Leitsatz (amtlich)
Begehrt ein Beklagter im Urkundenprozess Prozesskostenhilfe, so kommt es für die Erheblichkeit seines Verteidigungsvorbringens nicht darauf an, inwieweit er im Urkundenprozess statthafte Einwendungen erhebt. Will er sich das Nachverfahren offen halten, muss er dem geltend gemachten Anspruch schon im Vorbehaltsverfahren widersprechen. Nachverfahren und Vorbehaltsverfahren gehören zum einheitlichen Urkundenprozess, weshalb dem Beklagten für das gesamte Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, selbst wenn seine Verteidigung erst im Nachverfahren Erfolg verspricht.
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Beschluss vom 13.06.2012; Aktenzeichen 9 O 88/12) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des LG Magdeburg vom 13.6.2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe
Der Kläger verlangt vom Beklagten im Urkundenprozess die Zahlung von 90.000 EUR. Hierzu beruft er sich auf eine privatschriftliche Urkunde vom 1.10.2010, die vom Beklagten stammt und von ihm unterschrieben wurde. Dieses selbständige Anerkenntnis habe der Beklagte dem Kläger angeboten, nachdem der aus verschiedenen Darlehen geschuldete Betrag die bestätigte Summe erreicht hätte.
Der Beklagte bestreitet, den Betrag von 90.000 EUR in die Urkunde aufgenommen zu haben. Zu keinem Zeitpunkt seien ihm vom Kläger 90.000 EUR übergeben worden. Dies werde bereits durch seinen bescheidenen Lebensstil belegt. Der Beklagte sei die Verbindlichkeit daher ohne rechtlichen Grund eingegangen. Außerdem liege dem Ganzen Sittenwidrigkeit zugrunde. Der Kläger habe dem kranken Beklagten kein Anerkenntnis in dieser Höhe abverlangen dürfen und trage widersprüchlich vor. Den zunächst erhobenen Einwand fehlender Geschäftsfähigkeit hat der Beklagte wieder fallen lassen.
Für seine Rechtsverteidigung sucht der Beklagte um Prozesskostenhilfe nach. Das LG hat den Antrag mit Beschluss vom 13.6.2012 zurückgewiesen. Gegen diese, seinem Prozessbevollmächtigten am 18.6.2012 zugestellte Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der am 20.6.2012 eingegangenen sofortigen Beschwerde, der das LG nicht abgeholfen hat, und wiederholt sein bisheriges Vorbringen.
Das zulässige und gem. § 568 Satz 1 ZPO vom Einzelrichter des Beschwerdegerichts zu entscheidende Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Im Ergebnis hat das LG dem Beklagten zu Recht Prozesskostenhilfe versagt, weil es der Rechtsverteidigung an der hinreichenden Erfolgsaussicht i.S.v. § 114 Satz 1 ZPO fehlt.
Durchgreifenden Bedenken unterliegt allerdings die Auffassung der Kammer, es komme für die Erheblichkeit des Klageleugnens darauf an, inwieweit der Beklagte im Urkundenprozess statthafte Einwendungen erhebt (vgl. §§ 592 Satz 1, 595 Abs. 2, 598 ZPO). Will sich der Beklagte das Nachverfahren offen halten, muss er dem geltend gemachten Anspruch schon im Vorbehaltsverfahren widersprechen (§§ 599 Abs. 1, 600 Abs. 1 ZPO), was zu seiner Rechtsverteidigung gehört und wozu er ggf. anwaltlichen Beistand benötigt. Nachverfahren und Vorbehaltsverfahren gehören zum einheitlichen Urkundenprozess, weshalb dem Beklagten für das gesamte Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, selbst wenn seine Verteidigung erst im Nachverfahren Erfolg verspricht (OLG Saarbrücken NJW-RR 2002, 1584; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.12.2009 - 4 W 83/09 - BeckRS 210, 20101; Zöller/Geimer, ZPO, 29. Aufl., § 119 Rz. 17; Kratz, in: BeckOK-ZPO, Stand: 15.4.2012, § 592 Rz. 7).
Richtig hat das LG dann aber ausgeführt, dass der Beklagte für sein Vorbringen keinen Beweis antritt, womit voraussichtlich auch das Nachverfahren nicht zur Abweisung der Klage führt (§§ 600 Abs. 2, 302 Abs. 4 Satz 2 ZPO). Die Erklärung, dem Kläger Geld zu schulden und es bis zum 31.12.2010 zurückzuzahlen, stammt unstreitig vom Beklagten (§§ 416, 439 Abs. 1, Abs. 2 ZPO). Erklärungsinhalt sind damit auch die dort erwähnten 90.000 EUR. Steht die Echtheit der Namensunterschrift fest, so hat die über der Unterschrift stehende Schrift die Vermutung der Echtheit für sich (§ 440 Abs. 2 ZPO). Die formelle Beweiskraft der Urkunde schließt den Begebungsakt ein (BGH NJW-RR 2006, 847, 848 m.w.N.). Der Beklagte muss das Gegenteil, insbesondere die Unechtheit, beweisen (§ 292 Satz 1 ZPO; vgl. BGH NJW 1988, 2741; NJW-RR 1989, 1323 f.). Beweis ist nicht angetreten.
Das gilt auch für seine dem materiell-rechtlichen Gehalt der urkundlich belegten Erklärung (vgl. §§ 780 Satz 1, 781 Satz 1, 371 Satz 1 BGB) entgegen gestellten Einwände der Sittenwidrigkeit und ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 138 Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 821 BGB). Für beides ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig (BGH NJW-RR 1992, 1214, 1216; 2009, 544, 546; 1142, 1144; Wendehorst, in: BeckOK/BGB, Stand: 1.3.2011, § 812 Rz. 272).
Insoweit lässt aber bereits der Sachvortrag des Beklagten keine Nichtigkeit des Anerkenntnisses oder eine ungerechtfertigte Bereicherung des Klägers (vgl. hierzu BGH NJW 2000, 2501, 2502; 2005, 2991, 2993; OLG Rostock OLG-NL 2...