Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BGH Beschluss vom 23.08.2007 - 1 StR 466/05

Sie haben bereits ein Haufe Produkt? Hier anmelden
 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 06.04.2005)

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 15.01.2009; Aktenzeichen 2 BvR 2044/07)

BVerfG (Beschluss vom 27.02.2008; Aktenzeichen 2 BvR 2044/07)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 6. April 2005 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Rz. 1

Das Landgericht München I hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten, der der Erfolg versagt bleibt (§ 349 Abs. 2 StPO).

Rz. 2

1. Der Angeklagte beanstandet mit einer Verfahrensrüge die fehlende Verlesung des Anklagesatzes aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 20. Januar 2005 – Verletzung des § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO.

a) Dem liegt Folgendes zugrunde:

Rz. 3

Die Sitzungsniederschrift über die Hauptverhandlung, die am 29. März 2005 begann, enthielt in ihrer ursprünglichen, unberichtigten Fassung keinen Vermerk über die Verlesung des Anklagesatzes. Das Protokoll wies keine aus sich heraus offensichtlichen Lücken, Unklarheiten oder Widersprüche auf, die seine Beweiskraft (§ 274 StPO) hätte entfallen lassen können.

Rz. 4

Mit der am 7. Juli 2005 beim Landgericht eingegangenen Revisionsbegründung rügte der Angeklagte, dass der Anklagesatz nicht verlesen wurde.

Rz. 5

Laut der hierauf abgegebenen dienstlichen Äußerungen des Vorsitzenden, der Beisitzer, der Schöffen sowie der Urkundsbeamtin der Strafkammer und des Sitzungsstaatsanwalts handelte es sich lediglich um ein Protokollierungsversehen. Tatsächlich sei der Anklagesatz verlesen worden.

Rz. 6

Der Vorsitzende vermerkte und verfügte hierzu am 25. Juli 2005:

„Sowohl der Vorsitzende Richter G. als auch die am 29.03.2005 eingesetzte Urkundsbeamtin … T. sind sich sicher, dass das Sitzungsprotokoll, welches die Verlesung des Anklagesatzes durch den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nicht erwähnt, diesbezüglich falsch ist.

Es ist daher beabsichtigt, das Protokoll vom 29.03.2005 auf Seite 2 (Bl. 1076 der Akten) nach dem vierten Textabsatz nach den Worten ‚unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen’ um den Satz:

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft verlas den Anklagesatz.

zu ergänzen.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 10. August 2005.

Prof. Dr. Z., der an der Hauptverhandlung teilgenommen hat, wird zusätzlich gebeten, sich binnen gleicher Frist darüber zu äußern, ob nach seiner Erinnerung der Anklagesatz in der Sitzung vom 29.03.05 verlesen wurde.”

Prof. Dr. Z. erklärte sich am 1. August 2005 wie folgt:

„An den entsprechenden Verfahrensabschnitt kann ich mich nicht konkret erinnern; die Verlesung der Anklageschrift stellt einen Routinevorgang dar. Allerdings vermute ich, dass ich mich hieran erinnern könnte, wenn die Anklageschrift nicht verlesen worden wäre, weil dies einen ungewöhnlichen Verfahrensablauf darstellen würde. Auch diese Überlegung führt aber nicht zu einer konkreten Erinnerung. Aufgrund dieses Rückschlusses erscheint es mir aber durchaus möglich, dass die Erinnerung der Urkundspersonen zutreffend ist.”

Rz. 7

Der Vorsitzende der Strafkammer und die Protokollführerin haben dann am 18. August 2005 die Ergänzung der Sitzungsniederschrift vom 29. März 2005 an der oben genannten Stelle um den Satz „Der Vertreter der Staatsanwaltschaft verlas den Anklagesatz” – ohne weitere Begründung – beschlossen.

