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BGH Urteil vom 23.01.1990 - VI ZR 209/89

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Schadensersatzanspruch bei gestörtem Gesamtschuldverhältnis: Beachtlichkeit vertraglicher Haftungsabsprachen zwischen Erst- und Zweitschädiger

 

Leitsatz (amtlich)

Im Anwendungsbereich der Rechtsprechung zum sog gestörten Gesamtschuldverhältnis ist zwar eine vertragliche Regelung der Verantwortlichkeit für die Schadensverhütung zwischen Erst- und Zweitschädiger, etwa die Übertragung der Verkehrssicherung, zu berücksichtigen; eine Zusage des Erstschädigers, über seinen Verantwortungsanteil hinaus für den Schaden aufzukommen und den Zweitschädiger insoweit freizustellen, ist dagegen unbeachtlich (im Anschluß an BGH, 1973-06-12, VI ZR 163/71, BGHZ 61, 51 und BGH, 1985-04-23, VI ZR 91/83, BGHZ 94, 173 sowie BGH, 1987-02-17, VI ZR 81/86, NJW 1987, 2669).

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Entscheidung vom 06.06.1989; Aktenzeichen 9 U 45/88)

LG Bochum (Entscheidung vom 11.11.1987; Aktenzeichen 4 O 391/86)

 

Tatbestand

Der Kläger ist im Dienste der Stadt B. in deren Philharmonischen Orchester als Trompeter tätig. Außerhalb dieser Berufstätigkeit spielt er Violine in Kammermusikgruppen. Auch erteilt er Violinunterricht.

Die beklagte Universität stellt der Stadt B. für 12 Konzerte des Philharmonischen Orchesters pro Spielzeit gegen Erstattung der anfallenden Personal- und Sachkosten, im übrigen unentgeltlich, das Auditorium Maximum zur Verfügung. In der zugrundeliegenden Vereinbarung ist auf „Richtlinien für die Überlassung von Räumlichkeiten für Veranstaltungen in der Universität” Bezug genommen, in denen es unter § 7 Abs. 2 heißt:

„Der Veranstalter haftet für sämtliche Personen- und Sachschäden, die Dritten, insbesondere den Besuchern seiner Veranstaltung, seinen Beauftragten oder ihm selbst … bei der Benutzung der überlassenen Räume und ihrer Zugangswege entstehen, es sei denn, daß die Schäden auf ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten der Universität oder ihrer Mitarbeiter zurückzuführen sind. Der Veranstalter hat die ..-Universität … bzw. deren Bedienstete von allen Ansprüchen freizustellen, die aus diesem Anlaß gegen sie geltend gemacht werden können.”

Am Vormittag des 28. Dezember 1985 kam der Kläger beim Verlassen einer in dem Auditorium Maximum durchgeführten Orchesterprobe auf dem Wege zu seinem im Tiefgaragenbereich abgestellten Pkw auf einer zu den Parkplätzen im Bereich der Mensa herunterführenden Außentreppe zu Fall und zog sich u.a. einen knöchernen Strecksehnenausriß am Endglied des 4. Fingers der linken Hand zu. Die Verletzung führte zu einer Versteifung des Fingers.

Der Kläger nimmt die Beklagte mit der Behauptung, der Sturz sei auf Schnee- und Eisglätte auf der Treppe zurückzuführen, unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Ersatz verletzungsbedingter Aufwendungen sowie auf Zahlung eines Schmerzensgeldes, mindestens 6.000 DM, in Anspruch. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für ihm künftig entstehende Schäden. Zu letzterem wie auch zur Höhe des Schmerzensgeldes macht er u.a. geltend, daß er wegen der Versteifung des linken Ringfingers nicht mehr Violine spielen könne.

Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der – zugelassenen – Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, ob der Beklagten oder ihren Bediensteten eine für den Unfall des Klägers ursächliche fahrlässige Verletzung der Streupflicht zur Last fällt, und die Klageabweisung unter Inanspruchnahme der Rechtsprechung zum sog. gestörten Gesamtschuldverhältnis wie folgt begründet: Die vertraglichen Absprachen zwischen der Beklagten und der Stadt B. seien dahin auszulegen, daß die Verkehrssicherungspflicht von der Stadt B. übernommen und aus praktischen Gründen, nämlich wegen des an Ort und Stelle verfügbaren Personals, auf die Beklagte unter deren Freistellung von etwaigen Ansprüchen Dritter zurückübertragen worden sei. Damit seien ggfls. sowohl die Beklagte als auch die Stadt B. für den Unfall des Klägers verantwortlich. Indes sei die Stadt B. als Arbeitgeberin des Klägers zufolge § 636 RVO von der Haftung freigestellt. Deswegen könne nach der Rechtsprechung zum sog. gestörten Gesamtschuldverhältnis die Beklagte von dem Kläger nur insoweit in Anspruch genommen werden, als sie den Schaden im Verhältnis zu der Stadt B. endgültig zu tragen hätte, wenn das Gesamtschuldverhältnis nicht durch die Haftungsprivilegierung der Stadt B. gestört wäre. Im Verhältnis zwischen der Beklagten und der Stadt B. sei der Schaden aber nach den vertraglichen Absprachen, zumal aufgrund der ausdrücklichen Freistellungsverpflichtung, allein von der Stadt B. zu tragen.

II.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. Die Rechtsprechung zum sog. gestörten Gesamtschuldverhältnis kann hier die Abweisung der Klage nicht rechtfertigen. Dabei mag mit dem Berufungsgericht unterstellt werden, daß sowohl die Beklagte als auch die Stadt B. gegenüber dem Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Haftung erfüllt haben und der Stadt B. das Haftungsprivileg des § 636 Abs. 1 RVO zugute kommt, so daß ein sog. gestörtes Gesamtschuldverhältnis vorliegt, wie es nach der von dem Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend wiedergegebenen Rechtsprechung des Senats zu einer Beschränkung der Haftung des sog. außenstehenden (d.h. außerhalb des Sozialversicherungsverhältnisses stehenden) Zweitschädigers (hier: der beklagten Universität) auf denjenigen Betrag führt, der im Verhältnis zu dem haftungsprivilegierten sog. Erstschädiger (hier: der Stadt B.) auf ihn entfiele, wenn der Ausgleich nach § 426 BGB nicht durch das Haftungsprivileg verhindert würde (Senatsurteile BGHZ 61, 51 und 94, 173; vom 2. April 1974 - VI ZR 193/72 - VersR 1974, 888, 889; vom 11. Juni 1974 - VI ZR 210/72 - VersR 1974, 1127, 1129; vom 14. Juni 1976 - VI ZR 178/74 - VersR 1976, 991, 992; vom 17. Februar 1987 - VI ZR 81/86 - NJW 1987, 2669, 2670f.; vom 4. Oktober 1988 - VI ZR 7/88 - VersR 1988, 1276, 1278). Denn nach diesen Grundsätzen ist die Inanspruchnahme des Zweitschädigers nur in dem Umfange beschränkt, in dem der Schaden bei einem Innenausgleich auf den Erstschädiger nach dem Maße seiner Verantwortlichkeit für die Schadensentstehung entfiele, während eine darüber hinausgehende vertragliche Haftungsübernahme oder Freistellung durch den Erstschädiger außer Betracht bleibt (1.); das führt vorliegend zu dem Ergebnis, daß die Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger nicht schon im Hinblick auf das Innenverhältnis der Beklagten zu der haftungsprivilegierten Stadt B. entfällt (2.).

