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BGH Urteil vom 02.10.1991 - XII ZR 88/90

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Tatbestand

b. ›Das BerGer. stützt seine Auffassung, der Kl. [Mieter] habe eine Verlängerung der Mietzeit zu [den] dem ursprünglichen Vertrag angepaßten Bedingungen verlangen können, auf § 2 Nr. II Abs. 2 des Vertragsformulars [dort heißt es: ›Der Mieter kann nach Ablauf der Mietzeit wieder auf 10 Jahre mieten.‹]. Es ist nicht darauf eingegangen, daß die Parteien die im vorhergehenden ersten Absatz vorgesehene Bestimmung gestrichten hatten, wonach das Mietverhältnis sich verlängert, wenn es nicht rechtzeitig vor Ablauf der Mietzeit gekündigt wird. Eine solche ›automatische‹ Verlängerung hätte mangels entgegenstehender Vertragsbestimmung zur Folge gehabt, daß die im Vertrag vereinbarten Bedingungen, insbesondere über die Höhe der Miete, fortgegolten hätten, ein Ergebnis, das dem vom BerGer. durch Auslegung des § 2 Nr. II Abs. 2 gewonnenen [Ergebnis] zumindest sehr nahe kommt. In der Streichung der Formularbestimmung kann der Wille der Parteien zum Ausdruck gekommen sein, daß die für eine Vertragsdauer von zehn Jahren vereinbarten Bedingungen für die Zeit einer etwaigen Verlängerung des Mietverhältnisses nicht mehr gelten sollten. Das BerGer. hätte daher prüfen müssen, ob seine Auslegung nicht dem im Vertrag erklärten Willen der Parteien widerspricht. Denn selbst bei einer Fortsetzung zu Bedingungen, die die des ursprünglichen Vertrages nicht uneingeschränkt übernahmen, sondern ihnen lediglich ›angepaßt‹ waren, hätten diese Bedingungen in die weitere Mietzeit fortgewirkt.

Haben sich die Parteien für eine weitere Mietzeit von den Bedingungen des ursprünglichen Vertrages lösen wollen, so stellt sich allerdings die Frage, zu welchen Bedingungen der Kl. dann die Räume gemäß § 2 Nr. II Abs. 2 des Vertrages ›nach Ablauf der Mietzeit wieder auf zehn Jahre mieten‹ konnte. Die Vertragsbestimmung sagt dazu nichts. ... Daraus müßte aber nicht gefolgert werden, daß die Bekl. [Vermieterin] es dann in der Hand gehabt hätte, die Fortsetzung des Mietverhältnisses durch (willkürliches) Setzen neuer, für den Kl. wirtschaftlich unsinniger Bedingungen zu verhindern. Dagegen spricht bereits, daß sein Recht aus § 2 Nr. II Abs. 2 des Vertrages bei einem solchen Verständnis ›nur auf dem Papier stünde‹ ... . Eine Auslegung, die ein einem Vertragspartner eingeräumtes Recht praktisch ›leerlaufen‹ läßt, verbietet sich nach § 157 BGB in aller Regel, wenn eine andere Auslegung in Betracht kommt, die den berechtigten Interessen beider Teile Rechnung trägt.

Eine solche Auslegung kann dahin gehen, daß der Kl. die Räume nach Ablauf der Mietzeit zu einem angemessenen Mietzins wieder mieten konnte. Zum Abschluß eines Mietvertrages i. S. des § 535 BGB gehört nicht unbedingt eine Einigung über einen Mietzins in bestimmter Höhe. Vielmehr genügt es, wenn die Parteien sich auf einen bestimmbaren Mietzins einigen (BGH, WM 1964, 1216, 1217 m.w.N.), wobei die Vereinbarung der ›angemessenen‹ oder ›ortsüblichen‹ Miete als Einigung über eine bestimmbare Leistungspflicht des Mieters anzusehen ist (Bub in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 1989, Abschnitt 2 Rdn. 354 S. 174). Selbst ohne jegliche Vereinbarung über den Mietzins kann ein Mietvertrag zustande kommen, sofern die Parteien sich bindend über eine entgeltliche Überlassung des Gebrauchs der Mietsache einigen (Bub aaO., Rdn. 355). Alsdann gilt eine angemessene oder ortsübliche Miete als vereinbart, sei es im Wege ergänzender Vertragsauslegung (so OLG Hamm, NJW 1976, 1212, 1213 ...), sei es entsprechend §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB (so Staudinger/Emmerich, BGB, 12. Aufl., vor § 535 Rdn. 93). Ob deren genaue Höhe im Streitfall das Gericht festzulegen (so OLG Hamm aaO.) oder der Vermieter gemäß §§ 315, 316 BGB nach billigem Ermessen zu bestimmen hat (so Soergel/Kummer, BGB, 11. Aufl., §§ 535, 536 Rdn. 88), braucht der Senat hier ebenfalls nicht zu entscheiden.

Diese für den Abschluß von Mietverträgen geltenden Grundsätze lassen sich auf die Bestimmung in § 2 Nr. II Abs. 2 des [vorliegenden] Mietvertrages .. ohne weiteres übertragen, die ihrer Natur nach nichts anderes ist als ein Vorvertrag über den Abschluß eines Mietvertrages auf weitere zehn Jahre. Wird die Vertragsbestimmung entsprechend ausgelegt, so trägt sie sowohl dem vertraglich eingeräumten Recht des Kl. Rechnung, die Räume weiter mieten zu können, wie auch den Interessen beider Parteien an angemessenen Mietbedingungen.‹

Der Senat vermißt eine den dargelegten Grundsätzen genügende Vertragsauslegung sowie ggf. eine Feststellung der angemessenen (ortsüblichen) im angefochtenen Berufungsurteil. Er hat deshalb das Urteil aufgehoben und die Sache an das BerGer. zurückverwiesen. Für das erneute Berufungsverfahren weist der Senat u.a. auf folgendes hin: Als angemessen (orts- und marktüblich) könne derjenige Mietzins verstanden werden, der für vergleichbare Objekte bei einem Neuabschluß üblicherweise gefordert und gezahlt werde; insoweit könnten ernstgemeinte Mietangebote, welche die Bekl. von dritter Seite erhalten habe, Anhaltspunkte sein.

 

Fundstellen

Haufe-Index 542488

DRsp I(133)457b

NJW-RR 1992, 517

WM 1992, 240

ZMR 1992, 237

WuM 1992, 312

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