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BGH Beschluss vom 19.05.2004 - XII ZA 11/03

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Formfreier Antrag zur Gewährung von Prozesskostenhilfe in Kindschaftssachen

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Darlegung der wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein minderjähriges unverheiratetes Kind in einer Kindschaftssache ist es auch in einem formfreien Antrag notwendig, dass Angaben zur Unterhaltspflicht der Eltern gemacht werden.

 

Normenkette

ZPO § 117 Abs. 4

 

Verfahrensgang

OLG Rostock (Aktenzeichen 11 WF 58/03)

 

Tenor

Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Das AG - FamG - hat mit Beschlüssen v. 9.12.1996 und 10.8.2001 unterbringungsähnliche Maßnahmen für die Antragstellerin genehmigt. Mit Beschluß v. 30.1.2003 hat das FamG den Beschluß v. 10.8.2001 abgeändert. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des Heims hat das OLG mit Beschluß v. 16.5.2003 die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufgehoben. Der Beschluss ist dem anwaltlichen Verfahrenspfleger der Antragstellerin am 26.5.2003 zugestellt worden. Der Verfahrenspfleger hat mit Schriftsatz v. 25.6.2003 per Fax Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechtsbeschwerdeverfahren beantragt. Allerdings sind nur die erste Seite des Antrags (am 25.6.2003) sowie der Beschluss des OLG beim BGH eingegangen; die zweite Seite des Prozesskostenhilfegesuchs mit dem formulierten Antrag und der Unterschrift des Verfahrenspflegers ist nicht übermittelt worden. Im Original ist der zweiseitige Antrag dann auf dem Postweg am 28.6.2003 beim BGH eingegangen. Er enthält auf S. 2 folgenden Satz:

"Als bestellter Verfahrenspfleger versichere ich hiermit ausdrücklich, dass die Antragstellerin weder über eigene Einkünfte noch über einzusetzendes Vermögen verfügt. Die Heimkosten werden vom Jugendamt getragen. J. ist mittellos."

Der Vordruck für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist dem Antrag - auch im Original - nicht beigefügt. Nach einem Hinweis des Rechtspflegers beim BGH hat der Verfahrenspfleger mit einem am 7.7.2003 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Wiedereinsetzung in die Rechtsbeschwerdefrist beantragt und - unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der von ihm angestellten Bürokraft - geltend gemacht, er habe die Bürokraft ausdrücklich angewiesen, das Prozesskostenhilfegesuch per Fax an den BGH zu senden, den Sendebericht zu kontrollieren und beim Sendeergebnis "OK" sich vom BGH telefonisch den Eingang des vollständigen Schriftsatzes nebst Anlage bestätigen zu lassen. Diese Weisung habe die Bürokraft umgesetzt: Der zu den Akten gereichte Sendebericht weise ein "OK" aus; der BGH habe der Bürokraft auf deren telefonische Nachfrage am 25.6.bestätigt, dass das Fax vollständig angekommen sei. Dem Wiedereinsetzungsgesuch ist ein vom Verfahrenspfleger am 4.7.2003 ausgefüllter und unterschriebener PKH-Vordruck beigefügt. Danach bezieht die Antragstellerin keine Unterhaltsleistungen; das Vorhandensein von Forderungen wird verneint.

II.

Der Antragstellerin war die begehrte Prozesskostenhilfe zu versagen, da die von ihr beabsichtigte Rechtsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO). Die vom OLG zugelassene Rechtsbeschwerde, für deren Durchführung die Antragstellerin Prozesskostenhilfe begehrt, ist zwar statthaft. Die Rechtsbeschwerde kann jedoch nicht mehr fristgerecht eingelegt werden. Auch kann der Antragstellerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.

1. Demjenigen, der für die Durchführung eines Rechtsmittels Prozesskostenhilfe beantragt, kann, wenn er das Rechtsmittel nicht fristgerecht einlegt, Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist nur gewährt werden, wenn er innerhalb dieser Frist Prozesskostenhilfe beantragt hat oder wenn er glaubhaft macht, dass ihn an der Fristversäumung kein Verschulden trifft (§ 233 ZPO). Ein Verschulden seines Verfahrenspflegers muss sich der Rechtsmittelführer dabei wie ein eigenes Verschulden zurechnen lassen (vgl. § 51 Abs. 2, § 85 Abs. 2 ZPO).

Die Antragstellerin hat nicht innerhalb der Rechtsbeschwerdefrist Prozesskostenhilfe beantragt. Die per Fax übermittelte Antragsschrift ist ohne die S. 2 - mithin ohne formulierten Antrag und ohne Unterschrift - beim BGH eingegangen; der vollständige Schriftsatz hat den BGH erst nach Ablauf der Rechtsbeschwerdefrist erreicht. Die Antragstellerin hat auch nicht dargetan, dass ihren Verfahrenspfleger an dieser Fristversäumung kein Verschulden trifft. Die unvollständige Übermittlung des Antrags beruht offenkundig auf dem Umstand, dass nur die erste Seite der zweiseitigen Antragsschrift und der ihr beigefügte neunseitige Beschluss des OLG zur Absendung per Fax gelangt sind. Das ergibt sich aus dem Sendeprotokoll, das die Übermittlung von nur zehn Seiten ausweist; bei vollständiger Übermittlung von Schriftsatz und Anlage hätten elf Seiten übermittelt werden müssen. Die zu den Akten gelangten Seiten des Fax-Schreibens sind zudem durchnummeriert. Auf die S. 1 des Faxschreibens mit der ersten Seite der Antragsschrift folgen dabei als Seiten zwei bis zehn des Faxschreibens sodann die neun Seiten des Beschlusses des OLG. Die Antragstellerin hat keine Gründe vorgetragen, welche die Absendung des unvollständigen Antragsschriftsatzes erklären. Deshalb ist auch nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass der Verfahrenspfleger mit der Anweisung an die Bürokraft, den Antrag per Fax abzusenden und den Sendebericht zu kontrollieren, alles Erforderliche getan hat, um einen Zugang des Antrags innerhalb der Rechtsbeschwerdefrist zu gewährleisten. Vielmehr ist vorstellbar, dass dem Verfahrenspfleger selbst ein Fehler unterlaufen ist, indem er der Bürokraft nicht die vollständige und von ihm unterschriebene Antragsschrift nebst Anlage ausgehändigt hat; einen solchen Fehler müsste sich die Antragstellerin als eigenes Verschulden zurechnen lassen.

2. Letztlich kann diese Frage allerdings offen bleiben. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist einer Partei auch dann, wenn sie vor Ablauf der Rechtsmittelfrist zur Durchführung des Rechtsmittels Prozesskostenhilfe beantragt hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozesskostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen musste (vgl. etwa BGH v. 12.6.2001 - XI ZR 161/01, BGHZ 148, 66 [69] = MDR 2001, 1312 = BGHReport 2001, 750; Beschl. v. 27.11.1996 - XII ZB 84/96, BGHR ZPO § 233 Prozesskostenhilfegesuch 5 m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.

Auch wenn nämlich der Verfahrenspfleger seiner Bürokraft den vollständigen und unterschriebenen Prozesskostenhilfeantrag übergeben und die seiner Bürokraft erteilte Weisung auch die Anordnung umfasst hätte, diesen Antrag vollständig zu übermitteln und die Übermittlung auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen, so hätte der Verfahrenspfleger dennoch vernünftigerweise nicht damit rechnen können, dass dem Prozesskostenhilfegesuch der Antragstellerin auf Grund dieses Antrags entsprochen werden würde; denn er konnte nicht davon ausgehen, mit seinem Antrag die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Antragstellerin dargetan zu haben. Im Regelfall schreibt § 117 Abs. 4 ZPO (i.V.m. § 14 FGG) zwingend vor, dass sich der Antragsteller zur Darlegung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des durch die Verordnung v. 17.10.1994 (BGBl. I, 3001) eingeführten Vordrucks bedienen muss. Ein Antragsteller kann deshalb grundsätzlich nur dann davon ausgehen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben, wenn er rechtzeitig (vor Ablauf der Rechtsmittelfrist) einen solchen Vordruck ordnungsgemäß ausgefüllt zu den Akten gereicht hat (vgl. BGH, Beschl. v. 31.8.2000 - XII ZB 141/00, BGHR ZPO § 117 Abs. 4 Vordruck 4). § 2 Abs. 1 S. 1 der erwähnten Verordnung sieht zwar vor, dass ein minderjähriges unverheiratetes Kind, das in einer Kindschaftssache (§ 640 Abs. 2 ZPO) oder in einem Verfahren über Unterhalt seine Rechte verfolgen oder verteidigen oder einen Unterhaltsanspruch vollstrecken will, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse formfrei abgeben kann, den Vordruck also nicht benutzen muss. Diese Befreiung vom Vordruckzwang kommt der Antragstellerin jedoch nicht zugute. Ein Verfahren der in § 2 Abs. 1 S. 1 der Verordnung genannten Art liegt hier nicht vor. Außerdem verlangt § 2 Abs. 1 S. 2 der Verordnung, dass ein Kind, das die Erklärung über seine wirtschaftlichen Verhältnisse formfrei abgibt, u.a. Angaben darüber macht, wie es seinen Lebensunterhalt bestreitet (§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VO) und insbes. welche Einnahmen im Monat die Personen haben, die ihm auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht Unterhalt gewähren (§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VO). Dem Prozesskostenhilfeantrag der Antragstellerin sind jedenfalls zur Unterhaltspflicht ihrer Eltern keine verlässlichen Angaben zu entnehmen. Solcher Angaben bedarf es jedoch um zu prüfen, ob die Antragstellerin von ihren Eltern einen Prozesskostenvorschuss verlangen und deshalb keine Prozesskostenhilfe beanspruchen kann. Der bloße Hinweis des Verfahrenspflegers, die Heimkosten würden vom Jugendamt getragen und die Antragstellerin sei mittellos, lässt eine solche abschließende Prüfung nicht zu.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1176412

BGHR 2004, 1449

FamRZ 2004, 1548

FuR 2005, 139

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