Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuerwert unbebauter Grundstücke: Anpassung des Bodenrichtwerts – Gesetzlicher Rahmen des § 247 Abs. 1 Satz 2 BewG – Berücksichtigung weitergehender Vorgaben der lokalen Gutachterausschüsse – Begrenzung anrechenbarer Baulandflächen
Leitsatz (redaktionell)
- Bei der Ermittlung des Grundsteuerwerts unbebauter Grundstücke durch Multiplikation ihrer Fläche mit dem jeweiligen Bodenrichtwert gemäß § 247 Abs. 1 Satz 1 BewG können individuelle Abweichungen zwischen den Grundstücksmerkmalen des Bodenrichtwertgrundstücks und des zu bewertenden Grundstücks nur in dem von § 247 Abs. 1 Satz 2 BewG vorgegebenen Rahmen berücksichtigt werden.
- Über diesen Rahmen hinausgehende Vorgaben der lokalen Gutachterausschüsse – wie die Begrenzung anrechenbarer Baulandflächen von bebauten Grundstücken auf die fünffache Gebäudegrundfläche - können daher der Wertermittlung nicht zugrunde gelegt werden.
Normenkette
BewG § 247 Abs. 1 Sätze 1-2
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des Bodenwerts bei der Feststellung des Grundsteuerwerts nach dem Ertragswertverfahren.
Gegenstand der streitigen Grundsteuerbewertung ist das Grundstück J.-straße in H. (Amtsgericht X., Gemarkung P., Flur 1, Flurstück N01). Hierbei handelt es sich um ein im Außenbereich gelegenes und mit einem Einfamilienhaus (Baujahr 2010) bebautes Grundstück mit einer amtlichen Fläche von 1.808 m². Das Grundstück ist mehr als 1 km von der Ortschaft H. entfernt und befindet sich in unmittelbarer Nähe zu P., einem Ortsteil bzw. Dorf in der Gemeinde H..
Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis X. hat für bebaute Wohngrundstücke im Außenbereich (§ 35 Abs. 2 des Baugesetzbuchs - BauGB -) in der Gemeinde H. eine Außenbereichs-Bodenrichtwertzone ausgewiesen. Für diese hat er einen Bodenrichtwert von 83 €/m² zum 01.01.2022 ermittelt. Nach den Angaben in den örtlichen Fachinformationen zur Ableitung und Verwendung der Bodenrichtwerte bezieht dieser sich auf Außenbereichsgrundstücke mit einer Entfernung über 1 km zur/m nächstgelegenen geschlossenen Ortslage oder Stadtteil mit durchschnittlicher Infrastruktur. Für orts-/stadtnahe Außenbereichslagen (Entfernung unter 1 km) ist nach dortigen Informationen des Gutachterausschusses der reduzierte Wertansatz um rund +40 % zu erhöhen. Die örtlichen Fachinformationen enthalten darüber hinaus u.a. folgende Bodenrichtwertdefinitionen:
„Bemessungsmaßstab für die anrechenbare Baulandfläche ist i.d.R. die fünffache Gebäudegrundfläche der bereits wohnbaulich genutzten Gebäude (mindestens 600 m²).
Flächengrößen über die anrechenbare Baulandfläche hinaus werden i.d.R. bis zu einer Größe von 2.500 m² mit 30 % des vorgenannten Bodenwertniveaus veranschlagt.
Über 2.500 m² hinausgehende Flächen haben die Wertigkeit des umliegenden landwirtschaftlichen Bodenwertniveaus zuzüglich 50 % Aufschlag, soweit es sich um ein von der Land- und Forstwirtschaft abgegrenztes, durch Zaun oder Hecke eingefriedetes, Hofgrundstück handelt. Ansonsten ist der Bodenrichtwert für Land- oder Forstwirtschaft zugrunde zu legen.
Es wird betont, dass die angegebenen Bodenrichtwerte für wohnbaulichen genutzte Grundstücke im Außenbereich nicht verallgemeinerungsfähig, sondern für den jeweiligen Bewertungsfall individuell zu ermitteln sind. Das bedeutet beispielsweise, dass auch der nächstgelegene Bodenrichtwert in die Ermittlung des marktgerechten Bodenwertansatzes mit einzubeziehen ist. Detaillierte Information finden Sie im Kapitel 4 des aktuellen Grundstücksmarktberichtes des Kreises X..“
Der Gutachterausschuss hat außerdem für den Außenbereich Bodenrichtwerte für den Entwicklungszustand „Flächen der Land- und Forstwirtschaft“ separiert nach den Nutzungsarten Forstwirtschaft, Acker und Grünland ausgewiesen.
Mit Bescheid vom 15.05.2023 stellte der Antragsgegner unter dem Aktenzeichen N02 den Grundsteuerwert für die mit dem Einfamilienhaus bebaute wirtschaftliche Einheit im Ertragswertverfahren auf 171.000 € fest. Hierbei berücksichtigte er einen abgezinsten Bodenwert von 13.002,78 €. Diesen ermittelte er durch Ansatz eines einheitlichen Bodenrichtwerts von 83 €/m2 für eine Grundstücksfläche von insgesamt 1.000 m2, eines Umrechnungskoeffizienten von 0,84 wegen abweichender Grundstücksgröße gemäß Anlage 36 zum Bewertungsgesetz (BewG) bei einer maßgebenden Grundstücksgröße ≫=1.000 m² und eines Abzinsungsfaktors von 0,1865 gemäß Anlage 41 zum BewG bei einem Liegenschaftszinssatz von 2,5 % und einer Restnutzungsdauer von 68 Jahren. Die Festsetzung des Grundsteuermessbetrages erfolgte ebenfalls mit Bescheid vom 15.05.2023.
Die übrige Fläche von 808 m² bewertete der Antragsgegner unter dem Aktenzeichen N03 erklärungsgemäß als wirtschaftliche Einheit eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft.
Gegen die Bescheide über den Grundsteuerwert und den Grundsteuermessbetrag unter dem Aktenzeichen N02 „und die damit verbundenen Verfügungen“ legten die Antragssteller am 16.05.2023 Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung führten s...