Haufe.de Shop
Service & Support
Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BGH Beschluss vom 24.01.2012 - 5 StR 535/11

Sie haben bereits ein Haufe Produkt? Hier anmelden
 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 15.07.2011)

 

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Juli 2011 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Maßregelausspruchs. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Rz. 2

1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

Rz. 3

a) Am Tatnachmittag begab sich der vielfach – auch einschlägig – vorbestrafte, alkoholisierte Angeklagte (Blutalkoholkonzentration ca. 2,5 ‰) aufgrund eines spontanen Tatentschlusses in eine Drogeriefiliale, um sich dort unter Einsatz eines mitgeführten Küchenmessers Geld zu verschaffen. Er trat von hinten dicht an die einzige im Laden befindliche, mit der Auffüllung der Warenregale beschäftigte Verkäuferin heran, fasste sie um die Taille und hielt ihr mit der anderen Hand das Küchenmesser vor das Gesicht. Auf seine Aufforderung öffnete die Zeugin die Kasse, der der Angeklagte Geldscheine und -münzen im Wert von insgesamt 74 EUR entnahm. Von Passanten, die auf das Geschehen aufmerksam geworden waren, wurde er am Verlassen des Geschäfts gehindert und wenig später festgenommen.

Rz. 4

b) Sachverständig beraten ist die Strafkammer davon ausgegangen, dass der 47-jährige Angeklagte, der seit 30 Jahren erheblichen Alkoholmissbrauch betreibt, unter einer Polytoxikomanie leidet und zur Tatzeit aufgrund seiner Alkoholisierung vermindert schuldfähig war (§ 21 StGB). Die dem Strafrahmen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB entnommene Strafe hat sie deshalb gemildert. Eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat sie mangels hinreichend konkreter Erfolgsaussicht abgelehnt; seine Alkohol- und Drogensucht ist in der Vergangenheit bereits mehrfach, unter anderem auch im Rahmen einer Unterbringung nach § 64 StGB erfolglos behandelt worden. Die Anordnung seiner Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat die Strafkammer auf § 66 Abs. 1 StGB (idF vom 22. Dezember 2010) gestützt, dessen formelle Voraussetzungen sie – rechtsfehlerfrei – bejaht hat. Auch die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB und deren Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (NJW 2011, 1931 Rn. 172) hat sie angenommen.

Rz. 5

2. Während Schuld- und Strafausspruch frei von Rechtsfehlern sind, hält der Maßregelausspruch sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand. Die Urteilsbegründung genügt nicht den Anforderungen an die strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung, die im Hinblick auf die durch das Bundesverfassungsgericht festgestellte Verfassungswidrigkeit des Rechts der Sicherungsverwahrung für die Übergangszeit geboten ist. Danach muss in der Regel eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten sein (BVerfG aaO).

Rz. 6

a) Das Landgericht orientiert seine Verhältnismäßigkeitsprüfung (in Anlehnung an Mosbacher, HRRS 2011, 229, 231) alleine an der gesetzgeberisch vorgenommenen Abstufung der Anlassdelikte nach §§ 66 ff. StGB. Danach seien unter schweren Gewaltstraftaten „nach der Wertung des § 66 Abs. 3 StGB zumindest alle Verbrechen zu verstehen, die sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit und in schwerwiegender Weise gegen die persönliche Freiheit richteten”. Hierzu zählt das Landgericht insbesondere auch „Raub- und Erpressungsdelikte nach § 249, 250, 253, 255 StGB”, die von dem Angeklagten nach dessen bisheriger delinquenter Vorgeschichte weiterhin zu erwarten seien (UA S. 42).

Rz. 7

b) Ob es sich bei prognostizierten Taten um schwere Gewalttaten im Sinne der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Maßstäbe handelt, ist nicht alleine anhand der gesetzgeberischen Abstufung der Anlassdelikte der Sicherungsverwahrung (vgl. die Kataloge in § 66 Abs. 1 Nr. 1, § 66 Abs. 3 Satz 1 und § 66a Abs. 2 Nr. 1 StGB nF) zu entscheiden. Diese bietet allenfalls eine erste Orientierung. Während vorsätzliche Tötungsdelikte und Vorsatzdelikte mit qualifizierender Todesfolge grundsätzlich als schwere Gewaltstraftaten anzusehen sind, gilt dies für die von der Strafkammer erwarteten Raubdelikte ungeachtet der in den Fällen der §§ 249, 250, 255 StGB hohen Strafdrohungen und der für die Tatopfer oftmals gewichtigen psychischen Auswirkungen nicht ohne Weiteres (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 – 2 StR 305/11). Sie können nur in Abhängigkeit von ihren – auf der Grundlage konkreter Umstände in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen – vorhersehbaren individuellen Umständen als schwere Gewalttaten gewertet werden (vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – 5 StR 267/11, NStZ-RR 2012, 9 Rn. 8). Dabei spielt naturgemäß vor allem das Ausmaß der eingesetzten oder angedrohten Gewalt bei den zu prognostizierenden Straftaten eine mitbestimmende Rolle.

