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BGH Urteil vom 07.07.1999 - 2 StR 177/99

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdacht des versuchten Mordes

 

Tenor

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 17. November 1998 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Gründe

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des versuchten Mordes freigesprochen. Die Revision der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des Freispruchs und Zurückverweisung der Sache.

Das Landgericht hat im wesentlichen festgestellt:

Der Angeklagte drang nachts gegen 2.30 Uhr in die Wohnung seiner ehemaligen Freundin D. ein, zog in der Küche den Gaszuleitungsschlauch zum Gasherd ab und schraubte mit Hilfe einer Zange die Gassteckdose samt Sicherheitsventil vom Zuleitungsrohr ab, so daß das Gas ungehindert in die Küche ausströmte. Anschließend verließ er das Haus, wobei er die Gassteckdose mitnahm. Das ausströmende Gas war zwar ungiftig, jedoch im Falle einer Verdrängung des Sauerstoffs geeignet, den Erstickungstod herbeizuführen. Das Gas-Luftgemisch hätte durch einen Zündfunken zur Explosion gebracht werden können. Im vorliegenden Falle bestand objektiv keine Gefahr, daß schlafende Personen den Erstickungstod erleiden, da die Tür zum Schlafzimmer von Frau D. und ihrer zweijährigen Tochter geschlossen und das Schlafzimmerfenster leicht geöffnet waren. Der gegen 2.45 Uhr unerwartet heimkehrende Bruder von Frau D. bemerkte den Gasgeruch und alarmierte seine Schwester, die den Haupthahn schloß.

Der Angeklagte hat bei seiner polizeilichen Vernehmung zum Vorwurf des versuchten Mordes angegeben, er sei „wie blöd” und „wie von Sinnen” gewesen; er könne sich nicht vorstellen, warum er Frau D. und ihre Tochter hätte umbringen sollen, da er beide immer noch sehr liebe.

Das Landgericht hat „nicht zweifelsfrei feststellen” können, daß der Angeklagte bei seiner Tat den Tod von Frau D. und ihrer Tochter zumindest billigend in Kauf genommen hat. Die Zweifel begründet das Landgericht im wesentlichen mit folgenden Erwägungen: Es sei nicht naheliegend, daß der Angeklagte, der wußte, daß das Gas zum Erstickungstod führen kann, geglaubt haben könnte, Frau D. und ihre Tochter könnten im Schlafzimmer ersticken. Denn das Gas habe im vorliegenden Falle den Sauerstoff im Schlafzimmer deshalb nicht verdrängen können, weil die Schlafzimmertür geschlossen und das Schlafzimmerfenster leicht geöffnet waren. Der Angeklagte habe früher mit Frau D. zusammengelebt und deshalb gewußt, daß sie stets bei zumindest „gekipptem” Fenster schlafe. Es sei davon auszugehen, daß dem Angeklagten zur Zeit der Tat diese Gepflogenheit noch bekannt gewesen sei, auch wenn er sich jetzt nicht mehr daran erinnere.

Es sei auch nicht auszuschließen, daß der Angeklagte bei der Tat gehofft habe, es werde nicht zur Explosion des Gas-Luftgemischs kommen. Zwar habe der Angeklagte diese Gefahr gekannt. Er habe auch angekündigt, sich für Frau D., falls sie sich einem anderen Partner zuwende, „etwas Extravagantes einfallen lassen zu wollen”. Dies zwinge aber nicht zu dem Schluß, daß der Angeklagte nicht darauf vertraut habe, Frau D. und ihre Tochter würden nicht zu Schaden kommen. Möglicherweise habe er Frau D. nur einen Schrecken einjagen wollen. Es sei auch nicht ersichtlich, welche konkreten Vorstellungen der Angeklagte vom Geschehensablauf hätte haben können, wenn man annehme, daß er mit einer Explosion und deren möglichen Folgen einverstanden gewesen wäre. Ein Zündfunke, der zur Explosion hätte führen können, hätte nur von einer Person verursacht werden können, die sich bereits im Hause befand. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte angenommen habe, eine solche Person würde trotz des stark riechenden Gases einen Zündfunken verursachen. Da es bereits einige Zeit nach der Tat hell wurde, habe nicht angenommen werden müssen, daß eine Person beim Erwachen durch Betätigen des Lichtschalters einen Zündfunken auslösen würde. Damit bestehe die nicht ganz fernliegende Möglichkeit, daß der Angeklagte gehofft habe, es würde nicht zur Explosion kommen. Der Angeklagte habe auch von der Anwesenheit zweier weiterer Personen in dem Hause gewußt. Die Kammer habe erhebliche Zweifel, daß der Angeklagte in einen Gefühls- oder Erregungszustand geraten sei, in dem er damit einverstanden gewesen wäre, daß aufgrund seiner Handlung möglicherweise vier Menschen getötet würden, was bei einer von ihm gewünschten Explosion des gesamten Hauses denkbar gewesen wäre. Letztlich habe der psychiatrische Sachverständige ausgeführt, er könne sich aufgrund des Gemütszustandes des Angeklagten und seiner Alkoholisierung durchaus vorstellen, daß sich der Angeklagte der Gefährlichkeit seines Tuns überhaupt nicht bewußt gewesen sei. Das spreche ebenfalls gegen einen Tötungsvorsatz.

