Entscheidungsstichwort (Thema)
Der KWK-Bonus für Wärmeeinspeisungen in ein Wärmenetz nach Anlage 3 Abschnitt III Nr. 2 EEG 2009 setzt keine besondere Effizienz der Wärmenutzung voraus.
Leitsatz (amtlich)
1. Der Begriff des Nutzwärmebedarfs im Sinne der sog. Netzklausel gemäß Anlage 3 Abschnitt III Nr. 2 EEG 2009 umfasst grundsätzlich die gesamte Wärmemenge, die von den an das Wärmenetz angeschlossenen Wärmekunden abgerufen und für eine Wärmenutzung verwendet wird. Zusätzliche Effizienzanforderungen an die Wärmenutzung der angeschlossenen Wärmekunden bestehen nicht. Insbesondere müssen die Wärmenutzungen nicht die Anforderungen der Generalklausel gemäß Anlage 3 Abschnitt I Nr. 3 EEG 2009 erfüllen.
2. Ein Anlagenbetreiber verletzt jedoch in der Regel seine Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Netzbetreiber und handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er eine an ein errichtetes Wärmenetz angeschlossene Wärmenutzung allein zu dem Zweck betreibt oder betreiben lässt, durch einen möglichst hohen Wärmeverbrauch das nach Anlage 3 Abschnitt III Nr. 2 EEG 2009 an das Netz gestellte Effizienzkriterium zu erfüllen und dadurch zugleich einen möglichst hohen KWK-Bonus zu erzielen. Hiervon kann insbesondere auszugehen sein, wenn kein anderer sachlich nachvollziehbarer Zweck für die Wärmenutzung erkennbar ist oder der Umfang der Wärmenutzung zu einem solchen Zweck in einem krassen Missverhältnis steht. Ob danach ein rechtsmissbräuchliches Handeln vorliegt, kann nicht generell, sondern nur im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung sämtlicher konkreter Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Hierfür trägt der Netzbetreiber nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast.
Normenkette
EEG 2009 § 27 Abs. 4 Nr. 3; EEG 2009 Anlage 3 Abschn. III Nr. 2
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 14.10.2022; Aktenzeichen 11 O 32/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 14. Oktober 2022 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Lüneburg teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass der Klägerin für die drei von ihr im Netzgebiet der Beklagten betriebenen Blockheizkraftwerke für den Zeitraum von Januar bis April 2019 dem Grunde nach ein Anspruch auf KWK-Bonus gemäß § 27 Abs. 4 Nr. 3 EEG in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung zusteht.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Widerklage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in I. und II. Instanz trägt die Beklagte.
Dieses und das angefochtene Urteil - soweit es aufrecht erhalten wurde - sind vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses und des angefochtenen Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf bis zu 550.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Parteien streiten darüber, ob die Voraussetzungen einer zusätzlichen Vergütung für Strom, der in Kraft-Wärme-Kopplung nach Maßgabe der Anlage 3 EEG in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung (fortan EEG 2009) erzeugt wird (KWK-Bonus), für die von der Klägerin betriebenen Blockheizkraftwerke (fortan BHKW) vorliegen. Während die Klägerin mit der Klage nach Antragsänderung im Berufungsverfahren in der Hauptsache die Feststellung begehrt, dass ihr im Zeitraum von Januar bis April 2019 ein Anspruch auf den KWK-Bonus zusteht, verlangt die Beklagte mit der Widerklage die Rückzahlung der für die Betriebsjahre 2017 und 2018 geleisteten KWK-Bonuszahlungen.
Die Klägerin betreibt im Netzgebiet der Beklagten insgesamt drei BHKW, die aus Biogas Strom und Wärme erzeugen. Diese Wärme speist die Klägerin in zwei Wärmenetze ein. Die beiden BHKW am Standort der Biogasanlage (Einspeisestelle H., S., fortan Stammanlage) versorgen das Wärmenetz I. Ein weiteres, in einiger Entfernung zur Biogasanlage errichtetes BHKW (Einspeisestelle HH., S.) versorgt das Wärmenetz II. An beide Wärmenetze ist jeweils neben Wohnhäusern und weiteren Gebäuden eine Trocknungsanlage angeschlossen, in der durch andere Unternehmen in Containern - über mehrere Abgänge aus dem Wärmenetz - vor allem Holz getrocknet wird. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Netzpläne Bezug genommen (Anlagen K 12a und K 12b, Bl. 268 f. d.A.).
Die Klägerin legte für den KWK-Bonus im Betriebsjahr 2017 im Januar 2018 zwei Gutachten des Umweltgutachters Dipl.-Ing. S. vor, in denen der Gutachter das Vorliegen der Voraussetzungen für den KWK-Bonus bestätigte (für die Stammanlage Anlage B 14, Bl. 192 - 198 d.A.; für das Satelliten-BHKW Anlage B 15, Bl. 199 - 205 d.A.). Für das Betriebsjahr 2018 übermittelte die Klägerin der Beklagten im Februar 2019 ein Gutachten desselben Gutachters (Anlage K 5, Bl. 19-24 d.A.), in dem dieser das Vorl...