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BGH Urteil vom 22.01.2004 - VII ZR 267/02

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Leitsatz (amtlich)

a) § 648a Abs. 1 BGB gibt dem Unternehmer auch nach einer Kündigung das Recht, eine Sicherheit zu verlangen, wenn der Besteller noch Erfüllung des Vertrages (Mängelbeseitigung) fordert.

b) Leistet der Besteller auf ein berechtigtes Sicherungsverlangen nach einer Kündigung die Sicherheit nicht, ist der Unternehmer berechtigt, die Mängelbeseitigung zu verweigern.

c) Der Unternehmer kann dem Besteller in sinngemäßer Anwendung des § 648a Abs. 5 S. 1 i. V. m. § 643 S. 1 BGB eine Nachfrist zur Sicherheitsleistung mit der Erklärung setzen, dass er die Mängelbeseitigung ablehne, wenn die Sicherheit nicht fristgerecht geleistet werde. Nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist wird er von der Pflicht zur Mängelbeseitigung frei. Ihm steht in weiterer sinngemäßer Anwendung des § 645 Abs. 1 S. 1 und § 648a Abs. 5 S. 2 BGB der Anspruch auf die um den mängelbedingten Minderwert gekürzte Vergütung und der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens zu.

d) Macht der Unternehmer von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, kann der Besteller dem Verlangen auf Zahlung des vollen Werklohns das gesetzliche Leistungsverweigerungsrecht auch dann entgegenhalten, wenn er die Sicherheit nicht gestellt hat.

 

Normenkette

BGB §§ 643, 645 Abs. 1, § 648a

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Urteil vom 20.06.2002)

LG Zwickau

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des OLG Dresden v. 20.6.2002 aufgehoben, soweit dadurch zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, dass die sich aus etwaigen Mängeln ergebenden Rechte nicht berücksichtigt worden sind.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Klägerin fordert von dem Beklagten als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Ingenieurbüro A. GmbH (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) die Zahlung von Restwerklohn aus einem vorzeitig gekündigten Pauschalpreisvertrag.

Die Gemeinschuldnerin beauftragte die Klägerin mit der schlüsselfertigen Erstellung von insgesamt acht Reihenhäusern zu einem Gesamtpauschalbetrag von 1.579.300 DM brutto und erteilte ihr während der Bauarbeiten diverse Nachtragsaufträge. Die VOB/B war vereinbart.

Im April 1999 forderte die Klägerin die Gemeinschuldnerin zur Sicherheitsleistung gem. § 648a BGB für voraussichtliche Vergütungsansprüche i. H. v. 200.000 DM erfolglos auf und stellte im Mai 1999 die Bautätigkeit ein. Daraufhin sprach die Gemeinschuldnerin die Kündigung des gesamten Bauvertrages aus wichtigem Grunde mit sofortiger Wirkung aus.

Die Klägerin hat für erbrachte Leistungen Werklohn i. H. v. 630.847,70 DM nebst Zinsen gefordert. Das LG hat der Klage in der Hauptsache vollständig entsprochen. Die hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen seien mangels ausreichender Darlegung nicht begründet, ein Zurückbehaltungsrecht habe die Gemeinschuldnerin nicht wirksam ausgeübt. Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht führt aus, nach der Kündigung des Werkvertrages durch die Gemeinschuldnerin sei die Klägerin berechtigt, ihre bis dahin erbrachten Leistungen abzurechnen. Gegenrechte wegen Mängeln seien nicht zu berücksichtigen, weil die Klägerin die zu Recht geforderte Sicherheit nach § 648a BGB nicht erhalten habe. Die Klägerin sei auch nach Kündigung des Vertrages berechtigt gewesen, die Sicherheit zu verlangen. Zur Stellung einer den Anforderungen des § 648a BGB entsprechenden Bürgschaft über 400.000 DM habe sich die Gemeinschuldnerin noch im erstinstanzlichen Verfahren ausdrücklich verpflichtet, diese aber ohne Angaben von Gründen nicht beigebracht. Der Klägerin stehe ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis die Sicherheit geleistet werde. Das führe dazu, dass die Werklohnforderung als einredefrei zu behandeln sei. Darin liege keine unangemessene Benachteiligung des Beklagten, da dieser durch die Stellung einer Sicherheit die entstandene "Pattsituation" jederzeit aufheben und seine Mängelbeseitigungsansprüche wieder aktivieren könne.

