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BGH Urteil vom 19.02.1991 - XI ZR 202/89 (veröffentlicht am 19.02.1991)

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Leitsatz (amtlich)

Den aus einer Grundschuld in Anspruch Genommenen trifft grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für aus einer Sicherungsabrede abgeleitete Einwendungen und damit auch für das Vorhandensein einer Sicherungsabrede.

Wird die Vollstreckungsabwehrklage gegen den Vollstreckungstitel im ganzen gerichtet, obwohl die zugrundeliegende Forderung nur teilweise erloschen ist, so ist ihr teilweise stattzugeben und die Zwangsvollstreckung in dieser Höhe für unzulässig zu erklären; eines darauf gerichteten Hilfsantrags bedarf es nicht (im Anschluß an BGH WM 1986, 1032, 1033).

 

Normenkette

BGB § 1191; ZPO § 767

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 8. Dezember 1988 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Beklagte betreibt aus einer vollstreckbaren notariellen Grundschuldbestellungsurkunde die Zwangsvollstreckung in ein Grundstück der Klägerin wegen eines Betrags von 95.303,70 DM nebst Zinsen. Mit der Klage beantragt die Klägerin, die Zwangsvollstreckung für unzulässig zu erklären. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Sohn der Klägerin, U. F., war Eigentümer eines Hofes in H. Durch notarielle Urkunde vom 22. Juli 1981 bestellte er der B. Teilzahlungsbank (im folgenden: B.) zur Sicherung eines Darlehens eine Grundschuld in Höhe von 100.000 DM nebst 18 % Zinsen, die im Grundbuch eingetragen wurde. In der Urkunde unterwarf er sich wegen aller Ansprüche an Kapital und Zinsen der Grundschuld der sofortigen Zwangsvollstreckung in der Weise, daß die Zwangsvollstreckung auch gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks zulässig sein sollte.

Die Darlehenssumme wurde von der B. auf ein Anderkonto des beurkundenden Notars überwiesen. Dieser zahlte sie an den Vermögensberater I. aus. I. leistete später an die B. Rückzahlungen auf das Darlehen in Höhe von insgesamt 55.113,24 DM.

Im Jahre 1982 beantragte ein gegenüber der B. nachrangiger Gläubiger die Zwangsversteigerung des Grundbesitzes. Zahlreiche andere Gläubiger, darunter die B. als Gläubigerin mit dem besten Rang, schlossen sich dem Verfahren an.

Die B. trat im Mai 1984 ihre Grundschuld an den Beklagten ab. Am 24. August 1984 trat U. F. dem Beklagten alle Rückgewähransprüche wegen sämtlicher Grundschulden ab.

Im Versteigerungstermin vom 4. September 1984 erhielt die Klägerin den Zuschlag. Nach den Versteigerungsbedingungen sollte u.a. die von der B. auf den Beklagten übergegangene Grundschuld bestehen bleiben. Der Teilungsplan sah u.a. eine Zuteilung aus der Teilungsmasse an den Beklagten auf die genannte Grundschuld vor, die die Kosten, die Zinsen bis zum 3. September 1984 und einen Teilbetrag des Kapitals in Höhe von 4.697,70 DM abdeckte. Der Beklagte erklärte sich wegen des auf ihn entfallenden Teils des Versteigerungserlöses für befriedigt. Die Klägerin wurde im Dezember 1984 als neue Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.

Unter dem 4. April 1985 stellte der Beklagte der Klägerin eine „Darlehensabrechnung” aus, die mit einem Guthaben des Beklagten zum 31. Dezember 1984 in Höhe von 166.393,61 DM abschließt. Die Klägerin hat die Abrechnung am 24. April 1985 durch ihre Unterschrift anerkannt. Es ist jedoch unstreitig, daß sie am 31. Dezember 1984 über die in der Abrechnung aufgeführte Zahlung hinaus weitere 70.000 DM an den Beklagten gezahlt hat. Mit einem Schreiben vom 24. April 1985 widerrief die Klägerin ihre Unterschrift unter der Darlehensabrechnung.