Rz. 8

c) Die Strafkammer hat ferner nicht berücksichtigt, dass die vom Bundesverfassungsgericht geforderte strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung dahin zu verstehen ist, dass bei beiden Elementen der Gefährlichkeit, das heißt, nicht nur der Erheblichkeit weiterer Straftaten, sondern auch der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung, ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengerer Maßstab anzulegen ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2011 – 3 StR 175/11, NStZ 2011, 692; Beschlüsse vom 13. September 2011 – 5 StR 189/11, Rn. 21 und vom 26. Oktober 2011, aaO, Rn. 7). Die – gegenüber bisherigen Maßstäben – erhöhte Gefährlichkeit muss im Übrigen „aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen” abzuleiten sein. Auch dies stellt höhere Anforderungen an die bislang vom Gesetz als Beurteilungsgrundlage für die Gefährlichkeitsprognose geforderte „Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten” (BGH, Urteil vom 4. August 2011, aaO). Diese konkreten Umstände (wie etwa Anzahl und Frequenz der Vorstrafen, Tatbilder der Vor- und Anlasstaten, psychische Störungen des Angeklagten) sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu benennen.

Rz. 9

d) Der Senat hebt die Maßregelanordnung mit den Feststellungen auf, um eine umfassende Prüfung der materiellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 StGB durch das neue Tatgericht zu ermöglichen.

 

Unterschriften

Raum, Brause, Schaal, Schneider, Bellay

 

Fundstellen

Haufe-Index 2910763

NStZ 2012, 6

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • Haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen / 7.3 Begünstigte Aufwendungen
    2.688
  • Abgrenzung von Anschaffungskosten, Herstellungskosten un ... / 5 Anschaffungsnaher Aufwand
    1.681
  • Rohrverstopfung (Mietrecht)
    1.180
  • Gewerblicher Grundstückshandel / 2.2 Erwerb und Veräußerung innerhalb von 5 Jahren
    1.169
  • § 57 Zivilprozessrecht / II. Muster: Klageschriften
    1.145
  • § 2 Die Gebühren nach dem RVG / 1. Einigungsgebühr, Nr. 1000, 1003, 1004 VV RVG
    1.116
  • Die verbilligte Vermietung von Wohnungen
    1.098
  • Lebensalter / 1 Vollendung eines Lebensjahres
    997
  • Garage/Stellplatz im Mietrecht / 6 Umsatzsteuerbefreiung?
    860
  • § 2 Die Gebühren nach dem RVG / III. Anerkenntnis
    834
  • Kündigungsfristen (Miete) / 3 Kündigungsfrist bei Geschäftsräumen
    814
  • § 57 Zivilprozessrecht / 2. Muster: Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz
    801
  • § 57 Zivilprozessrecht / I. Muster: Anzeige der Verteidigungsbereitschaft
    787
  • § 7 Testamentsgestaltung / III. Berliner Testament mit Supervermächtnis
    759
  • Auslandskinder / 5.2 Kinder- und Bedarfsfreibetrag
    731
  • § 4 Arbeitsrecht / 4. Muster: Kündigungsschutzklage
    730
  • § 9 Prozessuales / a) Muster: Berufungsbegründung
    729
  • Abgrenzung von Anschaffungskosten, Herstellungskosten un ... / 6.1 Die wesentliche Verbesserung eines Gebäudes
    718
  • Schwangerschaft: Beschäftigungsverbot oder Arbeitsunfähigkeit
    705
  • § 57 Zivilprozessrecht / IV. Muster: Einspruch gegen Versäumnisurteil mit Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung
    686
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop

Produktempfehlung


Zum Thema Recht
Bundesgerichtshof: Polizeibeamter darf polizeiinterne Vorgänge nicht an Presse weitergeben
Polizeiabsperrung mit Flatterband, hinten Streifenwagen und Polizeibeamter
Bild: mauritius images / imageBROKER / Alex T.

Mit Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes hat das Thema Whistleblowing auch im öffentlichen Dienst an Aufmerksamkeit gewonnen. Vorsicht ist dabei insbesondere geboten, wenn Dienst- oder Privatgeheimnisse tangiert sind oder personenbezogene Daten verarbeitet werden. Denn bei Rechtsverstößen drohen empfindliche Strafen, wie ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs zeigt. Ein Polizeibeamter hatte einen befreundeten Journalisten unerlaubt über zahlreiche polizeiinterne Vorgänge informiert.


Gesetzliche Vorgaben sicher umsetzen: Geldwäscherecht
Geldwäscherecht
Bild: Haufe Shop

Das Buch fokussiert sich auf die wesentlichen Themen des Geldwäscherechts. Anhand von Checklisten, zahlreichen Praxisbeispielen und Arbeitshilfen ermöglicht es eine sichere und effiziente Umsetzung der regulatorischen Anforderungen. 


BGH 5 StR 593/12
BGH 5 StR 593/12

  Verfahrensgang LG Dresden (Urteil vom 30.07.2012)   Tenor Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 30. Juli 2012 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der ...

4 Wochen testen


Newsletter Recht
Bild: Haufe Online Redaktion
Newsletter Recht - Wirtschaftsrecht

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Wirtschaftsrecht frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Gewerblicher Rechtsschutz
  • Vertriebsrecht
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Sie müssen den AGB zustimmen
Haufe Fachmagazine
Zum Recht Archiv
Themensuche A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #
Haufe Group
Haufe People Operations
Haufe Fachwissen
Haufe HR-Software
Haufe Digitale Personalakte
Advolux
Haufe Onlinetraining
rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS
Newsletter
FAQ
Mediadaten
Presse
Editorial Code of Conduct
Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz
Netiquette
Sitemap
Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt

Kontakt & Feedback
AGB

Compliance
Datenschutz
Impressum
Haufe Shop Recht
Anwaltssoftware
Anwaltliches Fachwissen Software
Gesellschafts- & Wirtschaftsrecht Lösungen
Alle Recht Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren