Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BVerfG Beschluss vom 15.05.1963 - 2 BvR 106/63

Sie haben bereits ein Haufe Produkt? Hier anmelden
 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde auch bei der Rüge von Verfahrensmängeln

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die gesetzwidrige Besetzung eines Finanzgerichts ist ein Verfahrensmangel im Sinne des § 288 Ziff. 2 AO, der im finanzgerichtlichen Verfahren mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar ist.

2. Dem Erfordernis der Erschöpfung des Rechtswegs im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ist nicht genügt, wenn ein Verfahrensmangel im Instanzenzug deshalb nicht nachgeprüft werden konnte, weil er nicht oder nicht in ordentlicher Form gerügt war.

 

Normenkette

BVerfGG § 90 Abs. 2 S. 1; AO § 288 Ziff. 2

 

Verfahrensgang

BFH (Urteil vom 02.08.1962; Aktenzeichen IV 348/60)

 

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin betreibt ein Zirkusunternehmen. Für die Veranlagungszeiträume II/1948 und 1949 hatte sie in ihren Steuererklärungen jeweils einen Verlust angegeben. Eine im Jahre 1955 von der Steuerfahndung durchgeführte Betriebsprüfung ermittelte jedoch für die betreffenden Zeiträume einen gewerblichen Gewinn. Die Beschwerdeführerin wurde daraufhin durch Berichtigungsbescheide zu erheblichen Nachzahlungen an Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer aufgefordert. Dagegen wandte sie im finanzgerichtlichen Verfahren u.a. ein, die Steueransprüche seien verjährt. Über diesen Einwand entschied das Finanzgericht Düsseldorf – VII. Kammer (Köln) – durch drei Zwischenurteile. Es stellte fest, daß die Verjährung nicht eingetreten sei. Der Bundesfinanzhof wies die gegen diese Urteile eingelegten Rechtsbeschwerden als unbegründet zurück. Die Beschwerdeführerin hatte die Verletzung materiellen Rechts und mangelnde Sachaufklärung durch das Finanzgericht gerügt. Die Rüge der ordnungswidrigen Besetzung des Finanzgerichts hatte sie nicht vorgebracht.

Mit der rechtzeitig gegen die Urteile des Bundesfinanzhofs eingelegten Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend:

  1. Art. 101 Abs. 1 GG sei verletzt, weil die VII. Kammer des Finanzgerichts Düsseldorf neben dem Vorsitzenden mit mehreren Berufsrichtern als beisitzenden Richtern besetzt sei. Im einzelnen Fall entscheide sie in der Besetzung mit dem Vorsitzenden, dem von ihm nach seinem Ermessen zum Berichterstatter bestimmten Berufsrichter sowie drei ehrenamtlichen Beisitzern. Die Überbesetzung des Spruchkörpers lasse daher dem Vorsitzenden in unzulässiger Weise die Wahl, welcher der seiner Kammer zugeteilten Berufsrichter für die Entscheidung herangezogen werden solle. Außerdem sei die VII. Kammer des Finanzgerichts Düsseldorf im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidungen auch hinsichtlich ihrer ehrenamtlichen Beisitzer falsch besetzt gewesen.
  2. Es verletze die Menschenwürde im Sinne des Art. 1 Abs. 1 GG, wenn die Finanzverwaltung eine Betriebsprüfung durch die Steuerfahndung durchführen lasse. Darin komme eine Diskriminierung gegenüber anderen Steuerpflichtigen zum Ausdruck (Art. 3 Abs. 1 GG).
  3. Art. 2 Abs. 1 GG sei verletzt, weil die Tätigkeit der Steuerfahndung der gesetzlichen Grundlage entbehre; die von ihr vorgenommene Betriebsprüfung sei somit nichtig und könne keine Rechtswirkungen zuungunsten der Beschwerdeführerin entfalten.
  4. Ein Verstoß gegen Art. 13 GG sei darin zu sehen, daß die Beamten der Steuerfahndungsstelle die Geschäftsräume der Beschwerdeführerin gegen deren Willen betreten hätten.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist teils unzulässig, teils offensichtlich unbegründet.

1. Die Rüge, die Beschwerdeführerin sei ihrem gesetzlichen Richter entzogen, ist unzulässig, da der gegen diesen Verfassungsverstoß zulässige Rechtsweg nicht beschritten und erschöpft worden ist.

Die gesetzwidrige Besetzung der erkennenden Kammer des Finanzgerichts ist ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 288 Ziff. 2 AO. Er ist im finanzgerichtlichen Verfahren mit der Rechtsbeschwerde anfechtbar. Gemäß § 296 Abs. 2 Satz 1 AO kann dieser Verfahrensfehler vom Bundesfinanzhof aber nur dann geprüft werden, wenn er in der Form des § 290 Abs. 1 AO gerügt wird. Die gesetzwidrige Besetzung des Gerichts ist nicht etwa ein unheilbarer Mangel im Verfahren des Finanzgerichts, der nach Art eines Verfahrenshindernisses von Amts wegen zu beachten wäre (vgl. auch BGH-Urteil vom 23. Juli 1953 – 2 StR 784/52 –, zitiert bei Dallinger, MDR 1953, 724).