Diese Ausführungen zur subjektiven Tatseite halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht legt nicht dar, von welchen grundsätzlichen Voraussetzungen für die Annahme eines dolus eventualis es ausgeht. Seine Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung lassen besorgen, daß die Schwurgerichtskammer an die Feststellung des bedingten Tötungsvorsatzes zu hohe Anforderungen gestellt und die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht hinreichend berücksichtigt hat.

Mit bedingtem Vorsatz handelt, wer den Erfolgseintritt als möglich – als nicht ganz fernliegend – erkennt und ihn billigend in Kauf nimmt. In Kauf nimmt der Täter auch einen an sich unerwünschten Erfolg, mit dessen möglichen Eintritt er sich aber abfindet; anders ist es, wenn der Täter ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, daß der Erfolg nicht eintritt (vgl. BGHSt 7, 363 ff.; BGHR StGB § 15 - Vorsatz, bedingter 1, 2, 7). Der Grad der Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts ist allein nicht entscheidend. Insbesondere bei der Erörterung der Frage, ob der Täter den Eintritt des als möglich erkannten Erfolges billigt, muß der Tatrichter sich mit der Persönlichkeit des Täters und allen für das Tatgeschehen bedeutsamen Umständen auseinandersetzen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt es bei äußerst gefährlichem Tun allerdings nahe, daß der Täter mit dem Tode des Opfers rechnet, und daß er – falls er sein Handeln dennoch fortsetzt – einen solchen Erfolg auch billigend in Kauf nimmt (BGHSt 36, 19 ff.; BGHR StGB § 212 Abs. 1 - Vorsatz bedingter 2, 3, 27, 33; BGH, Urt. v. 10. Dezember 1996 - 1 StR 630/96; Urt. v. 16. September 1998 - 2 StR 341/98). Gemessen an diesen Grundsätzen tragen die Ausführungen des Landgerichts die Verneinung des bedingten Tötungsvorsatzes in Anwendung des Zweifelssatzes nicht:

Der Angeklagte hat nachts die Gaszufuhr derart manipuliert, daß das Gas in großen Mengen ausströmen konnte und – wäre nicht zufällig bereits eine Viertelstunde später der Bruder von Frau D. nach Hause gekommen – sich in Wohnung und Haus in großen Mengen verbreitet hätte. Daß eine solche Handlung generell geeignet ist, die Bewohner des Hauses in Lebensgefahr zu bringen, bedarf ebensowenig einer Begründung wie die Tatsache, daß die Gefährlichkeit eines solchen Tuns allgemein bekannt ist. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte diese Gefahr ausnahmsweise nicht erkannt haben könnte, sind den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen. Die kurze Wiedergabe der Meinung des psychiatrischen Sachverständigen, „er könne sich vorstellen, daß sich der Angeklagte aufgrund seines Gemütszustandes und seiner Alkoholisierung der Gefährlichkeit seines Tuns überhaupt nicht bewußt gewesen sei”, entbehrt zum einen einer ausreichenden Tatsachengrundlage und sachkundigen Begründung, zum anderen läßt sie nicht erkennen, ob und aus welchen Gründen das Landgericht der „Vorstellung” des Sachverständigen gefolgt ist. Nicht entscheidend ist – wovon das Landgericht aber ausgeht – ferner, welche konkreten Vorstellungen der Angeklagte davon hatte, auf welche Weise es zu einer Explosion des Luft-Gasgemisches kommen konnte. Erkannte der Angeklagte die besondere Gefährlichkeit seines Handelns, dann genügte hier die „Hoffnung”, es werde nicht zu einer Explosion kommen, nicht, um eine Billigung des Erfolges durch ihn und damit den bedingten Tötungsvorsatz zu verneinen.

Das Landgericht hat im übrigen auch nicht ausreichend dargelegt, worauf es seine Annahme stützt, der Angeklagte habe diese Hoffnung gehabt oder gar darauf vertraut, Frau D. und ihre Tochter würden nicht zu Schaden kommen. Mit der Tat hat der Angeklagte zudem eine bereits vorher angekündigte Drohung, sich „etwas Extravagantes” einfallen zu lassen, wahr gemacht. Das Landgericht hält es zwar für möglich, daß der Angeklagte dabei nur an eine Handlung gedacht habe, durch die Frau D. erschreckt werden würde. Er selbst hat seiner Ankündigung diese Deutung allerdings nicht gegeben. Sie steht im übrigen der Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht entgegen, wenn der Angeklagte Frau D. mit einem – wie er wußte – äußerst gefährlichen Tun „erschrecken” wollte, die weitere Entwicklung – und damit auch eine Explosion – aber dem Zufall überließ (vgl. auch BGH, Beschl. v. 25. Januar 1994 - 1 StR 819/93).

 

Unterschriften

Jähnke, Theune, Detter, Bode, Rothfuß

 

Fundstellen

Dokument-Index HI540289

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