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BGH Urteil vom 07.03.1983 - II ZR 11/82

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen ein Beiratsmitglied einer Publikumskommanditgesellschaft. Haftung des Beiratsmitglieds einer Publikumskommanditgesellschaft. Frist zur Klageerhebung bei Widerruf des Verzichts auf Verjährungseinrede. Feststellung der Angemessenheit einer solchen Übergangsfrist

 

Leitsatz (amtlich)

Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder des Beirats (Aufsichtsrats) einer Publikumskommanditgesellschaft wegen Verletzung ihrer Pflichten verjähren in fünf Jahren.

 

Orientierungssatz

1. Das Beiratsmitglied einer Publikumskommanditgesellschaft hat bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zu beachten; bei einer Pflichtverletzung haftet er in entsprechender Anwendung des AktG §§ 116, 93.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes steht in den Fällen, in denen der Schuldner auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat, dem Gläubiger von dem Zeitpunkt an, zu dem er die Absicht des Schuldners an dem Verzicht nicht mehr festhalten zu wollen, zu erkennen in der Lage ist, nur noch eine angemessene, jedoch in aller Regel kurze Übergangsfrist zur Klageerhebung zur Verfügung (Anschluß BGH, 1978-02-14, VI ZR 78/77, WM IV 1978, 415).

3. Die dem Gläubiger zustehende angemessene Übergangsfrist zur Klageerhebung muß im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände bestimmt werden.

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 1. Dezember 1981 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die in Liquidation befindliche Klägerin, eine Publikumskommanditgesellschaft, verlangt von dem Beklagten als ihrem ehemaligen Beiratsmitglied Schadensersatz. Der Beirat setzte sich aus vier von der Komplementär GmbH benannten und fünf von den Kommanditisten gewählten Mitgliedern zusammen. Der Beklagte wurde von der Komplementär-GmbH in den Beirat berufen, der am 10. Februar 1972 erstmals zusammentrat. Am 4. Januar 1974 erklärte der Beklagte sein Ausscheiden aus dem Beirat.

Die Klägerin war durch einen im März 1971 endgültig gefaßten Gesellschaftsvertrag hauptsächlich mit dem Ziel gegründet worden, im In- und Ausland Fremdenverkehrsbetriebe und Touristikunternehmen zu errichten, zu erwerben und zu betreiben. Das Eigenkapital der Gesellschaft sollte von auf dem Kapitalmarkt geworbenen Kommanditisten erbracht werden, die ihren Beitrag im Verhältnis 1: 4 als Kommanditeinlage und stille Einlage zu erbringen hatten. Bis September 1971 zeichneten die Kapitalanleger entsprechend den gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen Kommanditbeteiligungen in Höhe von 10 Mio DM und stille Beteiligungen in Höhe von 40 Mio DM; sie leisteten bis zum Jahre 1974 über 51 Mio DM (einschließlich 5 % Agio). Nachdem die Gelder im April 1974 praktisch verbraucht und Vermögenswerte größeren Umfanges nicht mehr festzustellen waren, beschloß die Gesellschafterversammlung am 29. Juni 1974, „den Konkurs anzumelden”. Den Konkursantrag lehnte das Amtsgericht München mangels Masse ab.

Die Klägerin nimmt für den entstandenen Schaden neben den Mitgliedern der Geschäftsführung die Beiratsmitglieder wegen schuldhafter Verletzung ihrer Überwachungspflichten in Anspruch. Mit der am 28. April 1978 eingegangenen und am 4. Juli 1980 zugestellten Klage macht sie gegen den Beklagten als Teilforderung einen Betrag in Höhe von 300.000 DM geltend. Zur Begründung trägt sie insbesondere vor: Für die Finanzierung der von der Klägerin nach dem Emissionsprospekt zu erstellenden Ferienanlagen sei neben einem Eigenkapital von 50 Mio DM ein Fremdkapital von 36,66 Mio DM notwendig gewesen, dessen Aufbringung nicht gesichert gewesen sei. Der Beklagte habe das von Anfang an erkannt oder erkennen müssen und deshalb die Mängel in den Finanzierungsgrundlagen den Gesellschaftern aufdecken müssen. Bei pflichtgemäßem Verhalten wäre ein Verlust von fast 30 Mio DM vermieden worden. Außerdem sei dem Beirat und damit dem Beklagten der Vorwurf zu machen, in einer Beiratssitzung vom 21. Juni 1972 mehrere außergewöhnliche Geschäfte – zum Teil in betrügerischer Absicht geschlossene Verträge – der Geschäftsführer ohne jede Prüfung genehmigt zu haben, wodurch ein Schaden von 25 Mio DM entstanden sei. Demgemäß habe der Beklagte in der Gesellschafterversammlung vom 27. Juli 1982 nicht schweigen dürfen, als es um die Fremdmittel und die Genehmigung der Verträge am 21. Juni 1972 gegangen sei, und am 18. Oktober 1972 nicht die Entlastung der Geschäftsführung und des Beirates befürworten dürfen.