Die Klägerin hat behauptet, die Grundschuld sei niemals valutiert gewesen, da der Notar die Darlehenssumme abredewidrig an I. ausgezahlt habe; der Beklagte habe bei Erwerb der Grundschuld Kenntnis von der Nichtvalutierung gehabt. Sie hält ihr Anerkenntnis der Darlehensabrechnung für nichtig und beruft sich dafür auf eine von ihr behauptete Geschäftsunfähigkeit infolge Zuckersturzes sowie auf Anfechtung. Sie behauptet ferner, sie habe über die in der Abrechnung genannte Summe und die unstreitigen zusätzlichen 70.000 DM hinaus weitere Beträge von 9.000 DM an den Beklagten gezahlt.

Die Klägerin hat beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hält die Klage für unschlüssig. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus:

Bezüglich der ursprünglichen Valutierung der Grundschuld sei davon auszugehen, daß die Darlehensforderung der B. gegen den Sohn der Klägerin seinerzeit entstanden sei, weil die Darlehenssumme auf das Anderkonto des Notars überwiesen worden sei. In Betracht komme allerdings, daß die Grundschuld wegen der von I. an die B. geleisteten Zahlungen zur Zeit der Abtretung an den Beklagten nicht mehr voll valutiert gewesen sei. Daraus könne die Klägerin jedoch keine Einwendungen gegen die Geltendmachung der Grundschuld herleiten. Derartige Einwendungen hätten nämlich, wenn sie je begründet gewesen seien, zunächst ihrem Sohn als Sicherungsgeber und seinerzeitigen Grundstückseigentümer zugestanden. Für eine Abtretung von Ansprüchen, die sich auf die Grundschuld beziehen, durch den Sohn der Klägerin an sie selbst sei aber nichts vorgetragen.

Auch im Hinblick auf die von der Klägerin an den Beklagten geleisteten Zahlungen sei die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld nicht unzulässig. Aus dem Parteivorbringen gehe zwar hervor, daß die Klägerin, ihr Sohn und der Beklagte bezüglich der Ersteigerung des Grundbesitzes des Sohnes durch die Klägerin in irgendeiner Weise zusammengearbeitet hätten. Es sei jedoch nicht ersichtlich, welche vertraglichen Absprachen diesem Zusammenwirken zugrunde gelegen hätten. Insbesondere sei nicht vorgetragen, ob der Beklagte aufgrund eines Vertrags mit dem Sohn der Klägerin oder mit der Klägerin selbst tätig geworden sei und welche Vergütung er für seine Tätigkeit habe erhalten sollen. Daher sei auch nicht erkennbar, ob ihm die Grundschuld als isolierte Grundschuld oder als Sicherungsgrundschuld wegen eines Vergütungs- oder Aufwendungsersatz- oder sonstigen Anspruchs habe zustehen sollen. Darlegungspflichtig für den Sicherungscharakter der Grundschuld sei aber die Klägerin als Grundstückseigentümerin. Da sie ihrer Darlegungslast nicht genügt habe, sei davon auszugehen, daß der Beklagte die Grundschuld zunächst in der Höhe habe geltend machen dürfen, in der er sich nicht wegen der Zuteilung aus dem Versteigerungserlös für befriedigt erklärt habe, d.h. in Höhe von 95.302,30 DM nebst 18 % Zinsen seit dem 4. September 1984. Die von der Klägerin behaupteten Zahlungen von insgesamt 91.000 DM, die in Höhe von 82.000 DM unstreitig seien, hätten demnach nicht zur vollen Befriedigung des Beklagten führen können. Die Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld sei daher zulässig. Auf den genauen Betrag, der dem Beklagten noch zustehe, komme es dabei nicht an. Dieser Betrag werde vielmehr im Verteilungsverfahren zu klären sein. Daher sei auch auf die Darlehensabrechnung vom 4. April 1985, die möglicherweise Unstimmigkeiten enthalte, sowie auf die Frage nach der Gültigkeit und der Bedeutung des Anerkenntnisses der Klägerin im gegenwärtigen Verfahren nicht einzugehen.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Das Berufungsgericht ist allerdings zu Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin aus etwaigen Mängeln der Valutierung der der B. bestellten Grundschuld nichts für sich herleiten kann. Ein daraus resultierender Anspruch auf Rückübertragung oder Löschung der Grundschuld hätte zunächst dem Sohn der Klägerin zugestanden und wäre am 24. August 1984 infolge der Abtretung seitens des Sohnes an den Beklagten durch Konfusion erloschen. Das gilt sowohl in bezug auf die teilweise Darlehensrückzahlung durch I. als auch hinsichtlich der Einwendungen, die die Klägerin gegen die wirksame Auszahlung des Darlehensbetrags geltend macht.

