Rz. 149
Bemessungsgrundlage für die Berechnung der 20 %-Abweichung bildet die übliche Miete. Dies ist nachvollziehbar, weil die übliche Miete der Höhe nach eine objektiviert feststehende Größe ist. Die tatsächlich vereinbarte Miete ist dagegen der Betrag, der variabel gestaltet werden kann und der deshalb nur innerhalb einer Toleranzgrenze um einen – mehr oder weniger – festliegenden Wert der üblichen Miete angesetzt werden soll.
Rz. 150
Der BFH hat mit Urteil v. 5.12.2019 entschieden, dass sich die 20 %-Grenze bei einem Mietspiegel, der die Mieten in Spannen ausweist, nicht am Mittelwert, sondern – wie von der Finanzverwaltung praktiziert – an den äußeren Werten der Spanne bemisst. Nach der Entscheidung des BFH kann eine vertraglich vereinbarte Miete nicht mehr als üblich angesehen werden, wenn sie mehr als 20 % niedriger ist als der unterste Wert der Spanne des verwendeten Mietspiegels oder wenn sie mehr als 20 % höher ist als der oberste Wert der Spanne. Auf den Mittelwert komme es insoweit nicht an. Die vom Kläger vertretene Auffassung, dass mit dem in § 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG zwei Mal verwendeten Begriff "übliche(n) Miete" zwei Mal der Mittelwert des Mietspiegels gemeint sei. Das FA hat dagegen im Rahmen der Frage, ob die tatsächliche Miete um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweicht, als übliche Miete nicht den Mittelwert, sondern den obersten Wert der im Mietspiegel ausgewiesenen Spanne angesetzt. Das FA kam dadurch bei lediglich zwei vermieteten Einheiten zu Abweichungen der tatsächlichen Miete von der üblichen Miete um mehr als 20 %. Als Rohertrag für diese Einheiten setzte es den Mittelwert des Mietspiegels an. Im Übrigen blieb es bei dem Ansatz der (höheren) vertraglich vereinbarten Miete.
Der BFH hat diese Auffassung mit seinem Urteil bestätigt. Nach Auffassung des BFH werden die Daten eines Mietspiegels differenziert für die Anwendung des § 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG verwendet. In Mietspiegeln werde häufig der um Ausreißer bereinigte Durchschnitt aller erhobenen Mietwerte in Form des Mittelwerts veröffentlicht. Zusätzlich werden Mietspannen angegeben, um den Besonderheiten des Einzelfalls besser Rechnung tragen zu können. Grds. sei der im Mietspiegel ausgewiesene gewichtete Mittelwert anzusetzen. Bei ausreichenden Anhaltspunkten für einen konkreten niedrigeren oder höheren Wert sei dieser Wert anzusetzen. Für die Überprüfung der Ortsüblichkeit von tatsächlich erzielten Mieten sei jedoch auf den jeweils unteren Wert oder den jeweils oberen Wert der Spanne abzustellen. D.h. eine Miete, die mehr als 20 % niedriger ist als der untere Wert der Spanne bzw. die mehr als 20 % höher ist als der obere Wert der Spanne, ist nicht mehr ortsüblich (vgl. H B 186.5 der Erbschaftsteuer-Hinweise "Mietspiegel"). Das in § 186 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG zwei Mal erscheinende Tatbestandsmerkmal "übliche(n) Miete" sei jeweils ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher der Auslegung unterliegt. Die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe sei gerichtlich voll überprüfbar. Jedenfalls soweit es das Verständnis der zur Ermittlung der 20 %-Grenze anzusetzenden "üblichen Miete" betrifft, folgt der BFH der Auffassung der Finanzverwaltung, die auch im Schrifttum vertreten wird Alle Mietwerte innerhalb der Spannbreite eines Mietspiegels sind als üblich anzusehen. Erst die Überschreitung bzw. Unterschreitung der jeweiligen Grenzwerte führt zur Unüblichkeit. Das entspreche bereits dem allgemeinen Sprachgebrauch, der als "üblich" dasjenige zu bezeichnen pflegt, das sich "im Rahmen des Üblichen", also innerhalb einer gewissen Spanne, bewege. Auch stelle der Mittelwert keine verlässlichere Größe dar als die Mietpreisspanne. Als gewogenes Mittel ist er hieraus statistisch abgeleitet und deshalb von gleicher inhaltlicher Plausibilität.