Leitsatz
Erfolgen innerhalb von fünf Jahren nach dem jeweiligen Grundstückserwerb weder Grundstücksveräußerungen noch diese vorbereitende Maßnahmen, kann bei Veräußerung einer zweistelligen Anzahl von Objekten im sechsten Jahr aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ein gewerblicher Grundstückshandel zu verneinen sein (Abgrenzung zum Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15.06.2004 – VIII R 7/02, BFHE 206, 388, BStBl II 2004, 914).
Normenkette
§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, § 126a FGO
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Rechtsnachfolgerin der A-GmbH, deren Geschäftsführer ursprünglich B und C waren. Der 1956 geborene C verstarb im Jahr 2012, woraufhin B die alleinige Geschäftsführung übernahm. Der Unternehmensgegenstand der A-GmbH lag in der Verwaltung eigenen Grundbesitzes. Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die A-Holding GmbH, deren Gesellschafter B und C zu gleichen Teilen waren. Nach dem Tod des C trat zunächst seine Ehefrau als Alleinerbin in die Gesellschaft ein. Sie veräußerte ihre Anteile an B, der fortan Alleingesellschafter war. Im Jahr 2013 veräußerte die Klägerin 13 Grundstücke, die sie 2007 erworben hatte, und 2015 zwei weitere Grundstücke. Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass die Voraussetzungen der erweiterten Kürzung wegen Vorliegens eines gewerblichen Grundstückshandels nicht erfüllt seien. Das FG (FG Münster, Urteil vom 26.4.2023, 13 K 3367/20 G, Haufe-Index 15742872) gab der dagegen gerichteten Klage statt.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Das FG habe in nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt, dass mangels Veräußerungen im Fünfjahreszeitraum besondere auf eine bedingte Veräußerungsabsicht hinweisende Indizien erforderliche seien. Insoweit habe es in die Gesamtwürdigung auch das unerwartete frühe Versterben eines Geschäftsführers miteinbeziehen dürfen.
Hinweis
1. Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG tritt bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten und nutzen oder daneben einer der im Gesetz erlaubten Tätigkeiten nachgehen, auf Antrag an die Stelle der sog. einfachen Kürzung (§ 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG) die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung). Notwendige Voraussetzung für ein Grundstücksunternehmen i.S.d. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist, dass die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes nicht den Rahmen bloßer Vermögensverwaltung überschreitet. Die Grenze von der Vermögensverwaltung zur Gewerblichkeit wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz i.S. einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (zum Beispiel durch Vermietung) entscheidend in den Vordergrund tritt.
2. Nach der typisierenden Drei-Objekt-Grenze kann von einem gewerblichen Grundstückshandel ausgegangen werden, wenn innerhalb eines engen zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel fünf Jahren (zwischen der Anschaffung oder Errichtung und dem Verkauf) mindestens vier Objekte veräußert werden. Durch die Überschreitung der Drei-Objekt-Grenze wird die im Zeitpunkt des Erwerbs oder des Baubeginns vorliegende innere Tatsache der bedingten Veräußerungsabsicht indiziert.
3. Der Fünfjahreszeitraum ist zwar keine starre Grenze. Wird die Drei-Objekt-Grenze erst nach Ablauf der fünf Jahre überschritten, müssen jedoch weitere Beweisanzeichen hinzutreten, um von Anfang an einen gewerblichen Grundstückshandel annehmen zu können. Dies gilt umso mehr, wenn erstmals nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums Grundstücksveräußerungen stattfinden.
4. Insoweit ist insbesondere zu würdigen, ob und in welchem Umfang bereits innerhalb des Fünfjahreszeitraums Grundstücke veräußert wurden oder die Grundstücksveräußerung vorbereitende Maßnahmen erfolgt sind. Auch die Anzahl der Grundstücksveräußerungen nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums und die zeitliche Nähe zur Fünfjahresgrenze spielen eine Rolle. Zudem kann die Art der Finanzierung und die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung von Bedeutung sein. Die konkreten Anlässe und Beweggründe für den Verkauf sagen bei einer Veräußerung innerhalb des Fünfjahreszeitraums im Allgemeinen zwar nichts darüber aus, ob der Steuerpflichtige nicht auch aus anderen Gründen eine Verkaufsbereitschaft gehabt hätte und insofern doch eine zumindest bedingte Veräußerungsabsicht von Anfang an bestand. Bei Veräußerungen nach Ablauf des Fünfjahreszeitraums können jedoch auch die besonderen Beweggründe im Hinblick auf das Vorhandensein einer von Anfang an bestehenden Verkaufsabsicht zu würdigen sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 20.3.2025 – III R 14/23