Ingo Heuel, Dr. Brigitte Hilgers-Klautzsch
Rz. 1268
Ein Verfahren wegen Lohnsteuerhinterziehung bei Schwarzarbeit zieht regelmäßig ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge (§ 266a StGB) nach sich. § 266a Abs. 1 und Abs. 2 StGB schützen das Interesse der Versichertengemeinschaft (Solidargemeinschaft) an der Gewährleistung des Aufkommens der Mittel für die Sozialversicherung sowie in Abs. 3 das Vermögensinteresse des Arbeitnehmers. Bei der Beitragsvorenthaltung gem. § 266a StGB handelt es sich um ein Sonderdelikt, denn für die Zahlung und ordnungsgemäße Anmeldung und Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen ist gem. § 252 Abs. 1, § 253 SGB V, § 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI, § 174 SGB VI, § 348 Abs. 2 SGB III, §§ 28d ff. SGB IV allein der Arbeitgeber verantwortlich, ebenso wie gem. § 28f Abs. 3 SGB IV für die Berechnung und die erforderlichen Erklärungen. Täter kann daher nur der Arbeitgeber oder eine ihm gleichgestellte Person i.S.v. § 14 StGB sein. Ein Arbeitnehmer kommt allenfalls als Anstifter oder Gehilfe in Betracht, insb. in Fällen der einvernehmlichen Schwarzlohnabrede (s. auch Rz. 1320.1).
Rz. 1268.1
Irrt der Täter über seine Arbeitgebereigenschaft und damit über seine Verpflichtung zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen, liegt nach neuer Rechtsprechung des BGH ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum vor. Seine bisherige, von einem Verbotsirrtum ausgehende Rechtsprechung hat der BGH aufgegeben.
Rz. 1268.2
Zum Beitragsschaden bei § 266a StGB und zur Anwendung der Nettolohnfiktion bei illegaler Beschäftigung s. Rz. 1340 f. m.w.N.
Rz. 1268.3
§ 266a Abs. 1 StGB bestraft das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen, § 266a Abs. 2 StGB regelt die Nichtanmeldung und Nichtabführung von Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung. Nicht abgeführte Arbeitgeberbeiträge werden in gleicher Weise geahndet wie das Nichtabführen der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (§ 266a Abs. 1 StGB). Für die Beitragshinterziehung sind Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren bzw. in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren (vgl. § 266a Abs. 4 StGB) vorgesehen.
§ 266a Abs. 2 StGB lehnt sich nicht an Abs. 1, sondern an den Straftatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) an. Er regelt betrugsähnliche Modalitäten. Strafbar ist gem. Abs. 2 Nr. 1 nicht – wie in Abs. 1 – die schlichte Nichtzahlung, sondern nur das Vorenthalten, das auf unrichtige oder unvollständige Angaben über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen zurückgeht.
Beispiel
Arbeitgeber A macht fehlerhafte Angaben über die Zahl der Arbeitnehmer und/oder die Lohnhöhe.
Meldet der Arbeitgeber ordnungsgemäß an und zahlt – aus welchen Gründen auch immer – nur den halben Betrag mit ausdrücklicher Tilgungsbestimmung auf den Arbeitnehmeranteil, ist weder eine Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB noch nach Abs. 2 begründet.
Abs. 2 Nr. 2 enthält – entsprechend § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO – die Unterlassensvariante.
Beispiel
Arbeitgeber A übermittelt entgegen der ihm auferlegten Mitteilungspflichten keine relevanten Angaben über die Zahl seiner Mitarbeiter und/oder deren Lohnhöhe, die die Höhe des abzuführenden Sozialversicherungsbeitrags beeinflussen können.
Ausgenommen von der Strafbarkeit ist aber das Vorenthalten von Arbeitgeberbeiträgen bei geringfügigen Beschäftigungen in Privathaushalten (§ 111 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Insoweit ist eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit vorgesehen (§ 50e EStG, § 378 AO, s. dazu Rz. 1271).
Rz. 1268.4
§ 266a Abs. 1 StGB ist ein Unterlassungstatbestand. Die Unmöglichkeit der Beitragsentrichtung schließt den Tatbestand des Abs. 1 daher aus. Als ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung muss hinzutreten, dass dem Handlungspflichtigen die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflicht möglich und zumutbar ist. Eine Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Handlungspflichtige zahlungsunfähig ist. Der Tatbestand kann allerdings auch dadurch verwirklicht werden, dass zwar zum Fälligkeitszeitpunkt Zahlungsunfähigkeit vorliegt, sein pflichtwidriges Verhalten allerdings vorgelagert ist (omissio libera in causa).
Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen, die den Tatbestand des § 266a Abs. 2 StGB erfüllen, wirkt die Unmöglichkeit der Beitragsentrichtung – anders als im originären Anwendungsbereich des § 266a Abs. 1 StGB – regelmäßig nicht tatbestandsausschließend. Damit hat der BGH den Anwendungsbereich des § 266a StGB erheblich ausgeweitet.
Rz. 1268.5
Für die Beurteilung, ob ein sozialversicherungs- und lohnsteuerpflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt, sind allein die tatsächlichen Gegebenheiten maßgeblich, nicht eine zur Verschleierung gewählte Rechtsform. Dementsprechend können die Vertragsparteien die sich aus einem Arbeitsverhältnis ergebenden Beitragspflichten nicht durch eine abweichende vertragliche Gestaltung beseitigen.
Rz. 1268.6
Mit dem Gesetz zur effektiveren und pra...