Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachbezug durch Vereinbarung einer Vergütung in einer Kryptowährung als eine Vergütung im unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Klage kann auf die Übertragung von Kryptowährung gerichtet werden. Kursschwankungen stehen der Zulässigkeit iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht entgegen. Ein bestimmtes Wallet muss nicht angegeben werden.
2. Soweit es sich bei der Vereinbarung einer Vergütung in einer Kryptowährung um eine Vergütung im unmittelbaren Gegenseitigkeitsverhältnis handelt, liegt ein Sachbezug iSd. § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO vor (hier bejaht).
3. Handelt es sich um einen Sachbezug nach § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO, muss nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO der unpfändbare Betrag des Arbeitsentgelts in Geld ausgezahlt werden. Soweit die Vereinbarung dagegen verstößt, ist sie nach § 134 BGB nichtig.
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; GewO § 107 Abs. 2, 2 S. 1, 5
Verfahrensgang
ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 03.03.2023; Aktenzeichen 8 Ca 130/22) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe - 8 Ca 130/22 - vom 3. März 2023 teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, 19,194 Ether-Einheiten an ein von der Klägerin zu bezeichnendes Wallet zu übertragen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Urlaubsabgeltung in Höhe von 5.405,61 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 1. Januar 2022 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die erstinstanzlichen Kosten haben zu 60% die Klägerin und zu 40% die Beklagte zu tragen. Die Kosten der Berufung haben zu 23% die Klägerin und zu 77% die Beklagte zu tragen.
IV. Die Revision wird beschränkt auf die Provisionsansprüche in Ether-Einheiten für die Klägerin und die Beklagte zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien sind noch Provisionen in der Kryptowährung Ether (ETH) und die Zahlung von Urlaubsabgeltung im Streit.
Die Beklagte ist ein Unternehmen in der Online-Marketingbranche, das sich insbesondere auch mit Kryptowährungen und Blockchain befasst. Die 1999 geborene Klägerin war zunächst aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages vom 31. Mai 2019 vom 1. Juni 2019 bis 30. September 2019 Werkstudentin in der Funktion einer Jr. Projektmanagerin bei der Beklagten beschäftigt. Es wurde ein monatliches Bruttogehalt iHv. 960,00 Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden vereinbart, die die Klägerin in einer fünf-Tage-Woche erbrachte. Zur Vergütung enthält § 15 des Arbeitsvertrages zudem folgende Vereinbarung:
"(1) Partner-Akquise + Sales wird mit einer zusätzlichen Provisions-Staffel vergütet.
10% für NEW Businesses bis 2.500 EUR monatliches Volumen.
15% für NEW Business von 2.501 EUR - 5.000 EUR monatliches Volumen.
20% für NEW Business ab 5. 001 EUR monatlichem Volumen.
Zahlung der Provision in Crypto ETH".
Der Vertrag enthält weiter folgende Regelungen:
"§ 6 Urlaub
(1) Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf einen Jahresurlaub von 12 Arbeitstagen bei einer 5-Tage-Woche. Arbeitet der Arbeitnehmer an weniger als 5 Tagen pro Woche, so ist der Urlaubsanspruch anteilig zu berechnen. Der Zeitpunkt des Urlaubs ist unter Berücksichtigung der betrieblichen Bedürfnisse rechtzeitig vor Urlaubsantritt mit dem Arbeitgeber abzustimmen.
(2) Im Übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes.
§ 13 Ausschlussfristen
(1) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Fälligkeitsmonats schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind verfallen.
(2) Lehnt die andere Partei den Anspruch schriftlich ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt der Anspruch, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
(3) Die vorstehenden Regelungen gelten nicht für Ansprüche aus unerlaubter Handlung und Ansprüche nach dem Mindestlohngesetz.
Das Arbeitsverhältnis wurde über den 30. September 2019 hinaus fortgesetzt. Mit Arbeitsvertrag vom 1. April 2020 verständigten sich die Parteien auf eine Tätigkeit der Klägerin ab 1. April 2020 als Jr. Key-Accountmanager/Partnermanager im Projekt: cr... bei einem Grundgehalt von 2.400,00 EUR brutto monatlich. Der Vertrag enthält ferner folgende Regelungen:
"§ 6 Urlaub
(1) Der Arbeitnehmer hat bei einer 5-Tage-Woche Anspruch auf einen Jahresurlaub von 24 Arbeitstagen. Arbeitet der Arbeitnehmer an weniger als 5 Tagen pro Woche, so ist der Urlaubsanspruch anteilig zu berechnen. Der Zeitpunkt des Urlaubs ist unter Berücksichtigung der betrieblichen Bedürfnisse rechtzeitig vor Urlaubsantritt mit dem Arbeitgeber abzustimmen.
[...]
§ 14 Ausschlussfristen
(1) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb vo...