Der Beklagte bestreitet, pflichtwidrig gehandelt zu haben. Ihm sei jedenfalls kein Verschulden vorzuwerfen. Ohne die unvoraussehbaren kriminellen Handlungen der Geschäftsführer wären die Projekte erfolgreich durchgeführt worden. Er habe sowohl dem – seriös wirkenden und erfahrenen – Geschäftsführer E als auch dem Beiratsmitglied Staatsminister a.D. Dr. Sch vertrauen dürfen und nicht damit rechnen können, daß letzterer anstatt – wie beauftragt – an Ort den Baufortschritt zu kontrollieren, mit dem Geschäftsführer Vergnügungsreisen nach G und S unternommen habe. Die Fremdfinanzierung sei gesichert gewesen. Die am 21. Juni 1972 genehmigten Verträge seien angemessen und vorteilhaft gewesen. Hilfsweise hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Klägerin hält die 30jährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB für gegeben und beruft sich auf eine Verjährungsverzichtserklärung des Beklagten vom 25. Mai 1978. Sie macht weiterhin geltend, der Beklagte habe bis 1974 Pflichtverletzungen begangen.

Landgericht und Oberlandesgericht haben den Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Interessengemeinschaft S M Kommanditisten H KG (der die Klägerin die Ansprüche gegen den Beklagten zur Sicherstellung eines Darlehens von 1,2 Mio DM abgetreten hat) 300.000 DM nebst Zinsen zu zahlen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der Beklagte als Mitglied des Beirats ähnlich einem Mitglied des satzungsgemäß bestellten Aufsichtsrats einer GmbH verpflichtet war, die Geschäftsführung auf eine ordentliche und gewissenhafte Erfüllung ihrer Aufgaben zu kontrollieren und demgemäß das Gesellschaftskapital vor einem unsachgemäßen Einsatz zu bewahren. Hiergegen habe der Beklagte verstoßen, als er in der Beiratssitzung vom 21. Juni 1972 Verträge „zustimmend zur Kenntnis genommen” habe, die der Klägerin flüssige Mittel von 8 Mio DM entzogen hätten. Gleiches gelte für sein Verhalten in der Gesellschafterversammlung vom 27. Juli 1972 und für sein Verhalten im Zusammenhang mit der Entlastungsempfehlung vom 18. Oktober 1972. Der Beklagte sei verpflichtet gewesen, in der Gesellschafterversammlung auf die gegen die Durchführung der geplanten Objekte bestehenden Bedenken hinzuweisen und dem Eindruck entgegenzuwirken, der Beirat habe die am 21. Juni 1972 „zustimmend zur Kenntnis genommenen” Verträge gekannt und geprüft. Dementsprechend habe er auch am 18. Oktober 1972 nicht die Entlastung der Geschäftsführung und des Beirats empfehlen dürfen.

Schließlich sei es als pflichtwidrig anzusehen, daß der Beklagte am 4. Januar 1973 sein Ausscheiden mit seiner zeitlichen Beanspruchung begründet, dem Geschäftsführer E für die loyale Zusammenarbeit gedankt und die Kommanditisten über die wahren Gründe seines Ausscheidens – Vereitelung jeder Kontrolle durch die Geschäftsführung – nicht informiert habe. Die Pflichtverletzungen seien für den eingetretenen Schaden ursächlich.

Die Verjährungseinrede weist das Berufungsgericht mit der Begründung zurück, es handle sich um einen Anspruch aus positiver Vertragsverletzung (Verletzung gesellschaftsvertraglicher Pflichten), der der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren unterliege. Bei Annahme einer fünfjährigen Verjährungsfrist (entsprechend § 93 Abs. 6 AktG) scheitere die Verjährungseinrede des Beklagten deshalb, weil er mit seiner Erklärung vom 25. Mai 1978 auf diese Einrede verzichtet habe, soweit zu dieser Zeit nicht bereits die Verjährung eingetreten gewesen sei. Der Beklagte habe noch nach dem Mai 1973 keine wirksamen Maßnahmen zur Kontrolle der Geschäftsführung herbeigeführt. Bei wirksamer Kontrolle im Herbst 1973 hätten vom Gesellschaftsvermögen noch mindestens 300.000 DM gerettet werden können.

II. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verjähren die von der Klägerin gegen den Beklagten geltend gemachten Ansprüche nicht in 30, sondern in 5 Jahren.

a) Bei der Beurteilung dieser Frage ist davon auszugehen, daß der Beirat, dem der Beklagte angehörte, nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags (gewillkürtes) Gesellschaftsorgan der Klägerin war, damit jedes seiner Mitglieder in einem Vertragsverhältnis zu ihr stand und ihr gegenüber verpflichtet war, ihre Interessen wahrzunehmen. Er war im Verhältnis 4: 5 von Vertretern der Komplementär-GmbH und der Kommanditisten besetzt (der Beklagte selbst war von der Komplementär-GmbH berufen worden), und seine Rechte und Pflichten bestanden gegenüber dem Gesellschaftsganzen; der Gesellschaftergruppe der Kommanditisten waren keine selbständigen Befugnisse eingeräumt, die auf eine zwischen ihnen und den Beiratsmitgliedern bestehende besondere Rechtsbeziehung hinweisen konnten (vgl. das in einem Rechtsstreit zwischen der Klägerin und einem anderen Beiratsmitglied ergangene Sen.Urt. v. 22.10.1979 – II ZR 151/77, DB 1980, 71 = WM 1979, 1425; ferner Sen.Urt. v. 14.4.1975 – II ZR 147/73, WM 1975, 767, insoweit in BGHZ 64, 238 nicht abgedruckt).

Die dem Beirat gesellschaftsvertraglich zugewiesenen Aufgaben entsprachen – wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 22. Oktober 1979 (aaO) im einzelnen dargelegt hat – weitgehend denen eines satzungsgemäß bestellten Aufsichtsrats einer GmbH (§ 52 GmbHG i.V.m. § 110 AktG). Er hatte die Geschäftsführung zu überwachen und sollte damit das (notwendige) Gegengewicht zu den Gefahren bilden, die der Beitritt in eine Publikumskommanditgesellschaft der hier vorliegenden Art regelmäßig mit sich bringt.

b) Wird der Beirat als Organ einer Publikumskommanditgesellschaft eingerichtet, so ergibt sich eine Interessenlage, die derjenigen ähnlich ist, die den Gesetzgeber veranlaßten, im Rahmen der Aktiengesellschaft die Vorschriften über den Aufsichtsrat aufzunehmen. Bei Publikumsgesellschaften besteht demgemäß das Bedürfnis, die Überwachung und Kontrolle der Geschäftsführung in ähnlicher Weise auszugestalten und an die Gesellschaftsorgane, die dem Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft entsprechen, ähnliche Anforderungen zu stellen und für diese ähnliche Rechte und Pflichten zu begründen (vgl. BGHZ 69, 207, 220). Dementsprechend hat der erkennende Senat ausgesprochen, daß sich ein Gesellschafter, der die Stellung eines Beiratsmitglieds in einer Publikumskommanditgesellschaft erlangt hat, nicht auf die Haftungsbeschränkungen des § 708 BGB berufen kann, vielmehr bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zu beachten hat und in entsprechender Anwendung der §§ 116, 93 AktG haftet. In gleicher Weise hat er diese Vorschriften herangezogen, um die Kompetenzen des Beirates und die daraus folgenden Pflichten näher zu bestimmen (BGHZ 69, 207, 213, 220 f). Aus der Vergleichbarkeit der Funktionen des Beirats der Publikumskommanditgesellschaft mit denen des Aufsichtsrats einer Aktiengesellschaft hat er schließlich in dem Urteil vom 22. Oktober 1979 (aaO) hergeleitet, daß auch die Beweisregeln des § 93 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 116 AktG entsprechend anzuwenden sind.

