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BGH Urteil vom 24.05.1988 - VI ZR 159/87

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Verfahrensgang

OLG Celle (Urteil vom 18.12.1986; Aktenzeichen 5 U 314/85)

LG Hildesheim (Urteil vom 29.10.1985; Aktenzeichen 3 O 114/84)

 

Tatbestand

Die Klägerin hat die Beklagte als Haftpflichtversicherer auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens aus einem Verkehrsunfall in Anspruch genommen, der sich am 24. Juli 1982 ereignet hat und bei dem die Klägerin schwer verletzt worden ist. Die Versicherungsnehmerin der Beklagten hatte mit ihrem Pkw der zum Unfallzeitpunkt 16-jährigen Klägerin auf ihrem Motorrad die Vorfahrt genommen. Infolge der Unfallverletzungen mußte das rechte Bein der Klägerin in der Mitte des Oberschenkels nach ausgedehntem Ober- und Unterschenkeltrümmerbruch mit Nerven- und Gefäßzerreißungen, Eröffnung des Kniegelenks und Zerreißung aller Kniebänder amputiert werden. Ferner trug die Klägerin Platzwunden am rechten Unterbauch, Prellungen und Schürfwunden davon; der Nagel des linken Ringfingers wurde abgerissen. Sie lag mit schwerem Schock eine Woche lang auf der Intensivstation; es bestand Lebensgefahr. Die stationäre Behandlung dauerte bis zum 31. Dezember 1982. Bis zum Unfall war die Klägerin aktive Sportlerin gewesen; sie wollte Polizeibeamtin werden. Nach der bestrittenen Behauptung der Klägerin hat der Unfall zu einer Wesensveränderung geführt.

Die Klägerin hat von der Beklagten neben dem Ersatz des materiellen Schadens u.a. die Zahlung eines Schmerzensgeldkapitalbetrages von 70.000 DM sowie einer Schmerzensgeldrente von monatlich 400 DM gefordert.

Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben, beim Schmerzensgeld jedoch mit der Abweichung, daß der Klägerin über den Kapitalbetrag von 70.000 DM hinaus eine Schmerzensgeldrente von monatlich nur 300 DM zu zahlen ist. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Schmerzensgeld um die Rente und den Kapitalbetrag um 15.000 DM auf 55.000 DM gekürzt. Mit der Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Herabsetzung des nach seiner Ansicht vom Landgericht zu hoch bemessenen Schmerzensgeldes hat das Berufungsgericht wie folgt begründet: Das der Klägerin zuzubilligende Schmerzensgeld müsse sich aus Gründen der Gleichbehandlung im Rahmen dessen halten, was der Senat in vergleichbaren Fällen an Schmerzensgeld zugebilligt habe. Mit ähnlichem Schadensbild habe der Senat regelmäßig nicht mehr als 50.000 DM zugesprochen. Soweit die Klägerin sich auf psychische Beeinträchtigungen berufe, sei dies bei Unfallverletzungen der vorliegenden Art nicht ungewöhnlich und vom Senat bereits berücksichtigt.

II. Das Berufungsurteil hält den Revisionsangriffen nicht stand.

Die Ermittlung des Schmerzensgeldes nach Art und Höhe ist zwar grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Seine Beurteilung, für die er durch § 287 ZPO besonders freigestellt ist, kann in aller Regel nicht schon deshalb beanstandet werden, weil sie als zu reichlich oder - was hier in Betracht kommt - als zu dürftig erscheint (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 1976 - VI ZR 216/74 = VersR 1976, 967, 968).

Dem freien tatrichterlichen Ermessen sind allerdings auch Grenzen gesetzt: Es muß das Bemühen um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Verletzungen unter Berücksichtigung aller für die Höhe des Schmerzensgeldes maßgeblichen Umstände erkennen lassen und darf nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 1976 aaO.). Zur Überprüfung der Einhaltung dieser Grenzen ist der Tatrichter gehalten, die tatsächlichen Grundlagen seiner Schätzung und ihre Auswirkungen darzulegen (vgl. BGHZ 6, 62, 63 m.w.N.).

1. Unter dem zuletzt genannten Gesichtspunkt bemängelt die Revision zu recht, daß das Berufungsgericht sich nicht ausreichend mit den für die Bemessung des Schmerzensgeldes maßgeblichen Umständen auseinandergesetzt hat. So fehlt es dem Berufungsurteil schon an jeder Befassung mit den Argumenten, die das Landgericht für die Bemessung des Schmerzensgeldes hat entscheidend sein lassen. Das Berufungsgericht hat sich im wesentlichen darauf beschränkt, wegen des maßgebenden Schadensbildes auf das Urteil des Landgerichts Bezug zu nehmen. Das ist - jedenfalls bei entsprechen eingehender Auseinandersetzung mit den zugrundezulegenden Verletzungen und ihren immateriellen Auswirkungen durch das Landgericht wie hier - vertretbar, wenn sich das Oberlandesgericht auch in seiner Bewertung an die Größenordnung der Vorinstanz hält. Wenn es aber so erheblich von der Bewertung des Landgerichts abweichen will wie im Streitfall, dann muß es im einzelnen dartun, warum es das Ausmaß der Schäden anders beurteilt oder aus welchen anderen Gründen für welche Schäden es der Bewertung des Landgerichts nicht folgen will. Das verlangt nicht nur die Rücksicht auf die Aufgabe zur Befriedung der Prozeßparteien, denen es schon deshalb verständlich gemacht werden muß, warum zwei Gerichte in der Bewertung desselben Falls zu derart abweichenden Ergebnissen kommen, sondern nur so kann in solchen Fällen den Parteien und dem Revisionsgericht die erforderliche Überprüfung eröffnet werden, daß das Berufungsgericht eine richtige Vorstellung von den maßgeblichen Bemessungsfaktoren gehabt hat, oder ob seine Bemessung des Schmerzensgeldes nicht auf grundsätzlich falschen oder offenbar unrichtigen Erwägungen beruht und ob nicht wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen außer acht gelassen worden sind.

Zwar hat das Berufungsgericht einige der Auswirkungen der Unfallverletzungen in den Entscheidungsgründen seines Urteils erwähnt. Da es sich jedoch nicht mit der weitergehenden Begründung des Landgerichts auseinandergesetzt hat, ist seinen Ausführungen nicht zu entnehmen, ob es auch die Tragweite der Unfallverletzungen in ihren individuellen Auswirkungen für die Klägerin richtig gesehen hat. Eine solche insbesondere unter Berücksichtigung der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes gebotene - umfassende Schau der maßgeblichen Umstände hat auch die den Dauerfolgen vorausgegangenen Leiden und Beschwernisse zu umfassen. Insoweit ist nicht zu erkennen, ob das Berufungsgericht sich bei der Entscheidungsfindung auch jener Umstände bewußt war: Lebensgefahr für eine Woche nach dem Unfall, lang andauernde Heilbehandlung vom 24. Juli 1982 bis Ende 1982, notwendige Rehabilitationsmaßnahmen mit dem Besuch einer Gehschule und Fistelbildung im Stumpf, die die zeitweise Benutzung von Krücken oder Rollstuhl erforderlich macht. Das notwendige Eingehen auf alle diese Umstände und die Auseinandersetzung mit ihrer Bewertung durch das Landgericht im einzelnen wird auch nicht dadurch entbehrlich, daß das Berufungsgericht erklärt, in vergleichbaren Fällen nicht mehr als 50.000 DM als Schmerzensgeld zugesprochen zu haben. Eine derart pauschale Bezugnahme macht sein Urteil weder für die Parteien noch für das Revisionsgericht nachprüfbar. Wegen der hierzu fehlenden Ausführungen kann das Berufungsurteil daher schon gemäß § 551 Nr. 7 ZPO keinen Bestand haben.

2. Die Grenzen des ihm nach § 287, ZPO eingeräumten Ermessens hat das Berufungsgericht auch dadurch verletzt, daß es sich nicht ausreichend mit dem Gutachten des psychologischen Sachverständigen Prof. Dr. R. zu den unfallbedingten psychischen Verändungen bei der Klägerin befaßt hat. Nach den Ausführungen des Sachverständigen leidet die Klägerin als Folge der Unfallverletzungen phasenweise an depressiven Zuständen, die von suizidhaften Stimmungen begleitet sind. Wenn das Berufungsgericht dazu ausgeführt hat, daß die in dem Gutachten des Prof. Dr. R. erwähnten psychischen Veränderungen bei Unfallfolgen der hier gegebenen Art nicht ungewöhnlich seien, so ist nicht auszuschließen, daß es entweder die Tragweite dieser Folgen nicht erkannt oder aber diese - unter Außerachtlassung, daß es sich bei der Klägerin um einen jungen Menschen handelt, dem durch die Unfallverletzungen ein normales Leben sehr erschwert ist - fehlerhaft bewertet hat.

III. Wegen dieser Verfahrensfehler - Mangel an ausreichender Darlegung der für die Messung des Schmerzensgeldes bedeutsamen Kriterien und fehlerhafte Außerachtlassung für die Abwägung bedeutender Umstände - kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Es war daher aufzuheben und zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der erforderlichen Neuverhandlung wird das Berufungsgericht zur Bemessung des Schmerzensgeldes sich auch mit dem Vorbringen der Revision auseinanderzusetzen haben, mit seiner Bewertung verlasse das Berufungsgericht signifikant die Größenordnung, in der sich heute die Schmerzensgelder der Gerichte in vergleichbaren Fällen bewegten. Der erkennende Senat hat wiederholt darauf hingewiesen (vgl. Senatsurteil vom 8. Juni 1976 aaO. und Beschluß des Senats vom 1. Oktober 1985 - VI ZR 195/84 = VersR 1986, 59), daß ein deutliches Abweichen von der Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen der besonderen Begründung bedarf.

Dem Berufungsgericht bleibt auch die Entscheidung über die Kosten der Revision vorbehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992941

NJW 1989, 773

LM Nr. 77 zu § 847 BGB

BGHR BGB § 847 Abs. 1 Satz 1 Bemessung 1

BGHR ZPO § 287 Schmerzensgeld 1

BGHR ZPO § 551 Nr. 7 Schmerzensgeld 1

NJW-RR 1989, 412

DAR 1988, 311

MDR 1988, 950

NZV 1988, 139

VerkMitt 1989, Nr. 20

VersR 1988, 943

ZfS 1988, 350

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