immobilie bezogener Kontakt mit Behörden und Versorgungsbetrieben in Betracht. Der Anspruch auf Erstattung von Fruchtgewinnungskosten kann eine Masseverbindlichkeit iSv § 55 I Nr 3 InsO begründen (BGH NZI 19, 372 [BGH 24.01.2019 - IX ZR 121/16]).
Rn 4
Der Wert der Früchte bildet die Obergrenze, um dem Berechtigten keine Kostenbelastung aufzuerlegen, die über den Nutzen hinausgeht. Kostenerstattung kann bereits vor Erhebung des Herausgabeanspruchs verlangt werden, der Herausgabegläubiger ist dann aber durch § 273 geschützt (MüKo/Stresemann Rz 6). Verzichtet der Berechtigte einseitig auf die Früchte, bringt dies den Herausgabeanspruch nicht zum Erlöschen (HP/Fritzsche Rz 9).