Dann aber kann nichts anderes für die Beurteilung der Frage gelten, in welcher Frist Schadensersatzansprüche gegen die Mitglieder des Beirats wegen Verletzung ihrer Pflichten verjähren. Bei Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten erscheint es angemessen und sachgerecht, die Vorschrift des § 116 i.V.m. § 93 Abs. 6 AktG anzuwenden, die in Übereinstimmung mit § 52 Abs. 3 GmbHG und § 41 i.V.m. § 34 Abs. 6 GenG eine fünfjährige Verjährungsfrist vorschreibt. Hierbei ist in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung davon auszugehen, daß diese Norm bei allen Schadensersatzansprüchen gegen Beiratsmitglieder, die aus ihrer Tätigkeit erwachsen, Geltung beansprucht.

2. Danach greift die Verjährungseinrede des Beklagten durch, soweit die Klage mit Handlungen und Unterlassungen des Beklagten begründet wird, die vor dem 25. Mai 1973 liegen. Die Klage wurde erst am 28. April 1980 eingereicht, und der am 25. Mai 1978 ausgesprochene Verzicht auf die Verjährungseinrede bezieht sich nur auf Ansprüche der Klägerin, die zum Zeitpunkt der Verzichtserklärung noch nicht verjährt waren. Das bedeutet, daß der Klageanspruch nicht von der Hauptbegründung des Berufungsgerichts getragen werden kann, der Beklagte habe pflichtwidrig gehandelt, als er

  1. in der Beiratssitzung vom 21. Juni 1972 die im einzelnen angeführten Verträge „zustimmend zur Kenntnis genommen” habe,
  2. in der Gesellschafterversammlung geschwiegen habe, als es um die Genehmigung dieser Verträge und um die erforderlichen Fremdmittel gegangen sei,
  3. am 18. Oktober 1972 die Entlastung der Geschäftsführung und des Beirats empfohlen habe.

3. Dagegen dringt die Verjährungseinrede nicht durch, soweit es um Ansprüche geht, die nach dem 25. Mai 1973 entstanden sind. Entgegen der Auffassung der Revision betrifft die Verzichtserklärung nicht nur Ansprüche der Klägerin, die mit dem Verhalten des Beklagten in der Beiratssitzung vom 21. Juni 1972 begründet werden. Die Verzichtserklärung enthält in dieser Hinsicht keine Beschränkung; sie bezieht sich auf Ansprüche, „die auf meiner Tätigkeit als Beiratsmitglied der S M GmbH H-Center und Co. F KG beruhen”.

Das angefochtene Urteil läßt auch keinen Rechtsfehler erkennen, soweit das Berufungsgericht darlegt, aus dem Schreiben des Liquidators der Klägerin vom 4. April 1978, das die Verzichtserklärung ausgelöst hat, folge keine Beschränkung des Verzichts auf bestimmte Vorgänge oder Verhaltensweisen.

Gegenüber den nach dem 25. Mai 1973 entstandenen Ansprüchen der Klägerin kann der Beklagte die Verjährung auch nicht mit anderer Begründung geltend machen. Die Revision bejaht dies mit dem Hinweis auf ein Schreiben des Beklagten an den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin vom 11. Januar 1980 und meint, die Klägerin habe nach diesem Schreiben, dem die Bedeutung eines Widerrufs der Verzichtserklärung zukomme, mit der Einreichung der Klage nicht bis zum 28. April 1980 warten dürfen. Dem kann nicht gefolgt werden. Es ist zwar richtig, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in den Fällen, in denen der Schuldner auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat, dem Gläubiger von dem Zeitpunkt an, zu dem er die Absicht des Schuldners, an dem Verzicht nicht mehr festhalten zu wollen, zu erkennen in der Lage ist, nur noch eine angemessene, jedoch in aller Regel kurze Übergangsfrist zur Klageerhebung zur Verfügung steht (BGH, Urt. v. 14.2.1978 – VI ZR 78/77, WM 1978, 415 m.w.N.). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß die dem Gläubiger zuzubilligende Frist zur Klageerhebung, wie die Revision meint, mit höchstens 2 Monaten anzusetzen ist. Die für die Prüfung der Frage nach der angemessenen Überlegungsfrist anzuwendenden Maßstäbe sind flexibel und erlauben keine starre Grenzziehung (BGH, Urt. v. 20.1.1976 – VersR 1976, 565); über die angemessene Übergangsfrist muß vielmehr im jeweiligen Einzelfalle unter Berücksichtigung aller Umstände entschieden werden. Bei den vom Berufungsgericht erörterten Besonderheiten des vorliegenden Falles ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß es die zwischen dem Schreiben des Beklagten vom 11. Januar 1980 und der Einreichung der demnächst zugestellten Klageschrift am 28. April 1980 liegende Zeit als noch angemessen angesehen hat.

4. Das Berufungsgericht unterstellt in seinen Hilfserwägungen eine fünfjährige Verjährungsfrist. Es hält unter diesem Blickpunkt die Klage deshalb für begründet, weil der Beklagte – wie die übrigen Beiratsmitglieder – auch nach dem Mai 1973 bis zu seinem Ausscheiden im Jahre 1974 „keine wirklich wirksamen Maßnahmen zur Kontrolle der Geschäftsführung unternommen” habe. Der Senat habe „keinen Zweifel daran, daß bei wirksamen Kontrollen wenigstens im Herbst 1973 noch mindestens ein Teilbetrag von 300.000 DM des Gesellschaftsvermögens hätte gerettet werden können”.

Mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil jedoch ebenfalls nicht gehalten werden.

a) Zur Begründung einer Pflichtverletzung eines Beiratsmitglieds reichen formelhafte Wendungen dieser Art nicht aus. Es bedarf vielmehr konkreter Feststellungen dahin, welche Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen notwendig waren und inwieweit solche Maßnahmen den Schaden verhindert hätten. Eine Fallgestaltung der Art, daß die Pflichtverletzungen des in Anspruch genommenen Organmitglieds und der daraus entstandene Schaden offen zu Tage liegen oder ohne weiteres aus den Umständen folgen, liegt nicht vor. Es fehlen auch die Voraussetzungen für die Annahme, aus den Feststellungen des Berufungsgerichts zum Verhalten des Beklagten in der Beiratssitzung vom 21. Juni 1972 und der Gesellschafterversammlung vom 27. Juli 1972 sowie zu seinem Verhalten im Zusammenhang mit der Entlastungsempfehlung des Beirats vom 18. Oktober 1972 könnte auf konkrete Pflichtverletzungen des Beklagten für die Zeit nach dem 25. Mai 1973 geschlossen werden. Das ist schon deshalb nicht der Fall, weil sich die für die Beurteilung einer Pflichtverletzung maßgeblichen Verhältnisse wesentlich geändert hatten.

Der Beirat hatte inzwischen bedeutsame Schritte zur Überwachung und Kontrolle der Geschäftsführung eingeleitet. Aufgrund eines einstimmigen Beschlusses des Beirates vom 30. März 1973 war ein aus drei Mitgliedern des Beirats bestehender Prüfungsausschuß mit folgenden Aufgaben gebildet worden:

  1. „Prüfung der Verwendung des gezeichneten Eigenkapitals und der Fremdmittel unter Berücksichtigung des Bautenstandes,
  2. Feststellung des Bautenstandes selbst, d.h. der Fertigstellung der Betriebsstätten im Sinne des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes bis zum 31. Dezember 1973,
  3. Zusammenarbeit bei der Prüfung dieser Daten mit einem Wirtschaftsprüfer …”

