Rz. 62
Ausnahmsweise kann unter den Voraussetzungen einer sog. Formalversicherung ein (formal-rechtliches) Versicherungsverhältnis bestehen oder über das Ende der Tätigkeit hinaus andauern, ohne dass die Tatbestandsmerkmale der Versicherungspflicht (BSG, Urteil v. 14.12.1994, 2 RU 41/94) gegeben sind. Sinn und Zweck der Formalversicherung ist der Vertrauensschutz, der gleichzeitig die Entstehung und den Umfang des Versicherungsschutzes bestimmt. Hat der Unfallversicherungsträger durch sein Verhalten ein schutzwürdiges Vertrauensverhältnis des Versicherten begründet, so muss er sich so behandeln lassen, als ob der von ihm gesetzte Vertrauenstatbestand der Wahrheit entspricht. Die Beitragszahlung allein vermag regelmäßig keine Formalversicherung zu begründen. Der Gedanke der Formalversicherung basiert auf dem Vertrauensschutz zugunsten desjenigen, der wegen der Aufnahme in das Unternehmerverzeichnis als Mitglied und zugleich als Versicherter unbeanstandet Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung entrichtet hat. Grundlegend hierfür wäre zunächst die Anerkennung eines gesamten Betriebes oder der Person eines Unternehmers als versichert. Die Formalversicherung erstreckt sich auch auf Fälle, in denen einzelne nicht versicherungspflichtige Personen in den Lohnnachweis aufgenommen und bei der Bemessung der Beiträge berücksichtigt worden sind (BSG, Urteil v. 16.3.2021, B 2 U 3/19 R). Diese Voraussetzungen einer Vertrauen erzeugenden Beitragserhebung oder der Aufnahme in einen Lohnnachweis vor dem Unfallereignis dürften höchst selten vorliegen.
Rz. 63
Die Formalversicherung endet erst, wenn der Unfallversicherungsträger durch ausdrückliche Erklärung der weiteren Versicherung widerspricht. Eine rückwirkende Beendigung nach Eintritt eines Versicherungsfalls ist nicht möglich (BSG, Urteil v. 26.6.1973, 8/7 RU 34 /71).
Beispiele:
- Der Eigentümer eines versicherungsfreien Kleingartens wurde unter Einschätzung als landwirtschaftliches Unternehmen in das Unternehmerverzeichnis eingetragen, erhielt einen Mitgliedsschein ausgestellt und entrichtete Beiträge zur Unfallversicherung.
- Ein zu Recht ins Unternehmerverzeichnis eingetragener Betrieb war infolge Betriebsveränderung ausgeschieden; der Unfallversicherungsträger führte ihn weiter im Unternehmensverzeichnis und zog die Beiträge ein (BSG, Urteil v. 30.3.1988, 2 RU 34/87, und BSG, Urteil v. 27.7.1972, 2 RU 193/68).