1. a) Die durch das Berufungsurteil aufgeworfene Frage nach den Auswirkungen einer vertraglichen Haftungsabsprache zwischen Erst- und Zweitschädiger im Rahmen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses ist in der Rechtsprechung des Senats bisher nicht abschließend beantwortet. Für den Fall der vertraglichen Übernahme der Verantwortlichkeit durch den Zweitschädiger hat der Senat freilich ausgesprochen, daß eine Kürzung des Schadensersatzanspruches gegen ihn unterbleibt (Senatsurteil vom 14. Juni 1976 aaO S. 992 zu 3. b.; s. auch Senatsurteil vom 2. April 1974 aaO S. 889 zu 3.). Dies findet indes seine innere Rechtfertigung darin, daß der Zweitschädiger in einem solchen Falle unabhängig von der Haftungsprivilegierung des Erstschädigers von diesem keinen Ausgleich verlangen kann und deshalb durch dessen Privilegierung nicht belastet wird. Daß er den Schaden allein trägt, entspricht der von ihm eingegangenen Absprache und wird ihm nicht etwa durch die Haftungsprivilegierung des Erstschädigers aufgezwungen. So gesehen stellt sich die Frage, wieweit der Anspruch des Geschädigten gegen den nicht privilegierten Zweitschädiger durch eine Haftungsabsprache zwischen Erst- und Zweitschädiger beeinflußt werden kann, dort nicht. In einem Fall, in dem der nach § 636 RVO privilegierte Arbeitgeber den Zweitschädiger von der Haftung freigestellt hatte, hat der Senat zwar einen Anspruch des Geschädigten gegen den Zweitschädiger verneint, jedoch nur unter der weiteren Voraussetzung, daß die vertraglich übernommene Haftungsverteilung „Ausdruck der nach den Verhältnissen gegebenen Haftungszuständigkeiten der Beteiligten ist”, es sich also um eine Vereinbarung handelt, „durch die die Rollen der Beteiligten in Bezug auf die Schadensverhütung und damit die Gewichte ihres Beitrags an der Schadensentstehung verteilt (werden)” (Senatsurteil vom 17. Februar 1987 aaO S. 2670; s. hierzu Burkert/Kirchdörfer JuS 1988, 341, 343ff. und Denck NZA 1988, 265, 266ff.). In diesen Fällen, in denen sich die Vereinbarung zwischen Erst- und Zweitschädiger nach dem Maß ihrer Verantwortlichkeit für die Schadensverursachung richtet und diesen an § 254 Abs. 1 BGB orientierten Maßstab klarstellend auf den Innenausgleich überträgt, liegt es in der Konsequenz der Grundsätze zum gestörten Gesamtschuldverhältnis, den Zweitschädiger auch im Außenverhältnis zu dem Geschädigten von der Haftung freizustellen und so die Störung des Gesamtschuldverhältnisses durch die Haftungsprivilegierung des Zweitschädigers auszugleichen.

b) Hiervon ausgehend ist zu unterscheiden:

aa) Haben mehrere für einen Gefahrenbereich Verantwortliche für ihr Verhältnis zueinander mit der Verteilung der Haftungslasten auch die jeweilige Verantwortlichkeit für die Schadensverhütung vertraglich festgelegt, beurteilt sich der ihnen im Innenverhältnis ggfls. anzulastende Anteil an der Schadensentstehung in Anlehnung an den Maßstab des § 254 Abs. 1 BGB – auch – danach, wieweit sie dieser vertraglichen Pflichtenstellung gerecht geworden sind. In diesem Sinne werden den Beteiligten durch eine derartige Vertragsgestaltung Aufgaben der Gefahrsicherung und damit Haftungszuständigkeiten zugeordnet. Deshalb ist eine solche Vereinbarung wie jede andere sich aus den Umständen ergebende Gewichtung der Schadensverantwortlichkeiten auch im Rahmen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses rechtserheblich (so auch Burkert/Kirchdörfer aaO S. 344 sowie Denck aaO S. 269). Demzufolge ist etwa die vertragliche Übernahme der Verkehrssicherung, wie sie auch vorliegend in Rede steht, unter Beachtung der allgemeinen Grenzen einer Delegierung der Verkehrssicherungspflicht im Rahmen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses zu berücksichtigen.

bb) Eine andere Frage ist es, ob im Rahmen des gestörten Gesamtschuldverhältnisses eine vertragliche Vereinbarung, derzufolge der (privilegierte) Erstschädiger für den Schaden aufzukommen verspricht, auch dann Beachtung verdient, wenn sie den Zweitschädiger ausschließlich von den Folgen seiner Haftung freistellt, ohne ihn von seinen Aufgaben für die Schadensverhütung zu entlasten. Diese Frage ist zu verneinen.

Die Beschränkung der Haftung des Zweitschädigers nach Maßgabe der Rechtsprechung zum gestörten Gesamtschuldverhältnis beruht auf dem Gedanken, daß einerseits die haftungsrechtliche Privilegierung nicht durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden soll, es aber andererseits bei Mitberücksichtigung des Grundes der Haftungsprivilegierung, nämlich der anderweitigen Absicherung des Geschädigten, nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden allein tragen zu lassen (s. grundlegend Senatsurteil BGHZ 61 S. 53ff.). Unter Abwägung dieser Gesichtspunkte hat der Senat den Zweitschädiger „in Höhe des Verantwortungsteils” freigestellt, der auf den Privilegierten im Innenverhältnis entfiele, wenn man das Haftungsprivileg wegdenkt (BGHZ aaO S. 54). Dabei ist unter „Verantwortungsteil” allein die Zuständigkeit für die Schadensverhütung und damit der eigene Anteil (des Erstschädigers) an der Schadensentstehung zu verstehen, nicht jedoch die vertraglich übernommene Verpflichtung, auch für einen in fremder Schadensverantwortung entstandenen Schaden aufzukommen. Eine dies beinhaltende vertragliche Absprache liegt außerhalb der rechtlichen Konstellation, für die die Rechtsprechung zum gestörten Gesamtschuldverhältnis einen Interessenausgleich bewirkt. Diese Rechtsprechung will dem Erstschädiger den Vorteil seiner Haftungsprivilegierung auch im Verhältnis zu dem Zweitschädiger sichern und den Zweitschädiger vor einer Benachteiligung durch den ihm genommenen Innenausgleich bewahren. Nur auf die Sicherung dieses Interessenausgleichs sind die Rechtsprechungsgrundsätze zum gestörten Gesamtschuldverhältnis gerichtet. Dagegen sollen sie den Erstschädiger nicht vor den Folgen einer aus freien Stücken eingegangenen Zusage bewahren, auch für Schäden aufzukommen, die ein anderer verursacht. Die Berücksichtigung eines über den eigenen Schadensanteil hinausgehenden Einstandsversprechens würde deshalb vom Sinn der Rechtsprechung zum gestörten Innenausgleich nicht mehr gedeckt. Sie verbietet sich auch deshalb, weil sonst Manipulationen zwischen Erst- und Zweitschädiger zum Nachteil des Geschädigten möglich wären, dessen Zugriff auf den Zweitschädiger trotz dessen an sich gegebener Schadenszuständigkeit durch eine Freistellungsvereinbarung zwischen den Verantwortlichen verkürzt werden könnte; das aber käme einem Vertrag zu Lasten Dritter nahe, den das Bürgerliche Recht nicht zuläßt (vgl. auch Burkert/Kirchdörfer aaO sowie Denck aaO S. 267).

Zu demselben Ergebnis führt die Überlegung, daß ein von der eigenen Haftungsverantwortlichkeit entlastender Freistellungsanspruch des Schädigers gegen einen Dritten, wie allgemein Einwendungen aus dem Rechtsverhältnis zu einem Dritten (vgl. etwa Senatsurteil vom 19. September 1989 - VI ZR 349/88 - VersR 1989, 1197, 1198, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt), dem Geschädigten gegenüber grundsätzlich unbeachtlich ist. Daß sich der Zweitschädiger im Rahmen der Rechtsprechung zum gestörten Gesamtschuldverhältnis aus den genannten Gründen in gewisser Weise auf das Rechtsverhältnis des Geschädigten zu dem Erstschädiger – nämlich auf die darin begründete Haftungsprivilegierung des Erstschädigers – berufen kann, kann es nicht rechtfertigen, ihm gegenüber dem Geschädigten die Berufung auch auf sein Rechtsverhältnis zu dem Erstschädiger zu eröffnen. Hier muß es vielmehr bei dem Grundsatz verbleiben, daß ein Freistellungsanspruch keine Außenwirkung entfaltet. Ebenso hat die Rechtsprechung der Freistellung eines der Schädiger durch den Geschädigten keine Auswirkungen in Bezug auf einen weiteren Schädiger beigemessen (vgl. BGHZ 12, 213, 217f.; 58, 216, 219ff.). Dann aber kann der Geschädigte erst recht nicht durch Freistellungsabsprachen zwischen den Schädigern in der Verfolgung seiner Rechte gegen einen von ihnen gehindert sein.

c) Nach alledem schlägt zwar eine auf Vertrag zwischen Erst- und Zweitschädiger beruhende Verlagerung der Verantwortlichkeit, etwa die Übertragung der Verkehrssicherung, auf die Schadensabwicklung im gestörten Gesamtschuldverhältnis durch. Der Anspruch gegen den Zweitschädiger ist in dem Umfange zu kürzen, in dem dieser unter Mitberücksichtigung der vertraglich begründeten Pflichtenstellung des Erstschädigers gesamtschuldnerischen Ausgleich verlangen könnte, wenn das Gesamtschuldverhältnis nicht durch die Haftungsprivilegierung des Erstschädigers gestört wäre. Eine Zusage des Erstschädigers, über seinen Verantwortungsanteil hinaus für den Schaden aufzukommen und den Zweitschädiger insoweit freizustellen, ist dagegen im Anwendungsbereich der Rechtsprechung zum gestörten Gesamtschuldverhältnis unbeachtlich (im Ergebnis ebenso Burkert/Kirchdörfer aaO S. 343ff. sowie Denck aaO S. 266ff.).