Rz. 8

b) Die Frage der Geltung der Beweiskraft des Protokolls im Sinne von § 274 StPO auch dann, wenn aufgrund einer Protokollberichtigung hinsichtlich einer vom Angeklagten zulässig erhobenen Verfahrensrüge zu Ungunsten des Angeklagten die maßgebliche Tatsachengrundlage entfällt, hat der Senat gemäß § 132 Abs. 2 und 4 GVG – nach Anfrage bei den übrigen Strafsenaten (§ 132 Abs. 3 GVG) – dem Großen Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs zur Entscheidung vorgelegt. Dieser hat mit Beschluss vom 23. April 2007 – GSSt 1/06 – wie folgt entschieden:

  1. „Durch eine zulässige Berichtigung des Protokolls kann auch zum Nachteil des Beschwerdeführers einer bereits ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge die Tatsachengrundlage entzogen werden.
  2. Die Urkundspersonen haben in einem solchen Fall vor einer beabsichtigten Protokollberichtigung den Beschwerdeführer anzuhören. Widerspricht er der beabsichtigen Berichtigung substanziiert, sind erforderlichenfalls weitere Verfahrensbeteiligte zu befragen. Halten die Urkundspersonen trotz des Widerspruchs an der Protokollberichtigung fest, ist ihre Entscheidung mit Gründen zu versehen.
  3. Die Beachtlichkeit der Protokollberichtigung unterliegt im Rahmen der erhobenen Verfahrensrüge der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Im Zweifel gilt insoweit das Protokoll in der berichtigten Fassung.”

Rz. 9

c) Danach erweist sich die Rüge eines Verstoßes gegen § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO als unbegründet.

Rz. 10

Ausweislich des berichtigten Protokolls ist die Verlesung des Anklagesatzes bewiesen (§ 274 StPO).

Rz. 11

Die erst nach der Revisionsbegründung vorgenommene Protokollberichtigung ist beachtlich, auch wenn erst dadurch der Rüge die tatsächliche Grundlage entzogen wurde. Die Protokollberichtigung kam entsprechend den Vorgaben des Großen Senats für Strafsachen des Bundesgerichtshofs zustande. Der Beschwerdeführer wurde vor der beabsichtigten Berichtigung gehört. Er hat dieser nicht nur nicht substanziiert widersprochen, er hat sogar – wenn auch etwas verklausuliert – deren Berechtigung anerkannt. Auf die weiteren dienstlichen Äußerungen anderer Beteiligter kommt es daher nicht mehr an. Auch musste die Berichtigung von den Urkundspersonen nicht weiter begründet werden.

Rz. 12

2. Die Sachrüge ist aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 21. Oktober 2005 dargestellten Gründen unbegründet.

Rz. 13

3. Die mit der Durchführung des Vorlageverfahrens gemäß § 132 Abs. 2 bis 4 GVG verbundene Verfahrensverlängerung ist nicht rechtstaatswidrig. Anderes gilt auch nicht deshalb, weil Ausgangspunkt ein Protokollierungsversehen war. Dieses war offensichtlich. Dass der Anklagesatz tatsächlich verlesen wurde, wussten alle am Verfahren Beteiligten. Dies wird auch vom Verteidiger des Angeklagten nicht in Abrede gestellt. Die Rüge der Verletzung formellen Rechts (§ 243 Abs. 3 Satz 3 StPO) wurde damit bewusst auf eine tatsächlich unwahre Grundlage gestützt unter Hinweis auf die – vorläufige – formelle Wahrheit (§ 274 StPO) des noch nicht berichtigten Protokolls. Sie wurde auch nach der Berichtigung des Protokolls im Hinblick auf die frühere Rechtsprechung aufrechterhalten. Diese Vorgehensweise mag anders als ehedem (zur Änderung des anwaltlichen Ethos vgl. den Beschluss des Großen Senats in Strafsachen vom 23. April 2007 – GGSt 1/06 – Rdn. 54 ff.) als legitim angesehen werden. Die damit verbundene Verzögerung des Verfahrens hat der Beschwerdeführer dann aber selbst zu verantworten.

