Entscheidungsstichwort (Thema)
"Bildmarke AOL" und "Trabi 03"
Leitsatz (amtlich)
Die Verwendung bekannter Marken auf sog. Abi-T-Shirts in humorvoll-ironischer Weise kann je nach Art der konkreten Verwendung von der Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG gedeckt sein (in Anknüpfung an BGH GRUR 2005, 583 - Lila Postkarte)
Normenkette
MarkenG § 14; GG Art. 5 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 02.12.2005; Aktenzeichen 407 O 391/04) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Hamburg - Kammer 7 für Handelssachen - vom 2.12.2005 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Streitwert von 50.000 EUR zu tragen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das LG Hamburg den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat zwar glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin auf einem der von ihr angebotenen T-Shirts einen Aufdruck verwendet, welcher u.a. die für die Antragstellerin geschützte Gemeinschafts-Bildmarke enthält, und dass dieses Zeichen zugleich auch als Unternehmenskennzeichen der Antragstellerin nach § 5 MarkenG geschützt ist. Der Aufdruck ist nachfolgend eingeblendet:
Ein Unterlassungsanspruch gem. § 14 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 MarkenG und § 15 Abs. 2, 4 MarkenG scheitert jedoch mit dem LG schon daran, dass die Benutzung nicht herkunftshinweisend erfolgt. Nach ständiger Rechtsprechung des EUGH und des BGH ist dies für die genannten Bestimmungen erforderlich (EUGH GRUR-Int. 1999, 438, Ziff. 38 - BMW/Deenik; v. 12.11.2002 - Rs. C-206/01, GRUR 2003, 55, Ziff. 47 ff. - Arsenal Football Club; BGH WRP 2002, 982 [987] - Frühstücks-Drink I, II"). Der Senat macht sich insoweit die überzeugende Begründung des LG in dem angefochtenen Beschluss zu eigen, dass die Gestaltung des vorliegenden Aufdrucks jedenfalls mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nur als ironische Anspielung auf die Boris-Becker-Werbung der Antragstellerin und den auch den Senatsmitgliedern bekannten Brauch der "Abi + Jahreszahl"-T-Shirts und -schilder verstanden werden wird und das geschützte Zeichen hier völlig in den Hintergrund tritt.
Ein Verfügungsanspruch ergibt sich auch nicht aus den §§ 14 Abs. 2 Nr. 3, 15 Abs. 3 MarkenG, obwohl das streitgegenständliche Zeichen bekannt im Sinne der genannten Vorschriften sein dürfte. Zwar ist es nach neuester Rechtsprechung des EUGH und des BGH für diese Anspruchsgrundlage nicht erforderlich, dass der Verletzer das Zeichen herkunftshinweisend verwendet. Vielmehr genügt es, wenn die beteiligten Verkehrskreise das Kollisionszeichen zwar als Verzierung auffassen, es wegen der hochgradigen Ähnlichkeit jedoch gedanklich mit der bekannten Marke verknüpfen (EuGH v. 23.10.2003 - RS. C-408/01, GRUR 2004, 58, Ziff. 39 - Adidas/Fitnessworld; BGH GRUR 2005, 583 [584] - Lila-Postkarte). Hier wird das AOL-Symbol von der Antragsgegnerin sogar identisch verwendet. Auch kann wohl davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin durch die angegriffene Gestaltung die Unterscheidungskraft des bekannten Kennzeichens für ihr Produkt jedenfalls mit ausnutzt, selbst wenn das Schwergewicht in der Bezugnahme auf die Boris-Becker-Werbung der Antragstellerin liegt.
Nach der genannten Entscheidung des BGH "Lila Postkarte" entfällt eine Unlauterkeit der Aufmerksamkeitsausbeutung jedoch dann, wenn sich der Verletzer auf die Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG berufen kann. Ein solcher Fall ist mit dem LG hier zu bejahen. Die angegriffene Gestaltung verknüpft in humorvoll-satirischer Weise die Werbung der Antragstellerin dafür, dass man auf äußerst simple Weise in das Internet gelangen kann, mit der Erlangung eines Abschlusses, der die allgemeine Hochschulreife bescheinigen soll, mithin Anspruch auf ein gewisses Bildungsniveau erhebt. Man mag darin auch eine Anspielung auf die Qualität des heutigen Abiturabschlusses sehen, die von Kritikern des Bildungssystems häufig als zu gering beklagt wird. Das als Kennzeichen geschützte AOL-Symbol verstärkt die Bezugnahme auf die Antragstellerin, ist jedoch - wie ausgeführt - in der Gesamtdarstellung von eher untergeordneter Bedeutung. Die Kunstfreiheit setzt sich daher hier in Abwägung zu den von Art. 14 GG geschützten Kennzeichenrechten der Antragstellerin durch (BGH GRUR 2005, 583 [585] - Lila-Postkarte). Insbesondere wird das Kennzeichen der Antragstellerin nicht verunglimpft oder sonstwie herabgesetzt.
Der vorliegende Sachverhalt ist nicht mit dem von der Antragstellerin genannten Fall "Ahoj Brause" zu vergleichen (OLG Hamburg GRUR-RR 2005, 258). Dort wurde eine bekannte Marke im Zuge der sog. "Retro-Welle" identisch und ohne weitere Zusätze auf einem ansonsten schlicht weißen T-Shirt verwendet. Der Senat hat einen Anspruch aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bejaht, weil der Verletzer sich allein den Wiedererkennungswert einer Traditionsmarke zunutze mache. Hier ist es entgegen so, dass der angegriffene Aufdruck eine eigenständige kreative Leistung darstellt, bei der zwar auch...