Wer einen solchen, mit einem Rechtsmittel angreifbaren Verfahrensmangel rügen will, muß ihn, auch wenn es sich um einen Verfassungsverstoß handelt, zunächst nach den bestehenden Verfahrensvorschriften geltend machen, um den Rechtsweg zu erschöpfen (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Diese Regelung soll im Interesse der Entlastung des Bundesverfassungsgerichts eine möglichst umfassende Vorprüfung der Beschwerdepunkte durch die zuständigen Instanzen gewährleisten (BVerfGE 4, 193 [198]). Dem Erfordernis der Erschöpfung des Rechtswegs ist daher dann nicht genügt, wenn ein Verfahrensmangel im Instanzenzug deshalb nicht nachgeprüft werden konnte, weil er nicht oder nicht in ordentlicher Form gerügt war. Nach § 90 Abs. 2 Satz 2 kann das Bundesverfassungsgericht zwar ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde entscheiden. Es kann aber nicht über eine nach abgeschlossenem Instanzenzug eingelegte Verfassungsbeschwerde sachlich entscheiden, wenn die mit ihr gerügte Verletzung in den vorangegangenen Rechtszügen nicht geltend gemacht war, obwohl sie dort nach den einschlägigen Verfahrensvorschriften hätte geltend gemacht werden müssen.

Die Beschwerdeführerin hätte also im vorliegenden Fall die Rüge der ordnungswidrigen Besetzung des Finanzgerichts schon mit der Rechtsbeschwerde gegen die finanzgerichtlichen Urteile erheben müssen. Indem sie das unterließ, hat sie eine Nachprüfung des behaupteten Fehlers durch den Bundesfinanzhof unmöglich gemacht. Sie hat sich damit der Möglichkeit begeben, diesen Verstoß als Grundrechtsverletzung mit der Verfassungsbeschwerde in zulässiger Weise zu rügen.

2. Die Rüge der Verletzung der Menschenwürde ist so abwegig, daß sie einer besonderen Widerlegung nicht bedarf. Auch Art. 3 Abs. 1 GG ist offensichtlich nicht verletzt. Es steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzverwaltung, die Steuerpflichtigen auszuwählen, bei denen sie eine außerordentliche Betriebsprüfung durchführen will. Für das Vorliegen von Willkür bestehen keine Anhaltspunkte.

3. Unrichtig ist die Auffassung, die Tätigkeit der Organe der Steuerfahndung und ihre Inanspruchnahme durch die Finanzverwaltung entbehre der gesetzlichen Grundlage und sei daher von vornherein mit Art. 2 Abs. 1 GG unvereinbar. Nach § 22 Satz 2 des Gesetzes über die Finanzverwaltung vom 6. September 1950 (BGBl. S. 448) haben „die Beamten des Steuerfahndungsdienstes die Ermittlungsbefugnisse, die den Beamten der Finanzämter zustehen”.

4. Die Frage, ob das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 13 GG durch Beamte der Steuerfahndung verletzt wurde, kann dahinstehen. Die angefochtenen finanzgerichtlichen Urteile verletzen dieses Grundrecht nicht, da es für die dort allein entschiedene Frage der Verjährung nicht darauf ankommt, ob die Fahndungsbeamten die Geschäftsräume der Beschwerdeführerin zu Recht betreten haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1721399

BVerfGE, 124

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Produktempfehlung
haufe-product

Meistgelesene Beiträge
  • Frotscher/Geurts, EStG § 18 Selbständige Arbeit / 11.1.1 Betriebseinnahmen
    1
  • Frotscher/Geurts, EStG § 5 Gewinn bei Kaufleuten und bei ... / 4.1 Allgemeines
    1
  • Geschenke / 5 Wertbestimmung
    1
  • IFRS 01 - Erstmalige Anwendung der International Financi ... / [IAS 1]
    1
  • Schadensersatz / 1.4 Schadensersatz wegen Diskriminierung
    1
  • Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 21 Besondere Vorschrift ... / 11.3 Rechtsbehelfsverfahren
    1
  • Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG § 4 Nr. 20 [Theater, Orch ... / 2.2 Andere Unternehmer
    1
  • Verhaltenskodex: Wichtiges Element für das Compliance-Ma ... / 2 Beteiligungsrechte des Betriebsrats
    1
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Haufe Finance Office Premium
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop

Produktempfehlung


Zum Thema Finance
Die neuen Regelungen im Insolvenzrecht: Handbuch Insolvenz
Handbuch Insolvenz
Bild: Haufe Shop

Das Buch stellt die Verfahrensabläufe bei Eintritt einer Insolvenz verständlich dar und gibt Antworten auf alle praxisrelevanten Fragen. Zahlreiche Beispiele, Mustertexte und besonders gekennzeichnete Tipps helfen Ihnen, Fehler zu vermeiden und Haftungsrisiken zu minimieren.


BVerfG 1 BvR 790/07
BVerfG 1 BvR 790/07

  Verfahrensgang FG München (Beschluss vom 04.10.2006; Aktenzeichen 8 V 2886/06)   Tenor Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.  Tatbestand I. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Festsetzung von ...

4 Wochen testen


Newsletter Finance
Newsletter Steuern und Buchhaltung

Aktuelle Informationen aus den Bereichen Steuern und Buchhaltung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Für Praktiker im Rechnungswesen
  • Buchhaltung und Lohnbuchhaltung
  • Alles rund um betriebliche Steuern
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
Haufe Fachmagazine
Themensuche
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #
Zum Finance Archiv
Haufe Group
Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe Onlinetraining Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Lexware rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt
Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
Haufe Rechnungswesen Shop
Rechnungswesen Produkte Buchführung Software und Bücher Bilanzierung & Jahresabschluss Lösungen Produkte zu Kostenrechnung Produkte zur IFRS-Rechnungslegung Haufe Shop Buchwelt

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren