Entscheidungsstichwort (Thema)
Frage der Rechtswirksamkeit der Regelungen zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Berlin-Potsdam vom 22.6.2022 - L 9 KR 170/19 KL, das vollständig dokumentiert ist.
Normenkette
SGB V § 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 6, § 76 Abs. 1 S. 2, § 136 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 136c Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 5, Abs. 3 S. 5, Abs. 4 Sätze 1-2, 4, 6; SGB V a.F. § 137 Abs. 3 S. 1 Nr. 2; KHEntgG § 4 Abs. 6, § 9 Abs. 1a Nr. 5, § 17b Abs. 1 S. 4; PsychVVG Art. 5 Buchst. b bb; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4; SGG § 29 Abs. 4 S. 3, § 31 Abs. 1 S. 1, § 55 Abs. 1, § 197a Abs. 1 S. 1; VwGO § 154 Abs. 2
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin und der beklagte Gemeinsame Bundesausschuss (GBA, im Folgenden: der Beklagte) streiten darüber, ob der Beschluss des Beklagten über die Erstfassung der Regelungen zu einem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern gemäß § 136c Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vom 19. April 2018 (bekannt gemacht im Bundesanzeiger vom 18. Mai 2018, BAnz AT 18. Mai 2018 B4) wirksam ist.
Die Klägerin ist als Stiftung bürgerlichen Rechts Trägerin eines Fachkrankenhauses für Augenheilkunde. Das Krankenhaus ist ein Belegkrankenhaus, an welchem 19 augenärztliche und fünf anästhesiologische Belegärzte tätig sind. Im Klinikgebäude befinden sich vier Augenarztpraxen mit insgesamt 13 Augenärzten, die alle Belegärzte der Klägerin sind. Das Krankenhaus ist im Krankenhausplan des Freistaates Bayern mit 47 Planbetten aufgenommen. Als Fachkrankenhaus für Augenheilkunde bietet das Krankenhaus sämtliche augenheilkundlichen Operationen an und verfügt nach eigenen Angaben über eine 24-stündige Aufnahmebereitschaft. Im Jahre 2018 wurden nach den Angaben der Klägerin im Klinikbetrieb 14.271 Operationen am Auge durchgeführt, davon 10.228 Eingriffe ambulant und 4.043 stationär.
Der Gesetzgeber ermächtigte und verpflichtete den Beklagten in Art. 6 Nr. 15 des Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz, KHSG) vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I, S. 2229 (2249)) durch Einführung des § 136c Abs. 4 SGB V, ein gestuftes System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern einschließlich einer Stufe für die Nichtteilnahme an der Notfallversorgung zu beschließen:
(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2017 ein gestuftes System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern, einschließlich einer Stufe für die Nichtteilnahme an der Notfallversorgung. Hierbei sind für jede Stufe der Notfallversorgung insbesondere Mindestvorgaben zur Art und Anzahl von Fachabteilungen, zur Anzahl und Qualifikation des vorzuhaltenden Fachpersonals sowie zum zeitlichen Umfang der Bereitstellung von Notfallleistungen differenziert festzulegen. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei diesen Festlegungen planungsrelevante Qualitätsindikatoren nach Absatz 1 Satz 1, soweit diese für die Notfallversorgung von Bedeutung sind. Den betroffenen medizinischen Fachgesellschaften ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind bei der Beschlussfassung zu berücksichtigen.
Durch Art. 5 Nr. 7 lit. b, bb des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG) vom 19. Dezember 2016, BGBl. I S. 2986 (2995), verpflichtete der Gesetzgeber den Beklagten zusätzlich, vor Beschlussfassung eine Folgenabschätzung durchzuführen und deren Ergebnisse zu berücksichtigen:
Der Gemeinsame Bundesausschuss führt vor Beschlussfassung eine Folgenabschätzung durch und berücksichtigt deren Ergebnisse.
Getragen war die Einführung des § 136c Abs. 4 SGB V von folgenden Erwägungen des Gesetzgebers (BT-Drs. 18/5372, S. 91f.):
Durch die Regelung in Satz 1 erhält der G-BA den Auftrag, ein Stufensystem der Teilnahme an der Notfallversorgung festzulegen. Die Entwicklung eines solchen Stufensystems der Teilnahme an der Notfallversorgung soll strukturelle Voraussetzungen definieren, z.B. zur Vorhaltung der Art und Anzahl bestimmter Abteilungen, zur Anzahl von Intensivbetten und vorhandener medizintechnischer Ausstattung sowie zur Anzahl und Qualifikation des vorzuhaltenden Personals. Zudem ist zu berücksichtigen, ob eine Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft an allen Tagen besteht. Die Stufen können auch Differenzierungen nach Indikationsbereichen vorsehen. Die unterste Stufe ist unter Berücksichtigung der Vorgaben für die beim Sicherstellungszuschlag für die Versorgung notwendigen Leistungen der Notfallversorgung festzulegen. Die höchste Stufe ist z.B. für eine umfassende Notfallversorgung in Universitätskliniken oder Kliniken der Maximalversorgung vorzusehen. Nach Satz 3 ist der G-BA verpflichtet, festgelegte planungsrelevante Qualitätsindikatoren bei den Vorgaben für...