Demgegenüber rügt die Revision, das Berufungsgericht habe die §§ 139, 278 Abs. 3 ZPO verletzt, indem es nicht darauf hingewiesen habe, daß es Einwendungen gegen die Grundschuld nur aus Rechten des Sohnes als begründet ansah. Die Revision macht geltend, die Klägerin hätte nach einem solchen Hinweis vorgetragen, daß die gesamte Prozeßführung in Übereinstimmung mit ihrem Sohn erfolgte und daß dieser davon ausging, alle ihm zustehenden Rechte könnten in dem Prozeß auch von der Klägerin geltend gemacht werden. Diese Rüge kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Revision nicht vorträgt, daß die Klägerin auf einen richterlichen Hinweis hin behauptet hätte, ihr Sohn habe ihr – vor dem 24. August 1984 – seine Rückgewähransprüche hinsichtlich der Grundschuld abgetreten.

2. Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß mangels geeigneter Darlegungen der Klägerin über eine neue Sicherungsabrede, die den Beklagten in der Geltendmachung der auf ihn übergegangenen Grundschuld beschränkt haben könnte, davon auszugehen ist, daß der Beklagte die Grundschuld zunächst in der Höhe geltend machen durfte, in der er nicht wegen der Zuteilung aus dem Versteigerungserlös sich für befriedigt erklärt hatte. Demgegenüber wendet die Revision erfolglos ein, angesichts des unstreitigen Wegfalls der ursprünglichen Sicherungsabrede treffe den Beklagten die Beweislast für die neue Sicherungsabrede. Da Grundschulden im Gegensatz zu Hypotheken eine zu sichernde Forderung nicht voraussetzen, trifft den aus einer Grundschuld in Anspruch Genommenen grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für aus einer Sicherungsabrede abgeleitete Einwendungen (BGHZ 109, 197, 204 m. w. Nachw.) und damit auch für das Vorhandensein einer Sicherungsabrede.

Die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe gegen § 139 ZPO verstoßen, indem es die Klägerin nicht darauf hingewiesen habe, daß es entscheidend auf die zwischen ihr bzw. ihrem Sohn und dem Beklagten getroffene Sicherungsabrede ankomme, bleibt ebenfalls erfolglos. Die Wichtigkeit dieses Punktes für den vorliegenden Rechtsstreit lag für jeden Rechtskundigen so deutlich auf der Hand, daß das Berufungsgericht keinen Anlaß hatte, die anwaltlich vertretene Klägerin besonders darauf hinzuweisen.

3. Die Ansicht des Berufungsgerichts, eine teilweise Befriedigung der verbliebenen Ansprüche des Beklagten aus der Grundschuld stehe einer uneingeschränkten Abweisung der Klage nicht entgegen, hält dagegen, wie die Revision mit Recht geltend macht, rechtlicher Überprüfung nicht stand. Eine Vollstreckungsabwehrklage kann, wenn die vollstreckbare Forderung teilweise befriedigt ist, gegen den entsprechenden Teil des Vollstreckungstitels gerichtet werden (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1960 – II ZR 53/58, NJW 1960, 2286, 2287) und führt dazu, daß die Vollstreckung aus dem Titel in dieser Höhe für unzulässig erklärt wird. Wird die Klage in einem solchen Fall gegen den Vollstreckungstitel im ganzen gerichtet, so ist ihr teilweise stattzugeben und die Zwangsvollstreckung in der Höhe für unzulässig zu erklären, in der die zugrundeliegende Forderung bereits befriedigt ist; eines darauf gerichteten Hilfsantrags bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 17. April 1986 – III ZR 246/84, WM 1986, 1032, 1033).

Für die Frage, ob bzw. in welchem Umfang die Klage begründet ist, kommt es daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auf den genauen Betrag an, der dem Beklagten noch zusteht. Dafür ist es erforderlich, die Frage der Gültigkeit und der Bedeutung des von der Klägerin am 24. April 1985 erklärten Anerkenntnisses zu klären, ggf. die Einzelheiten der Darlehensabrechnung vom 4. April 1985 zu überprüfen und den Umfang der von der Klägerin behaupteten Zahlungen – soweit sie vom Beklagten bestritten sind – zu ermitteln. Das bedarf tatrichterlicher Feststellungen, die das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – bisher nicht getroffen hat. Daher war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609825

ZIP 1991, 432

DNotZ 1992, 90

ZBB 1991, 110

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