Leitsatz
Das FG hatte sich mit der Frage der Bezugsberechtigung des staatlichen Kindergeldes auseinanderzusetzen. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ein minderjähriges Kind war dem Vater übertragen worden, das Kind war jedoch von der Mutter an einen unbekannten Ort im Ausland entführt worden.
Sachverhalt
Getrennt lebende Eltern hatten die elterliche Sorge für ihre im Jahre 1997 geborene Tochter zunächst gemeinsam ausgeübt. Bis einschließlich August 2001 hatte der Kindesvater das staatliche Kindergeld bezogen. Nachdem die Mutter das Kind in ihrem Haushalt aufgenommen hatte, wurde ihr das staatliche Kindergeld gewährt. Mit Beschluss vom 8.7.2003 übertrug das AG das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den Vater und erließ eine Herausgabeverfügung gegen die Mutter. Diese Entscheidung wurde durch das OLG durch Beschluss vom 4. September 2003 bestätigt. Der Kindesvater begehrte daraufhin mit einem am 24. November 2003 bei der Familienkasse eingegangenen Antrag die Gewährung des staatlichen Kindergeldes für die Tochter an sich. Die Familienkasse (FK) lehnte den Antrag ab. Auch ein erneuter Antrag vom 26. Juli 2004 wurde von der FK abschlägig beschieden. Den hiergegen von dem Vater eingelegten Einspruch wies die FK mit Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2007 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtete sich die Klage des Vaters, mit der er im Wesentlichen geltend machte, dass ihm die Tochter von deren Mutter unrechtmäßig entzogen worden sei. Er habe seine Arbeits- und Haushaltssituation im Hinblick auf das ihm zugesprochene Aufenthaltsbestimmungsrecht darauf abgestellt, die Tochter in seinen Haushalt aufnehmen zu können. Die Mutter habe dies jedoch vereitelt. Sie halte die Tochter an einem unbekannten Ort fest und werde von der Kriminalpolizei mit internationalem Haftbefehl gesucht. Trotz Abwesenheit der Tochter habe er erhebliche Aufwendungen für sie gehabt.
Die Klage erwies sich als teilweise begründet.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG scheiterte der Kindergeldanspruch des Klägers für den Zeitraum von Oktober 2003 bis März 2004 nicht am Fehlen eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts der Tochter im Inland. Für die Zeit von April 2004 bis Februar 2007 sei dagegen ein fortbestehender inländischer Wohnsitz nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen worden.
Für die Tochter als leibliches Kind des Klägers werde für sie beim Kläger nach § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG grundsätzlich ein Kindergeldanspruch begründet. § 63 Abs. 1 S. 3 EStG schließe jedoch einen Kindergeldanspruch für solche Kinder aus, die weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder einem Staat hätten, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung finde.
Was unter Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt i.S.d. § 63 Abs. 1 S. 3 EStG zu verstehen sei, beurteile sich nach den §§ 8, 9 Abgabenordnung (AO). Nach § 8 AO habe jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehabe, die darauf schließen lasse, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen werde. Im Streitfall sei unstreitig, dass die Tochter bis September 2003 ihren Wohnsitz in der Wohnung ihrer Mutter im Inland gehabt habe. Unstreitig und durch das Schreiben der Kriminalpolizei bestätigt sei auch, dass nach den Umständen von einer im September 2003 erfolgten Entführung der Tochter durch ihre Mutter auszugehen sei.
Die Feststellungslast zum Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im Inland als tatbestandliche Voraussetzung für einen Kindergeldanspruch liege beim Kindergeldberechtigten (BFH-Urteil vom 23. November 2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294).
Im vorliegenden Fall habe der Kläger unstreitig jedenfalls ab Oktober 2003 geeignete Räumlichkeiten bereitgehalten, die der Tochter für den Fall der erfolgreichen Rückführung zu ihm als Wohnung zur Verfügung standen. Wo sich die Tochter nach der im September 2003 erfolgten Entführung durch die Mutter aufgehalten habe, lasse sich nach den Gesamtumständen des Falles nicht feststellen. Der Vater habe umfangreiche Suchbemühungen an den Tag gelegt, die jedoch zu keinen greifbaren Anhaltspunkten über den Aufenthalt der Tochter geführt hätten. Es sei für das Gericht nicht möglich, aus seinem Vortrag etwaige Rückführungschancen und deren zeitlichen Rahmen abzuleiten. Mangels solcher Anhaltspunkte greife das Gericht auf die in § 9 S. 2 AO zum Ausdruck kommende gesetzliche Wertung zurück, dass ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten nicht mehr nur vorübergehenden Charakter habe. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, dass sich die anzustellende Prognose nach Ablauf des Sechsmonatszeitraums wandele. Ein zunächst nur als vorübergehend einzustufender Auslandsaufenthalt werde danach ohne Hinzutreten besonderer Umstände zu einem dauerhaften Auslandsaufenthalt. Für das Vorliegen dieser besonderen Umstände, die über den Sechsmonatszeitraum hinaus ein Festhalten am Inlandswohnsitz rech...