Prof. Dr. Jürgen Haun, Julian Solowjeff
Rz. 401
§ 8 Abs. 1 Nr. 9 HS 1 AStG n. F. folgt der bisherigen Konzeption des § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG a. F. in der grundsätzlichen Aktivstellung von Einkünften aus Umwandlungen. Ob eine Umwandlung im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, ist nach den Vorschriften des UmwG zu beurteilen. Daneben sollten umwandlungsähnliche Vorgänge wie etwa der Tausch von Anteilen und die Einbringung von Betriebsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge in eine Kapitalgesellschaft, eine Genossenschaft oder eine Personengesellschaft auch erfasst sein (vgl. zu § 8 Abs. 1 Nr. 10 a. F.: Wassermeyer/Schönfeld, in: F/W/S/B, Stand 08.2014, § 8 AStG, Rz. 366; Rödel, in: Kraft, 2. Aufl. 2019, Rz. 690f.). Im Ergebnis sollte eine "Umwandlung" i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG n. F. demnach dann vorliegen, wenn es sich bei dem ausländischen Vorgang um einen mit § 1 UmwStG vergleichbaren Umwandlungsvorgang handelt (BT-Drucks. 18/28652, 57; BMF vom 22.12.2023, IV B 5, Rn. 421).
Beispiel
Sachverhalt: Die deutsche A-GmbH ist an der niederländischen B-B.V. zu 100 % beteiligt. Die B-BV hält wiederum jeweils 100 % der Anteile an der C-K.F.T. und D-K.F.T. Die C-K.F.T. wird nun seitwärts auf die D-K.F.T. verschmolzen. Die Verschmelzung erfolgt zu Buchwerten.
Lösung: Sofern die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG erfüllt sind:
- ausländische Umwandlung (s. Rz. 401);
- Ausnahme: Wirtschaftsgüter dienen nicht aktiver Tätigkeit i. S. d. § 8 Abs. 1 Nr. 1–8 AStG (s. Rz. 403);
- Rückausnahme: fiktive Buchwertfortführung auch im Inland nach UmwStG möglich (s. Rz. 406ff.) und tatsächliche Buchwertfortführung im Ausland (s. Rz. 409),
sind etwaige Einkünfte aus der Verschmelzung aktiv zu stellen.
Hinweis
Die Aktivstellung des Umwandlungsvorganges führt dazu, dass bei einer künftigen Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags auf Ebene der übernehmenden Unternehmen nach § 10 Abs. 5 Satz 2 AStG die (fortentwickelten) Buchwerte des übertragenden Unternehmens anzusetzen sind (vgl. BMF vom 22.12.2023, IV B 5, Rn. 419, 590).
Rz. 402
Die Finanzverwaltung definiert ausländische Vorgänge als Umwandlungen, bei denen auf den übertragenden Rechtsträger oder auf den übernehmenden Rechtsträger bzw. beim Formwechsel auf den umwandelnden Rechtsträger das UmwG nach den allgemeinen Grundsätzen kollisionsrechtlich keine Anwendung findet (vgl. BMF vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314 Rn. 01.20).
Zur Prüfung der Vergleichbarkeit der ausländischen Umwandlung zieht die Finanzverwaltung gemäß BMF-Schreiben vom 22.12.2023, IV B 5, Rn. 421 die folgenden Kriterien des BMF vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314 Rn. 01.24 heran:
- die Umwandlungsfähigkeit der beteiligten Rechtsträger,
- die Rechtsnatur bzw. Rechtsfolgen des Umwandlungsvorgangs (Strukturmerkmale) und
- sonstige Vergleichskriterien.
Ein wesentliches sonstiges Vergleichskriterium ist insbesondere die Höhe von vertraglich vereinbarten Zuzahlungen. Derartige Zuzahlungen müssen grundsätzlich mit den Vorgaben des UmwG (z. B. § 54 Abs. 4 UmwG) vergleichbar sein (vgl. BMF vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314 Rn. 01.40; BMF vom 22.12.2023, IV B 5, Rn. 423). Die Umwandlungsfähigkeit des teilnehmenden ausländischen Rechtsträgers erfolgt auf Basis eines Rechtstypenvergleiches, anhand dessen einzelfallbezogen geprüft wird, ob der ausländische Rechtsträger einem vergleichbaren umwandlungsfähigen Rechtsträger inländischen Rechts entspricht. Allein die steuerliche Einordnung des jeweiligen Rechtsträgers als Körperschaft oder Personengesellschaft ist für die Beurteilung der Umwandlungsfähigkeit hingegen nicht ausreichend. Ein Rechtstypenvergleich ausgewählter ausländischer Rechtsformen ist den Tabellen 1 und 2 des BMF-Schreibens vom 24.12.1999, BStBl 1 1999, 1076 zu entnehmen. Die im Rahmen des Rechtstypenvergleichs relevanten Kriterien sind im BMF-Schreiben vom 19.03.2004, BStBl I 2004, 411 ("LLC-Erlass") dargestellt. Weitere Fälle des Rechtstypenvergleichs können der Anlage zum BMF-Schreiben vom 26.09.2014, BStBl I 2014, 1258 (Anwendung der DBA auf Personengesellschaften) entnommen werden (vgl. BMF vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314 Rn. 01.27). Die Prüfung der Strukturmerkmale erfolgt anhand der für die einschlägige Umwandlung maßgeblichen Kennzeichen (vgl. BMF vom 11.11.2011, BStBl I 2011, 1314 Rn. 01.29ff. (s. Rz. 407)).
Hinweis
In der Praxis empfiehlt es sich aufgrund der Diversität der ausländischen Gesellschaftsformen, den vielgestaltigen dispositiven Rechten sowie der meist hohen steuerlichen Auswirkungen, stets die Absicherung der Vergleichbarkeit des ausländischen Vorgangs durch einen Antrag auf Erteilung einer Verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO. In Betriebsprüfungen werden regelmäßig die ausländischen Dokumente (z. B. Verschmelzungsplan) sowie die betreffende ausländische Rechtsordnung des ausländischen Rechtsträgers (z. B. Delaware corporation act) angefordert und im Detail geprüft. Überdies wird insbesondere geprüft, ob es sich bei dem ausländischen Vorgang um einen Vorgang der Gesamtrechtsnachfolge handelt, Sonderrechte vergeben werden oder eine zivilrecht...