Wenn dem Beklagten aus den genannten Gründen bereits die Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen behaupteter Mängel zu versagen sei, könne die Hilfsaufrechnung mit Schadensersatzansprüchen, die eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich machen würde, in diesem Rechtsstreit nicht dem einredefrei bestehenden Werklohnanspruch entgegengehalten werden.

II.

Die Revision stellt zwar das Berufungsurteil "in vollem Umfang zur Überprüfung des Senats", greift in ihrer Begründung das Berufungsurteil jedoch nur insoweit an, als dem Beklagten die Möglichkeit genommen worden ist, mit Schadensersatzforderungen aufzurechnen. Die Klägerin könne nicht den vollen Werklohn verlangen, weil der Besteller auch dann ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB habe, wenn er eine Sicherheit nach § 648a BGB nicht geleistet habe. Mit dieser Rüge wendet sich der Beklagte gegen die Berechtigung der Klägerin, den Werklohn ungeachtet etwaiger Mängel geltend zu machen.

III.

Diese Rüge hat Erfolg. Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings entschieden, dass der Unternehmer nach einer Kündigung des Bestellers die Leistung verweigern kann, wenn der Besteller auf sein berechtigtes Sicherungsverlangen nach § 648a Abs. 1 BGB keine Sicherheit gestellt hat und gleichwohl noch die Erfüllung des Vertrages fordert.

a) Das Leistungsverweigerungsrecht des Unternehmers folgt aus § 648a BGB. Nach dieser gesetzlichen Regelung ist der Unternehmer berechtigt, die weitere Leistung zu verweigern, wenn er zu Recht eine Sicherheit binnen angemessener Frist unter Androhung der Leistungsverweigerung gefordert hat und die Frist fruchtlos abgelaufen ist. Die Regelung differenziert nicht zwischen dem Verlangen nach Sicherheit vor oder nach einer Kündigung. Sie gilt auch für die Zeit nach einer Kündigung, wenn der Besteller noch Erfüllung des Vertrages verlangt.

b) Allerdings beschränkt die Kündigung die vertragliche Verpflichtung auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen. Jedoch endet hinsichtlich dieser Leistungen nicht das Erfüllungsstadium. Sind diese Leistungen nicht vertragsgemäß erfüllt, hat der Besteller insoweit auch nach der Kündigung den vertraglichen Erfüllungsanspruch. Vor der Abnahme der bis zur Kündigung erbrachten Leistung ergibt sich der Anspruch im VOB-Vertrag aus § 4 Nr. 7 S. 1 VOB/B, nach der Abnahme aus § 13 Nr. 5 Abs. 1 S. 1 VOB/B (BGH, Urt. v. 19.12.2002 - VII ZR 103/00, MDR 2003, 503 = BGHReport 2003, 480 = BauR 2003, 689 = ZfBR 2003, 352 = NZBau 2003, 265). In beiden Fällen hat der Unternehmer noch Vorleistungen i. S. d. § 648a BGB zu erbringen. Denn Vorleistungen im Sinne dieser Regelung sind wirtschaftliche Vorleistungen. Diese liegen vor, wenn der Unternehmer noch vertragliche Erfüllungsleistungen erbringen muss und der Besteller den Werklohn noch nicht voll bezahlt hat und die Bezahlung von der Nacherfüllung des Vertrages abhängig macht. Das gilt sowohl für den Zeitpunkt vor der Abnahme (BGH, Urt. v. 9.11.2000 - VII ZR 82/99, BGHZ 146, 24 [32] = MDR 2001, 327 = BGHReport 2001, 112) als auch nach der Abnahme. Denn die Regelung des § 648a BGB ist grundsätzlich auch nach der Abnahme anwendbar (BGH, Urt. v. 22.1.2004 - VII ZR 183/02, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