2. In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend für eine Kürzung des Anspruchs des Klägers gegen die Beklagte nach Maßgabe der Rechtsprechung zum gestörten Innenverhältnis kein Raum. Stellt man nämlich allein auf die Schadensverantwortlichkeit ab und läßt das davon losgelöste Freistellungsversprechen der Stadt B. beiseite, könnte die Beklagte die Stadt B. wegen des hier in Frage stehenden Schadens nicht zum gesamtschuldnerischen Ausgleich heranziehen.

a) Geht man auf dem Boden der Auslegung des Berufungsgerichts davon aus, daß die Verkehrssicherungspflicht kraft Rückübertragung von der Beklagten wahrzunehmen war, beschränkte sich die Verantwortlichkeit der Stadt B. auf die Kontrolle und Überwachung der Beklagten (vgl. etwa Senatsurteile vom 2. Oktober 1984 - VI ZR 125/83 - VersR 1984, 1190; vom 27. November 1984 - VI ZR 49/83 - VersR 1985, 243, 244; vom 17. Januar 1989 - VI ZR 186/88 - VersR 1989, 526). Aus einer etwaigen Verletzung dieser Überwachungspflicht könnte die Beklagte jedoch in ihrem Verhältnis zu der Stadt B. zu ihren Gunsten nichts herleiten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann sich derjenige, der seinerseits eine Pflicht verletzt hat, im Innenausgleich nicht mit Erfolg darauf berufen, in der Erfüllung eben dieser Pflicht nicht genügend überwacht worden zu sein (s. Senatsurteile vom 16. Februar 1971 - VI ZR 125/69 - NJW 1971, 752, 753; vom 2. April 1974 aaO; vom 22. April 1980 - VI ZR 134/78 - NJW 1980, 2348, 2349; vom 7. März 1989 - VI ZR 191/88 - VersR 1989, 633, 634; vgl. auch BGH Urteil vom 14. März 1983 - II ZR 103/82 - NJW 1983, 1856f.). Das hat auch im Rahmen der Rechtsprechung zum gestörten Gesamtschuldverhältnis zu gelten.

b) Das Ergebnis bliebe gleich, wenn man mit der Revision davon ausginge, daß die Verkehrssicherungspflicht von Anfang an bei der Beklagten verblieben war und die Stadt B. die Freistellung der Beklagten aus von der Haftungslage losgelösten Gründen, etwa als Ausgleich für die weitgehend unentgeltliche Überlassung des Auditorium Maximum, übernommen hatte. Für diesen Fall läge, weil die Stadt B. dem Kläger gegenüber keinen Haftungstatbestand verletzt hätte, ein – sei es auch „gestörtes” – Gesamtschuldverhältnis von vornherein nicht vor und käme schon deshalb eine Kürzung des Anspruchs des Klägers gegen die Beklagte nicht in Betracht.

3. Erweist sich mithin die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Klage abgewiesen hat, nicht als tragfähig, so kommt es darauf an, ob der Sturz des Klägers, wie es dieser behauptet, auf Schnee- oder Eisglätte auf der von ihm benutzten Treppe zurückzuführen und der Beklagten in dieser Hinsicht eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen ist, ggfls. auch darauf, wieweit dem Kläger ein Mitverschulden zur Last fällt. Zu diesen Fragen, mit denen sich das Berufungsgericht bisher nicht befaßt hat und zu denen es weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf, sowie ggfls. zur Höhe des Anspruchs des Klägers war der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

BGHZ 110, 114-122 (LT)

BGHZ, 114

DB 1990, 1185-1186 (LT)

NJW 1990, 1361

NJW 1990, 1361-1363 (LT)

LM BGB § 426 (LT), Nr. 83

BGH-DAT Zivil

BGHR BGB § 254 Abs. 1, Abwägung 2 (T)

BGHR BGB § 426 Abs. 1 S. 1, Gesamtschuldverhältnis gestörtes 1 (LT)

BGHR RVO § 636 Abs. 1, Arbeitnehmer 2 (LT)

EBE/BGH 1990, 60-62 (LT)

NJW-RR 1990, 665 (L)

JR 1990, 500-503 (LT)

ZAP Fach 2, 41-42 (LT)

ZAP, EN-Nr. 150/90 (S)

ZMR 1990, 174-177 (ST)

JZ 1990, 384

JZ 1990, 384-387 (ST)

MDR 1990, 530 (LT)

RuS 1990, 270 (S)

SGb 1990, 115 (K)

SGb 1990, 472-475 (ST)

VersR 1990, 387-389 (LT)

ZfS 1991, 18-21 (LT1)

ZfSch 1990, 189 (T)

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