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BGH Urteil vom 24.09.2013 - VI ZR 255/12

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Leitsatz (amtlich)

a) Bei einem Unfall zwischen einem Fußgänger und einem Kraftfahrzeug darf bei der Abwägung der Verursachungsanteile im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB nur schuldhaftes Verhalten des Fußgängers verwertet werden, von dem feststeht, dass es zu dem Schaden oder zu dem Schadensumfang beigetragen hat.

b) Die Beweislast für den unfallursächlichen Mitverschuldensanteil des Fußgängers trägt regelmäßig der Halter des Kraftfahrzeugs.

 

Normenkette

BGB § 254; StVG § 9; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 03.05.2012; Aktenzeichen 5 U 185/11)

LG Hildesheim (Entscheidung vom 20.09.2011; Aktenzeichen 3 O 417/10)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des OLG Celle vom 3.5.2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin begehrt von den Beklagten wegen der Folgen eines Verkehrsunfalls Schmerzensgeld und Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung zukünftiger Schäden vorbehaltlich des Anspruchsübergangs auf Dritte, wobei sie eine Mithaftung von 75 % hinnimmt.

Rz. 2

Die Klägerin wurde am 6.2.2009 gegen 20.11 Uhr als Fußgängerin beim Überqueren einer innerörtlichen Straße von dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw erfasst, dessen Halterin und Fahrerin die Beklagte zu 1) war. Dabei wurde die Klägerin schwer verletzt. Bei der ihr entnommenen Blutprobe wurde eine BAK von 1,75 Promille festgestellt.

Rz. 3

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 4

Das Berufungsgericht verneint einen Schmerzensgeldanspruch der Klägerin gegen die Beklagten gem. §§ 7 Abs. 1, 11 Satz 2 StVG, § 115 Abs. 1 VVG. Zwar habe sich der Unfall beim Betrieb des Fahrzeugs der Beklagten zu 1) ereignet, doch habe die Klägerin ein Verschulden der Beklagten zu 1) am Zustandekommen des Unfalls nicht bewiesen. Das von der Klägerin angebotene unfallanalytische Sachverständigengutachten scheide als Beweismittel aus, weil die notwendigen ausreichend konkreten Anknüpfungstatsachen, insb. Entfernungen, Abstände, Endlagen und Geschwindigkeiten für die Erstellung eines unfallanalytischen Gutachtens nicht gegeben seien. Zwar könnten die Beklagten auch nicht den Unabwendbarkeitsbeweis führen, doch treffe die Klägerin ein überwiegendes Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls. Sie habe in erheblich alkoholisiertem Zustand unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO die Straße überquert, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten. Das Verschulden der Klägerin überwiege dermaßen, dass die Betriebsgefahr dahinter zurücktrete.

II.

Rz. 5

Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Rz. 6

1. Im Ansatz geht das Berufungsgericht allerdings zutreffend davon aus, dass die Beklagten auch ohne den Beweis eines Verschuldens der Beklagten zu 1) grundsätzlich aufgrund der Betriebsgefahr des Fahrzeuges für den unfallbedingten Schaden gem. §§ 7 Abs. 1, 11 Satz 2 StVG, § 115 Abs. 1 VVG einzustehen haben, weil sie nicht den Beweis der Verursachung durch höhere Gewalt gem. § 7 Abs. 2 StVG führen können.