c) Aus dem Umstand, dass § 648a Abs. 5 S. 1 BGB dem Unternehmer das Recht einräumt, die Aufhebung des Vertrages herbeizuführen, folgt nichts anderes. Im Gesetzgebungsverfahren hat offenbar im Mittelpunkt der Erörterungen gestanden, dass der Besteller die Sicherheit während der Vertragsdurchführung nicht stellt. Für diesen Fall ist das Aufhebungsrecht geregelt worden. Ob nach der Aufhebung des Vertrages das Recht, Sicherheit zu verlangen, fortbesteht, war nicht Gegenstand der Erörterung. Möglicherweise hat der Gesetzgeber nicht bedacht, dass der Besteller auch nach einer Kündigung noch einen Erfüllungsanspruch haben kann. Dem Gesetz und dem ihm zu Grunde liegenden Verfahren ist jedoch zweifelsfrei der Wille zu entnehmen, dem Unternehmer ein Mittel zur Verfügung zu stellen, um sich vor ungesicherten Vorleistungen zu schützen. Daraus folgt, dass der Unternehmer auch nach Kündigung des Vertrages noch Sicherheit fordern kann, wenn der Besteller Erfüllung verlangt.

2. Zu Recht wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne den Werklohn uneingeschränkt verlangen, weil der Beklagte keine Sicherheit gestellt habe. Diese Auffassung lässt sich mit § 648a BGB nicht vereinbaren.

a) Der Gesetzgeber hat dem Unternehmer keinen Anspruch auf Sicherheit verschafft (BGH, Urt. v. 9.11.2000 - VII ZR 82/99, BGHZ 146, 24 [28] = MDR 2001, 327 = BGHReport 2001, 112). Vielmehr hat er ihm lediglich die Möglichkeit eingeräumt, die Leistung zu verweigern, wenn die zu Recht beanspruchte Sicherheit nicht gestellt wird. Außerdem hat der Unternehmer das Recht, dem Besteller zur Nachholung der Sicherheitsleistung eine angemessene Frist mit der Erklärung zu bestimmen, dass er den Vertrag kündige, wenn die Sicherheit nicht bis zum Ablauf der Frist gestellt werde, § 648a Abs. 5 S. 1, § 643 S. 1 BGB. Nach Ablauf der Frist gilt der Vertrag als aufgehoben, § 643 S. 2 BGB. Damit hat der Gesetzgeber dem Unternehmer eine Möglichkeit verschafft, sich von dem Vertrag mit der Wirkung zu lösen, dass er die bis zur Aufhebung des Vertrages noch nicht erbrachten Leistungen nicht mehr erbringen muss. Auf diese Weise erhält der Unternehmer auch die Berechtigung, die Werkleistung abschließend abzurechnen. So wird der Schwebezustand (vgl. BT-Drucks. 12/1836, 11) aufgelöst, der dadurch entsteht, dass der Unternehmer einerseits die weitere Leistung mangels Sicherheit nicht erbringen muss, andererseits dann aber auch die Voraussetzungen für die Abnahme des Werkes und damit für die Fälligkeit der Schlussvergütung nicht schafft. Der Gesetzgeber hat für den Fall, dass der Besteller die Vertragsaufhebung wählt, die Rechtsfolgen dahin geregelt, dass dem Unternehmer nur der Vergütungsanspruch nach Maßgabe des § 645 Abs. 1 BGB zusteht und der Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens nach Maßgabe des § 648a Abs. 5 BGB. Ein auf Vertragserfüllung gerichteter Anspruch auf Zahlung der gesamten vertraglich vereinbarten Vergütung steht dem Unternehmer im Falle der Vertragsaufhebung demnach grundsätzlich nicht zu. Gleiches gilt für den Fall, dass der Besteller in zeitlichem Zusammenhang mit dem Sicherungsverlangen gem. § 648a Abs. 1 BGB kündigt, es sei denn, die Kündigung ist nicht erfolgt, um der Stellung der Sicherheit zu entgehen.

