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BGH Urteil vom 17.02.1997 - II ZR 343/95 (veröffentlicht am 17.02.1997)

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Leitsatz (amtlich)

§ 893 Abs. 2 ZPO enthält auch eine Regelung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte.

 

Normenkette

ZPO § 893 Abs. 2

 

Nachgehend

OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 17.12.2012; Aktenzeichen 1 U 17/11)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 13. Oktober 1995 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. März 1990 (31 O 486/89) wurde der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 187 Orientteppiche im Einkaufswert von 267.713,50 DM herauszugeben, die er bereits im Jahre 1984 an sich genommen und nach L. verbracht hatte. Da der Beklagte trotz einer mit Ablehnungsandrohung verbundenen Fristsetzung weiterhin die Herausgabe verweigerte, erhob die Klägerin bei dem Landgericht Berlin gemäß § 283 BGB Klage auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung in Höhe von 535.427,– DM nebst Zinsen. Das Landgericht hat der Klage – unter Abweisung im übrigen – in Höhe von 267.713,50 DM stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht im Hinblick auf dessen bereits erstinstanzlich erhobene Rüge, für ihn als nunmehr in den USA wohnhaften amerikanischen Staatsbürger seien Berliner Gerichte „örtlich nicht zuständig”, die Klage mangels internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte als unzulässig abgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat zu Unrecht die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte mit der Erwägung verneint, diese lasse sich aus der für die vorliegende Schadensersatzklage gemäß § 283 BGB allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 893 Abs. 2 ZPO nicht herleiten. Nach § 893 Abs. 2 ZPO ist für eine derartige Klage des Gläubigers auf Leistung des Interesses das Prozeßgericht des ersten Rechtszuges, bei dem die vorangegangene Klage auf Erfüllung rechtshängig war, – ausschließlich (§ 802 ZPO) – sachlich und örtlich zuständig. Zwar liegt darin noch keine ausdrückliche Bestimmung der internationalen Zuständigkeit, die das Verfahrensrecht der Zivilprozeßordnung ohnehin nur in wenigen Normen direkt regelt (z.B. §§ 606 a, 640 a Abs. 2 ZPO). Die internationale Zuständigkeit ist jedoch in ihren Voraussetzungen mit der örtlichen Zuständigkeit derart verknüpft, daß sie durch diese indiziert wird: Ist ein deutsches Gericht örtlich zuständig, so folgt daraus in der Regel zugleich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. In diesem Sinne sind die Vorschriften über die örtlichen Gerichtsstände der Zivilprozeßordnung grundsätzlich „doppelfunktional” (st. höchstrichterl. Rspr.: vgl. RGZ 126, 196, 198; 150, 265, 268, BGHZ [GS] 44, 46; BGHZ 115, 90, 92; 119, 392, 393; 120, 335, 337; herrschende Meinung: vgl. z.B. Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. Rdnr. 946; Zöller/Geimer, ZPO, 20. Aufl., IZPR Rdnr. 37 m. N.; Linke, Internationales Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. Rdnr. 115; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, Rdnr. 236; von Bar, Internationales Privatrecht, Bd. I Rdnr. 411 – jeweils mit umfangr. Literaturnachweisen; vgl. insbesondere auch die Bestätigung durch den IPR-Reformgesetzgeber: Amtl. Begründung BT-Drucks. 10/504, S. 21, 33, 89). Dementsprechend regelt auch § 893 Abs. 2 ZPO mit der inländischen Kompetenzverteilung im Sinne der Eröffnung einer Annexzuständigkeit am Ort des ersten Prozesses zugleich die internationale Zuständigkeit (soweit ersichtlich in veröffentlichter Rspr. bislang nicht problematisiert; in der Literatur – soweit überhaupt erörtert – einhellige Meinung: Geimer, BGH EWiR § 19 BNotO 3/85, 586; ders. in: Zöller a.a.O., IZPR Rdnr. 40; ders., Internationales Zivilprozeßrecht Rdnr. 1283, 1565; Pagenstecher RabelsZ 11 [1937], 337, 386, 387 f., 389, 399; Rosenberg, Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., S. 95; MüKo/Wolfsteiner, ZPO, § 802 Rdnr. 1). Es ist nicht anzunehmen, daß der Gesetzgeber, der den „allgemeinen” Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit im Titel „Gerichtsstand” (§§ 12 ff. ZPO) zugleich Regelungscharakter auch für die internationale Zuständigkeit zugemessen hat (vgl. hierzu auch Kralik, ZZP 74, 2, 26; Neuner, Internationale Zuständigkeit, S. 30 f.), bei der Fassung der besonderen Zuständigkeitsvorschrift des § 893 Abs. 2 ZPO jene doppelfunktionale Wirkung hätte ausschließen wollen. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich vielmehr, daß der Gesetzgeber für die klageweise Geltendmachung der Interessenforderung „wegen ihres Zusammenhangs mit dem vorausgegangenen Rechtsstreite die ausschließliche Zuständigkeit des Prozeßgerichts vorgeschrieben” hat (vgl. Hahn/Stegemann, Die gesamten Materialien zur Civilprozeßordnung, 1. Abt., S. 468, zu E § 724 = G § 778, heute: § 893 ZPO). Es sollte also im Interesse einer geordneten staatlichen Rechtspflege, insbesondere der Prozeßwirtschaftlichkeit, verhindert werden, daß sich ein anderes (deutsches) Gericht als das des Vorprozesses mit der Sache neu befassen muß (Pagenstecher a.a.O., S. 387; vgl. zum Konzentrationsgrundsatz auch: Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, S. 118 f.). Diese Gründe für eine Zuständigkeitsverknüpfung zwischen Hauptprozeß und anschließendem Annexverfahren im Sinne des § 893 Abs. 2 ZPO treffen nicht nur auf die örtliche und sachliche, sondern auch auf die internationale Zuständigkeit zu.