Rz. 7

2. Das Berufungsurteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit es die Haftung der Beklagten wegen des überwiegenden Verschuldens der Klägerin verneint. Da die Klägerin weder Halterin noch Führerin eines beteiligten Fahrzeuges war, kommt eine Anspruchskürzung nach den §§ 17, 18 StVG nicht in Betracht. Die Beklagten zu 1) und 2) haften der Klägerin grundsätzlich als Gesamtschuldner in vollem Umfang. Die Gefährdungshaftung kann allerdings im Rahmen der Abwägung nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB entfallen, wenn die im Vordergrund stehende Schadensursache ein grob verkehrswidriges Verhalten des Geschädigten darstellt (st.Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 21.12.1955 - VI ZR 63/55, VersR 1956, 238 f.; v. 12.10.1965 - VI ZR 81/64, VersR 1966, 39 f.; v. 18.3.1969 - VI ZR 242/67, VersR 1969, 571, 572; v. 13.2.1990 - VI ZR 128/89, VersR 1990, 535, 536). Die Abwägung nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB setzt jedoch stets die Feststellung eines haftungsbegründenden Tatbestandes auf der Seite des Geschädigten voraus. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen und für die Entstehung des Schadens ursächlich geworden sein (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.1960 - VI ZR 30/60, VersR 1961, 249, 250; v. 8.1.1963 - VI ZR 35/62, VersR 1963, 285, 286; v. 29.11.1977 - VI ZR 51/76, VersR 1978, 183, 185; v. 10.1.1995 - VI ZR 247/94, VersR 1995, 357, 358; v. 21.11.2006 - VI ZR 115/05, VersR 2007, 263 Rz. 15 ff.; BGH, Urt. v. 20.2.2013 - VIII ZR 339/11, NJW 2013, 2018 Rz. 34). Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben außer Betracht zu bleiben (vgl. BGH, Urt. v. 20.3.2012 - VI ZR 3/11, VersR 2012, 865 Rz. 12). Für die Abwägung der Verursachungsanteile im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB ist mithin nur das Verhalten der Klägerin maßgebend, das sich erwiesenermaßen als Gefahrenmoment in dem Unfall ursächlich niedergeschlagen hat (vgl. BGH, Urt. v. 10.1.1995 - VI ZR 247/94, a.a.O.).

Rz. 8

Nach diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht annehmen, das Verschulden der Klägerin überwiege gegenüber der nicht ausgeräumten Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten dermaßen, dass die Betriebsgefahr hinter dem Verschulden der Klägerin zurücktrete. Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese in erheblich alkoholisiertem Zustand unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten. Insoweit erweist sich das Berufungsurteil als widersprüchlich zu der Begründung, mit der das Berufungsgericht die Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens abgelehnt hat. Dazu heißt es in dem angefochtenen Urteil, dass sich weder aus der Ermittlungsakte noch aus der Aussage des Zeugen M. oder der Anhörung der Parteien konkrete Anknüpfungstatsachen, insb. Entfernungen, Abstände, Endlagen und Geschwindigkeiten entnehmen ließen, die ausreichten, um einen Sachverständigen mit der Erstellung eines unfallanalytischen Gutachtens über den Hergang des Unfalls zu beauftragen. Mithin stand für das Berufungsgericht weder fest, welche Wegstrecke die Klägerin auf der Fahrbahn bis zum Erreichen des Kollisionsorts zurückgelegt hat, noch dass sie für die Beklagte zu 1) nicht erkennbar gewesen ist und der Unfall durch eine sofortige Reaktion der Beklagten zu 1) nicht hätte vermieden werden können.

Rz. 9

Das Berufungsgericht hat außerdem verkannt, dass bei einer Nichtbeweisbarkeit des Unfallhergangs die Beweislast für den unfallursächlichen Mitverschuldensanteil der Klägerin nach allgemeinen Beweisgrundsätzen (vgl. Baumgärtel/Helling, Handbuch der Beweislast 3. Aufl., § 254 Rz. 6 f.) die Beklagten tragen und nicht die Klägerin.

III.

Rz. 10

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Dabei wird sich das Berufungsgericht erforderlichenfalls auch mit der von der Revision erhobenen Verfahrensrüge zu befassen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 5950909

NJW 2013, 6

NJW 2014, 217

EBE/BGH 2013, 388

DAR 2014, 22

DAR 2014, 303

JZ 2014, 40

MDR 2014, 27

NJ 2013, 3

NZV 2014, 119

NZV 2014, 4

VRS 2013, 265

ZfS 2014, 78

NJW-Spezial 2013, 745

SVR 2014, 3

VRR 2014, 20

r+s 2013, 623

GreifRecht 2014, 4

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