b) Das Gesetz verhält sich nicht dazu, welche Rechtsfolgen sich hinsichtlich des Vergütungsanspruchs nach einer Kündigung ergeben, wenn der Besteller sich darauf beruft, die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen seien nicht vertragsgemäß erbracht und darauf ein Leistungsverweigerungsrecht stützt. Diese Rechtsfolgen sind aus der gesetzlichen Systematik abzuleiten. Der Besteller hat auch nach der Kündigung noch den Anspruch auf mangelfreie Erfüllung des Vertrages, soweit es um die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen geht. Wegen dieses Anspruchs steht ihm gegenüber dem Vergütungsanspruch ein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht zu. Der Anspruch des Unternehmers auf Zahlung der Vergütung ist grundsätzlich nur durchsetzbar, wenn die bis zur Kündigung erbrachte Leistung mangelfrei ist. Verlangt der Unternehmer vor der Mängelbeseitigung Sicherheit oder beharrt er auf einem vor der Kündigung bereits erklärten Sicherungsverlangen nach § 648a BGB, entsteht der gleiche Schwebezustand wie bei einem Sicherungsverlangen ohne eine Kündigung. Er ist in gleicher Weise aufzulösen (vgl. auch BGH, Urt. v. 22.1.2004 - VII ZR 183/02), wobei jedoch eine erneute Kündigung bzw. Vertragsaufhebung nach § 643 BGB nicht mehr in Betracht kommt.

Dem Unternehmer steht in sinngemäßer Anwendung des § 648a Abs. 5 BGB i. V. m. § 643 S. 1 BGB das Recht zu, sich von seiner Mängelbeseitigungspflicht nach der Kündigung dadurch zu befreien, dass er eine Nachfrist zur Sicherheitsleistung setzt, verbunden mit der Ankündigung, die Vertragserfüllung (Mängelbeseitigung) danach zu verweigern. Mit fruchtlosem Fristablauf ist er von der Pflicht, den Vertrag zu erfüllen, befreit (vgl. Schulze-Hagen, BauR 1999, 210 [220]). Er kann auf diese Weise die endgültige Abrechnung herbeiführen, auch soweit die Leistung mangelhaft ist. In weiterer sinngemäßer Anwendung des § 645 Abs. 1 S. 1 BGB und des § 648a Abs. 5 S. 2 BGB steht ihm nach fruchtlosem Fristablauf nicht die volle vertraglich vereinbarte Vergütung zu. Vielmehr hat er lediglich Anspruch auf Vergütung, soweit die Leistung erfüllt, d. h. mangelfrei erbracht ist, und Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens nach Maßgabe des § 648a Abs. 5 S. 2 BGB. Das bedeutet, dass der Vergütungsanspruch des Unternehmers um den infolge eines Mangels entstandenen Minderwert zu kürzen ist. Sofern die Mängelbeseitigung möglich ist und nicht wegen unverhältnismäßig hoher Kosten verweigert werden kann, ist die Vergütung regelmäßig um die Kosten zu kürzen, die notwendig sind, um den Mangel beseitigen zu lassen, sonst um den Minderwert des Bauwerks (vgl. BGH, Urt. v. 9.1.2003 - VII ZR 181/00, MDR 2003, 564 = BGHReport 2003, 426 = BauR 2003, 533 = IBR 2003, 186, 187 = NZBau 2003, 214 = ZfBR 2003, 356).

Im Ergebnis erhält der Unternehmer damit die Möglichkeit, selbst eine Minderung herbeizuführen. Will er hingegen diese Minderung nicht, sondern die volle Vergütung, muss er es hinnehmen, dass der Besteller das gesetzliche Leistungsverweigerungsrecht geltend macht.

c) Anderen Lösungsvorschlägen, wie sie überwiegend zur gleich gelagerten Frage vertreten werden, welche Rechtsfolgen das Sicherungsverlangen nach der Abnahme der Bauleistung hat, und die entweder ein Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers verneinen oder ihm ein Leistungsverweigerungsrecht teils in mindestens dreifacher Höhe, teils in einfacher Höhe der Mängelbeseitigungskosten einräumen, kann der Senat nicht folgen. Sie entfernen sich von der dargestellten Systematik des Gesetzes und benachteiligen entweder den Unternehmer oder den Besteller unangemessen.