Auf der Grundlage dieses Beiratsbeschlusses wurde dann auch eine „Sonderprüfung” durch den Wirtschaftsprüfer Dr. R K veranlaßt, der das Prüfungsergebnis in einem Bericht vom 14. November 1973 niederlegte. Gegenstand der Prüfung war die ordnungsgemäße Verwendung der Einzahlungen, die Feststellung und Erläuterung der Abweichungen insbesondere bei den Verlustzuweisungen gegenüber dem Emissionsprospekt und die Darstellung der Geschäftsverbindungen zu nahestehenden Unternehmen. Der erstattete Bericht befaßte sich dementsprechend auch wesentlich mit den hier in Frage stehenden Verträgen, deren Genehmigung dem Beklagten zum Vorwurf gemacht wird. Außerdem fand in jener Zeit eine finanzamtliche Betriebsprüfung statt, über deren vorläufiges Ergebnis die Geschäftsführung in der Beiratssitzung vom 30. März 1973 berichtete. Der endgültige Bericht über das Ergebnis der Betriebsprüfung wurde vom Beirat in der Sitzung vom 5. November 1973 behandelt. Schließlich war in der Zwischenzeit auf der Grundlage konkreter Angaben (der S-M-Analyse) eine Finanzierungs- und Kalkulationsprüfung – unter dem Gesichtspunkt „Rentabilitätserwartungen” – erfolgt (vgl. Protokoll über die Beiratssitzung am 30.3.1973 zu 2.3 und 2.4). Soweit sich das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Kalkulationsprüfung auf eine Stellungnahme des Beklagten vom 20. Juli 1972 bezieht, die erhebliche Bedenken gegen die bisherige Kalkulation der Geschäftsführung geltend macht, ist zu berücksichtigen, daß es der vom Beklagten vorgetragenen und erläuterten Tatsache nicht hinreichend Rechnung getragen hat, er habe sich zu Lasten der Geschäftsführung um 25,2 Mio DM verrechnet. Wird dies berücksichtigt, so ergibt sich nicht – wie in der Stellungnahme des Beklagten ausgewiesen – ein Fehlbetrag von über 9 Mio DM, sondern umgekehrt ein Spielraum von über 15 Mio DM. Das könnte bedeuten, daß die weiteren Angaben des Beklagten in diesem Memorandum, wonach die kalkulierten Anlagekosten an der unteren Grenze liegen sollen und weitere ungünstige Umstände gegeben seien – auf die das Berufungsgericht besonders abhebt – vernachlässigt werden könnten.

5. Dem auf pflichtwidrige Handlungen und Unterlassungen des Beklagten in der Zeit nach dem 25. Mai 1973 gestützten Klageanspruch kann allerdings nicht, wie die Revision weiter meint, mit der Begründung die Grundlage entzogen werden, insoweit handle es sich um die Fortdauer schädigender Einwirkungen der vor dem 25. Mai 1973 liegenden Handlungen, die von der Verjährungseinrede ergriffen würden.

Das unterliegt keinem Zweifel, soweit Pflichtverletzungen in Betracht kommen, die sich auf neue selbständige Ereignisse beziehen. Nichts anderes gilt, soweit Vorgänge in Betracht kommen, die bereits Gegenstand der Beiratssitzung vom 21. Juni 1972, der Gesellschafterversammlung vom 27. Juli 1972 und der Entlastungsempfehlung vom 18. Oktober 1972 waren und auf die die Klägerin die als verjährt anzusehenden Klageansprüche gestützt hat. Es geht hier nicht um die – zu bejahende – Frage, ob der aus einem bestimmten Ereignis erwachsene Schaden als einheitliches Ganzes aufzufassen ist und demgemäß für den Anspruch auf Ersatz dieses Schadens eine einheitliche Verjährungsfrist gilt (BGHZ 50, 21); in einem solchen Falle erfaßt die Verjährungseinrede auch spätere Schadensfolgen, soweit sie voraussehbar sind. Es handelt sich vielmehr um die Beurteilung neuer pflichtwidriger Handlungen oder – was für die Zeit nach dem 25. Mai 1973 in erster Linie in Betracht kommt – Unterlassungen, die mit neuen Schädigungen verbunden sind. Jeder neue schuldhafte Verstoß gegen die den Beirat treffenden Pflichten erzeugt einen neuen – einer selbständigen Verjährung unterliegenden – Anspruch (vgl. BGHZ 71, 86, 94 f; RGZ 134, 335, 338 f). Dies wird besonders deutlich für den von der Klägerin besonders herausgestellten Fall, daß eine Pflichtverletzung des Beklagten deshalb zu bejahen wäre, weil er nicht darauf hingewirkt hat, daß die genehmigten Verträge rückgängig gemacht oder jedenfalls weitere Zahlungen nicht mehr geleistet werden. (Die Berechtigung dieses Vorwurfs setzte allerdings voraus, daß dies tatsächlich möglich und rechtlich durchsetzbar gewesen wäre).

III. Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Damit die gebotenen tatsächlichen Feststellungen getroffen werden können, ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Bei der erneuten Würdigung des Sachverhalts wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, sich mit den weiteren Rügen der Revision auseinanderzusetzen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 647911

BGHZ, 84

NJW 1983, 1675

ZIP 1983, 563

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