Gegenteiliges läßt sich – anders als das Berufungsgericht offenbar meint – nicht aus der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen vom 14. Juni 1965 (BGHZ 44, 46 ff.) zu Sinn und Zweck der §§ 512 a, 549 Abs. 2 ZPO ableiten, da sich jene Vorschriften lediglich im Rahmen der inhaltlichen Prüfung des Rechtsmittels mit der örtlichen Zuständigkeit befassen, nicht aber – wie § 893 Abs. 2 ZPO – deren Voraussetzungen selbst regeln. Die Anknüpfung des Kammergerichts an das Interesse des nunmehr im Ausland wohnhaften ausländischen Beklagten, die Rechtssache durch sein Heimatgericht entscheiden zu lassen, ist in ihrer Verallgemeinerung ersichtlich unzutreffend; denn sie wäre praktisch auf jeden Rechtsstreit mit Auslandsbezug übertragbar und müßte in derartigen Fällen nahezu stets zu einer Verneinung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte führen – eine Konsequenz, die im Gesetz keine Grundlage findet. Bereits die Bestimmungen über den Gerichtsstand in den §§ 12 ff. ZPO knüpfen nicht stets an die Interessen der beklagten Partei an; diese treten jedenfalls dann in den Hintergrund, wenn – wie in § 893 Abs. 2 ZPO – der Gesetzgeber das Bedürfnis nach einem einheitlichen Gerichtsstand für vorrangig hält und dementsprechend den Sachzusammenhang als Grund für die Zuständigkeitsregelung – auch hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit – entscheidend sein läßt.

Ob aus der inländischen Kompetenzverteilungsregelung des 893 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf die Ausschließlichkeitsbestimmung in § 802 ZPO zugleich eine Ausschließlichkeit der internationalen Zuständigkeit zu folgern ist oder ob dadurch lediglich eine konkurrierende internationale Zuständigkeit eröffnet wird, braucht hier nicht entschieden zu werden (vgl. zum diesbezügl. Meinungsstreit: Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht Rdnr. 1283, 1565; Zöller/Geimer, IZPR Rdnr. 40, Pagenstecher a.a.O., S. 382 ff., 387 f., 389, 399; Rahmann, Ausschluß staatlicher Gerichtszuständigkeit 1984, S. 21; Kropholler, Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I Rdnr. 149 ff., 153; Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht, 4. Aufl., Rdnr. 1254, 1292; Schack a.a.O., Rdnr. 417 – jew. m. w. Literaturnachw.). Da nämlich der Vorprozeß vor einem deutschen Gericht stattgefunden hat, ist die deutsche internationale Zuständigkeit gemäß § 893 Abs. 2 ZPO in jedem Fall gegeben, unabhängig davon, welcher der beiden Meinungen man folgt: Im Falle einer Ausschließlichkeitsregelung versteht sich das von selbst; bei Annahme einer lediglich konkurrierenden internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte darf der Kläger grundsätzlich den Staat wählen, vor dessen Gerichten er seine Ansprüche geltend machen will (zum – hier vorliegenden – hinreichenden Inlandsbezug: vgl. auch BGHZ 115, 90).

II.

Da die Klage mithin zulässig ist, wird sich das Berufungsgericht nunmehr mit den Angriffen der Berufung des Beklagten gegen den vom Landgericht im Umfang des Einkaufswertes der Teppiche zuerkannten Klageanspruch zu befassen haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609492

NJW 1997, 2245

MDR 1997, 683

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