aa) Würde dem Unternehmer der uneingeschränkte Anspruch auf Vergütung eingeräumt (so Schulze-Hagen, BauR 1999, 210 [215 ff.]; Thierau, NZBau 2000, 14 [17 f.]; OLG Naumburg v. 17.4.2001 - 12 U 236/00, OLGReport Naumburg 2002, 218), führte das dazu, dass er die volle Vergütung erhielte, obwohl seine Leistung mangelhaft ist. Dieses Ergebnis ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unangemessen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Besteller habe es in der Hand, die Sicherheit zu stellen, um dieses Ergebnis zu vermeiden. Denn das ist nicht zwingend. Der Besteller kann aus unterschiedlichsten Gründen gehindert sein, eine Sicherheit zu stellen, z. B. wenn seine Kreditlinie überzogen ist (vgl. Frank, Jb. BauR 2002, 143 [155]; Ullrich, MDR 1999, 1233 [1235]) oder wenn er insolvent geworden ist. In diesen Fällen könnte er eine Nacherfüllung nicht mehr herbeiführen, so dass letztlich die volle Vergütung für ein dauerhaft mangelhaftes Werk bezahlt werden müsste. Dem Interesse des Unternehmers wird vielmehr in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Systematik ausreichend Rechnung getragen, wenn er sich von seiner Verpflichtung lösen und die geminderte Vergütung verlangen kann.

Das gilt auch dann, wenn der Besteller sich verpflichtet hat, gem. § 648a BGB eine Bürgschaft über einen bestimmten Betrag zu stellen. Denn durch diese Verpflichtung wird kein besonderer Umstand begründet, der eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würde. Allein die Verpflichtung, eine Bürgschaft nach § 648a BGB zu stellen, lässt nicht den Schluss zu, dass dem Unternehmer für den Fall, dass sie nicht erfüllt wird, weiter gehende Rechte zustehen sollen, als sie durch § 648a BGB eingeräumt werden.

bb) Würde es dem Unternehmer lediglich gestattet sein, die Vergütung Zug um Zug gegen Mängelbeseitigung zu verlangen (so Ullrich, MDR 1999, 1233 [1234 ff.] m. w. N.; OLG Brandenburg BauR 2002, 1859), so wäre er gezwungen, eine ungesicherte Vorleistung zu erbringen, um seine Vergütung durchsetzen zu können. Das soll nach der Wertung des Gesetzes aus guten Gründen nicht möglich sein. Vielmehr muss der Unternehmer die Möglichkeit erhalten, den reduzierten Werklohn ohne Mängelbeseitigung durchzusetzen, wie sich ebenfalls an dem Beispiel belegen lässt, dass der Besteller insolvent geworden ist. Denn dann stünde jedenfalls im Regelfall fest, dass der Unternehmer auch nach vollständiger Erfüllung des Vertrages nicht die volle Vergütung erhält. Dieses Ergebnis wäre gleichfalls untragbar. Das bedeutet, dass die Lösungen, wonach dem Besteller ein Leistungsverweigerungsrecht in Höhe des mindestens Dreifachen oder des Einfachen der Mängelbeseitigungskosten zusteht (vgl. Ullrich, MDR 1999, 1233 [1235]; OLG Oldenburg v. 29.8.2002 - 8 U 184/99, OLGReport Oldenburg 2003, 19; KG v. 20.2.2002 - 26 U 71/01, KGReport Berlin 2002, 128; OLG Dresden BauR 2002, 1274; OLG Stuttgart BauR 2001, 421), nicht in Betracht kommen, wenn der Unternehmer das nicht akzeptiert. Ihm muss die Wahl bleiben, ob er den vollen Werklohn durchzusetzen will oder ob er die geminderte Vergütung in Anspruch nimmt. Hat er eine angemessene Nachfrist gesetzt und ist diese fruchtlos abgelaufen, kann er allerdings nur noch die geminderte Vergütung geltend machen.

cc) Die Lösung, wonach dem Unternehmer die volle Vergütung zusteht, er diese jedoch nur Zug um Zug gegen Mängelbeseitigung, diese wiederum Zug um Zug gegen Sicherheitsleistung durch den Besteller durchsetzen kann (vgl. Sohn/Kandel, BauR 2003, 1633 [1634 ff.]; OLG Brandenburg BauR 2002, 1859), wird aus den dargestellten Gründen ebenfalls der Regelung des § 648a BGB nicht gerecht. Mit einem entsprechenden Urteil wäre der Weg dahin eröffnet, dass der Unternehmer den vollen Werklohn ungeachtet der Mängel erhält. Denn er könnte unter den Voraussetzungen der §§ 294 ff. BGB den Annahmeverzug des Bestellers feststellen lassen und dann den vollen Werklohn vollstrecken, § 274 Abs. 2 BGB. In gleicher Weise könnte er vollstrecken, wenn er nach einem Urteil fruchtlos zur Sicherheitsleistung aufgefordert hat (OLG Brandenburg BauR 2002, 1859).

3. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsurteil insoweit keinen Bestand, als das Berufungsgericht der Klägerin den vollen Werklohn ungeachtet der Mängelrügen des Beklagten zugesprochen hat.

a) Das Berufungsgericht muss den Parteien Gelegenheit geben, sich auf die dargestellte, im Rechtsstreit bisher nicht erwogene Rechtslage einzustellen. Das Berufungsgericht wird unabhängig von dem weiteren Verhalten der Parteien aufzuklären haben, ob die behaupteten Mängel vorliegen.

Stellt sich in der erneuten Verhandlung heraus, dass die Leistung frei von weiteren Mängeln ist, so kann die Klägerin den vollen Werklohn verlangen. Ihr Sicherheitsbegehren ist dann ohnehin irrelevant, weil keine weiteren Leistungen zu erbringen sind.

Stellen sich Mängel heraus und beharrt die Klägerin auf einer vorherigen Absicherung, so kann sie nur den sich aus § 645 Abs. 1 BGB ergebenden, geminderten Vergütungsanspruch geltend machen. Eine Nachfrist ist entbehrlich, wenn der Beklagte wie bisher eine Sicherheitsleistung verweigert. Die Klägerin kann dann mit rechtsgestaltender Wirkung erklären, dass sie die Mängelbeseitigung ablehne, weil sie keine Sicherheit erhalten hat. Mit dieser Erklärung geht der Mängelbeseitigungsanspruch des Beklagten unter. Der Beklagte kann dies vermeiden, wenn er zuvor seine Bereitschaft zur Sicherheitsleistung erklärt. Setzt ihm die Klägerin dann eine angemessene Nachfrist, muss er die Sicherheit stellen, um die Durchsetzung der geminderten Vergütung zu vermeiden. In diesem Fall kann er dem Vergütungsanspruch der Klägerin das gesetzliche Leistungsverweigerungsrecht entgegenhalten.

Da die Klägerin noch keine Nachfrist gesetzt hat, kann sie weiterhin den vollen Werklohn geltend machen. In diesem Fall ist ebenfalls das in gesetzlicher Höhe bestehende Leistungsverweigerungsrecht des Beklagten zu berücksichtigen.

b) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, mit welchen Forderungen die Klägerin aufgerechnet hat. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die berechtigte Aufrechnung zum Erlöschen der Werklohnforderung führt (BGH, Urt. v. 9.11.2000 - VII ZR 82/99, HZ 146, 24 [33] = MDR 2001, 327 = BGHReport 2001, 112). Es kommt nicht darauf an, ob die Forderung rechtskräftig festgestellt oder unstreitig ist. Voraussetzung ist jedoch, dass eine Aufrechnungslage besteht. Der Beklagte stützt seinen Anspruch ausweislich des Berufungsurteils auf § 13 Nr. 7 VOB/B. Er muss darlegen, dass die Voraussetzungen des § 13 Nr. 7 VOB/B vorliegen. Berechnet er den Schadensersatzanspruch nach den Mängelbeseitigungskosten, gehört dazu, dass er der Klägerin eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt hat und zu diesem Zeitpunkt die Mängelbeseitigung verlangen konnte. Das ist nicht der Fall, wenn die Klägerin die Mängelbeseitigung verweigern durfte, weil der Beklagte die zu Recht geforderte Sicherheit nicht geleistet hat. Verzichtet die Klägerin weiterhin nicht auf ihre Sicherheit, so kann die Aufrechnungslage nicht entstehen. Es bleibt dann dabei, dass der Klägerin der Anspruch auf den geminderten Werklohn zusteht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1127083

BauR 2004, 834

DWW 2004, 202

EBE/BGH 2004, 4

NJW-RR 2004, 740

IBR 2004, 246

WM 2004, 1446

ZfIR 2005, 115

BTR 2004, 137

NZBau 2004, 264

BauRB 2004, 189

ImmoStR 2004, 299

JbBauR 2005, 357

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