 

Unterschriften

Nack, Boetticher, Kolz, Hebenstreit, Graf

 

Fundstellen

Haufe-Index 2553629

NStZ 2007, 719

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • § 21 Insolvenzrecht / 3. Muster: Antrag des Schuldners auf vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung
    4
  • Kettenrauchender Nachbar – 20 % Mietminderung
    3
  • Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche: Vergemeinschaftung / 4 Die Entscheidung
    3
  • AGS 06/2022, Fragen und Lösungen / II. Gegenstandswert
    2
  • zfs 05/2021, Nicht angepasste Geschwindigkeit
    2
  • § 13 Die prozessuale Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen / 1. Allgemeines
    1
  • § 15 Verfahren durch das Gericht / I. Zulässigkeitsprüfung
    1
  • § 2 Allgemeiner Teil / II. Prozess-/Verfahrenskostenhilfe
    1
  • § 2 Gläubiger und Schuldner des Pflichtteilsanspruchs / B. Pflichtteilsberechtigung
    1
  • § 2 Vergleich und Abfindung / (2) Arbeitsagentur
    1
  • § 20 Handelsvertreterrecht / 4. Der Vertragsschluss
    1
  • § 28 Verfolgungsverjährung / 1. Beschränkte Rückwirkung auf den Erlasszeitpunkt
    1
  • § 3 Leistungsrecht und Regress des Sozialleistungsträger ... / V. Wiederherstellung des Nachrangs durch Kostenersatzansprüche/Kürzung der Leistungen (§§ 103, 26 SGB XII) wegen Ausschlagung/Verzicht/Verprassen u.Ä.
    1
  • § 4 Steuerrechtliche Aspekte, Geldwäsche / III. Steuerrechtliche Aspekte beim Schadenersatzpflichtigen
    1
  • § 8 ABC der Forderungspfändung / XIX. Muster: Antrag auf Aufhebung der Anordnung nach § 907 ZPO – Entgegenstehende Belange
    1
  • AGS 06/2011, Gesonderte Abrechnung der Aktenversendungsp ... / 2 Aus den Gründen
    1
  • AGS 08/2021, Anfechtung der Streitwertfestsetzung des BG ... / II. Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren
    1
  • AGS 11/2023, Erstattung der Reisekosten zum Termin trotz ... / IV. Bedeutung für die Praxis
    1
  • AGS Nr.11/2012, Anforderung an die Unterschrift unter eine anwaltliche Kostenrechnung
    1
  • Ausbildungsunterhalt: Unterhaltspflicht trotz eines Ausbildungswechsels
    1
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop

Produktempfehlung


Zum Thema Recht
Haufe Shop: Markenrecht in China
Markenrecht in China
Bild: Haufe Shop

Die Autorin erläutert knapp und verständlich, worauf deutsche Unternehmen im Umgang mit China beim Markenrechts achten müssen und welche Fallen zu vermeiden sind. Auch Wettbewerbsrecht, Copyrights, Domains und Designs in China werden berücksichtigt und mit dem chinesischen Markenrecht verknüpft.


BVerfG 2 BvR 2044/07
BVerfG 2 BvR 2044/07

  Verfahrensgang BGH (Beschluss vom 23.08.2007; Aktenzeichen 1 StR 466/05) LG München I (Urteil vom 06.04.2005; Aktenzeichen 1 Ks 124 Js 11851/04)   Tenor Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts ...

4 Wochen testen


Newsletter Recht
Newsletter Recht - Wirtschaftsrecht

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Wirtschaftsrecht frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Gewerblicher Rechtsschutz
  • Vertriebsrecht
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
Haufe Fachmagazine
Themensuche
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
Zum Recht Archiv
Haufe Group
Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Advolux Haufe Onlinetraining rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt
Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
Haufe Shop Recht
Anwaltssoftware Anwaltliches Fachwissen Software Gesellschafts- & Wirtschaftsrecht Lösungen Alle Recht Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren