Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbsverstoß: Voreinstellung eines kostenpflichtigen Expressversandes in Form einer "Opt-Out"-Gestaltung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei § 312a Abs. 3 BGB handelt es sich um eine Marktverhaltensregel gemäß § 3a UWG.(Rn. 25)
2. Nach § 312a Abs. 3 BGB kann ein Unternehmer eine Vereinbarung, die auf eine über das vereinbarte Entgelt für die Hauptleistung hinausgehende Zahlung des Verbrauchers gerichtet ist, mit einem Verbraucher nur ausdrücklich treffen. Schließen der Unternehmer und der Verbraucher einen Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, wird eine solche Vereinbarung nur Vertragsbestandteil, wenn der Unternehmer die Vereinbarung nicht durch eine Voreinstellung herbeiführt. (Rn. 32)
3. Der Aufschlag für einen Expressversand stellt ein zusätzliches Entgelt im Sinne von § 312a Abs. 3 S. 2 BGB dar.(Rn. 39)
4. Eine wirksame ausdrückliche Vereinbarung über das zusätzliche Entgelt liegt nicht vor, wenn bei dem Online-Angebot der Expressversand mit einem Aufpreis in Form einer "Opt-Out"-Gestaltung voreingestellt ist und der Verbraucher erst das Häkchen aktiv anklicken und abwählen muss, damit die Zusatzleistung entfällt. (Rn. 46)
Normenkette
BGB § 312a Abs. 3 Sätze 1-2; EURL 83/2011 Art. 22 Abs. 1; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 3a, 8 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Urteil vom 16.06.2023; Aktenzeichen 12 O 57/22 KfH) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg im Breisgau - Kammer für Handelssachen - vom 16.06.2023, Az.: 12 O 57/22 KfH, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Freiburg im Breisgau sind
ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragene Kläger nimmt die Beklagte, die im Internet einen Versandhandel unter der Adresse "www.p...de" betreibt, wegen Ausgestaltung ihres Warenangebots auf Unterlassung in Anspruch.
Die Beklagte bietet über ihre Internetplattform eine Vielzahl von Artikeln zum Kauf an, die sie anschließend an die Kunden versendet. Sie stellt einen Standardversand für alle Produkte sowie einen Expressversand für eine zahlenmäßig nicht näher benannte Anzahl von Waren zur Verfügung. Der Standardversand kann zwischen einem und fünf Tagen in Anspruch nehmen. Beim Expressversand wird die Ware dem Kunden - so die Hinweise der Beklagten dazu auf ihrer Internetseite - am nächsten Werktag mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % geliefert, wenn der Kunde bis 13 Uhr bestellt. Für diesen Expressversand fällt ein "Expresszuschlag" von einem Euro an. Ist der Artikel expressversandfähig, wird er in der Einzelansicht mit dem Zusatz "Express" ausgewiesen. Fügt der Kunde einen solchen Artikel dem Warenkorb hinzu, wird dieser mit dem auf der Übersichtsseite ausgewiesenen Warenpreis übernommen. Neben der Abbildung des Artikels findet sich dann im Warenkorb der Zusatz "expressfähig". Weiter finden sich im Warenkorb zwei Kästchen, nämlich Expressversand und Standardversand. Die Option "Expressversand" ist durch Häkchen vorausgewählt. Neben dem Kästchen "Expressversand" befindet sich neben dem voraussichtlichen Liefertermin der Hinweis: "Expresszuschlag gesamt 1,00 EUR". Der im Warenkorb ausgewiesene Gesamtpreis berücksichtigt die Kosten für den vorausausgewählten Expressversand nicht. Es wird weiter der auf der Artikelübersicht und der im Warenkorb oben neben dem Artikel ausgewiesene Preis als Gesamtsumme ausgewiesen. Klickt der Kunde auf "Weiter im Bestellprozess", finden sich erneut zwei Kästchen mit Expressversand und Standardversand. Der Expressversand ist weiter vorausgewählt. Der Hinweis auf den "Expresszuschlag gesamt: 1,00 EUR" wird wiederholt. Der Gesamtpreis einschließlich der Expressversandkosten wird hier aufgeführt.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte verstoße mit der Voreinstellung des Expressversands gegen § 312a Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BGB. Das Entgelt für den Expressversand sei kein Bestandteil der Hauptleistung. Dem Verbraucher werde durch die Gestaltung des Kaufangebots suggeriert, er habe ein Wahlrecht für eine Zusatzleistung. Die Voreinstellung sei keine ausdrückliche Erklärung des Verbrauchers hinsichtlich der Vereinbarung des Zusatzentgeltes. Deswegen sei der Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG begründet.
Der Kläger hat beantragt:
1. Der Beklagten wird untersagt, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, die im Internet unter https://www.p...de/ eine Warenbestellung vornehmen und für die Versendung zwischen einem Standardversand und einem Expressversand wählen können, im Bestellvorgang den Expressversand mittels eines Opt-Out voreinzustellen,
für den ein Expresszuschlag erhoben wird, wenn dies geschieht wie nachfolgend abgebildet:
((Abbildungen))
2. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR (ersatzweise Ordn...