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BGH Beschluss vom 09.02.2005 - XII ZB 118/04

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Versorgungsausgleich: unwirksamer ehevertraglicher Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei Eingang des Ehescheidungsantrages innerhalb der Jahresfrist

 

Leitsatz (amtlich)

a) Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs durch Ehevertrag ist auch dann unwirksam, wenn innerhalb eines Jahres nach Vertragsschluss ein Antrag auf Scheidung der Ehe bei Gericht eingegangen und zwar erst nach Ablauf der Jahresfrist, aber noch "demnächst" i.S.v. § 167 ZPO zugestellt worden ist.

b) Eine Zustellung ist selbst nach längerer Zeit (hier: etwas mehr als zwei Monate) noch als demnächst erfolgt anzusehen, wenn der Antragsteller alles ihm für eine fristgerechte Zustellung Zumutbare getan und die Verzögerung nicht schuldhaft herbeigeführt hat.

 

Normenkette

BGB § 1408 Abs. 2 S. 2; ZPO § 167

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Beschluss vom 20.02.2004; Aktenzeichen 7 UF 236/03)

AG Soest

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des 7. Senats für Familiensachen des OLG Hamm v. 20.2.2004 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 2.076 EUR.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten um die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Sie schlossen am 1.6.1979 die Ehe und leben seit Ende 2001 dauernd getrennt. Kinder sind aus ihrer Ehe nicht hervorgegangen. Am 26.11.2001 schlossen sie eine notarielle Scheidungsfolgenvereinbarung, die neben einem wechselseitigen Unterhaltsverzicht u.a. einen Verzicht auf Durchführung des Versorgungsausgleichs enthält.

Mit Antrag v. 7.11.2002, der beim zuständigen AG Soest am 8.11.2002 einging, beantragte die Antragstellerin, die Ehe der Parteien zu scheiden. Zugleich beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und fügte dem Scheidungsantrag Kopien einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse v. 17.9.2002 nebst Anlagen bei, die sie im Original in einem Unterhaltsverfahren vor demselben Gericht eingereicht hatte. Gleichzeitig versicherte sie, dass sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen seitdem nichts geändert habe. Dem Scheidungsantrag war die Scheidungsfolgenvereinbarung auszugsweise in Kopie beigefügt. Zugleich wies die Antragstellerin auf den Ausschluss des Versorgungsausgleichs hin und erklärte ausdrücklich:

"In Anbetracht der Ehezeitdauer und des Umstandes, dass die Antragstellerin kaum bzw. teilzeitbeschäftigt war, soll mit dem vorliegenden Scheidungsantrag gem. § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB diese Regelung außer Kraft gesetzt werden."

Sie beantragte deswegen, "den Scheidungsantrag im Hinblick auf die Regelung des § 65 Abs. 7 Ziff. 3 und 4 GKG sofort zuzustellen".

Der Scheidungsantrag wurde beim zuständigen AG Soest zunächst nicht bearbeitet. Auf eine Sachstandsanfrage v. 15.1.2003, die am 18.1.2003 einging, wurde der Scheidungsantrag dem Antragsgegner am 21.1.2003 zugestellt.

Während der Ehezeit (1.6.1979 bis 31.12.2002; § 1587 Abs. 2 BGB) erwarben beide Ehegatten Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Landesversicherungsanstalt Westfalen, und zwar die am 14.3.1960 geborene Antragstellerin i.H.v. 410,40 EUR und der am 3.4.1954 geborene Antragsgegner i.H.v. 756,32 EUR, jeweils monatlich und bezogen auf den 31.12.2002.

Das AG - FamG - hat die Ehe der Parteien geschieden (insoweit rechtskräftig) und im Wege des Splittings Rentenanwartschaften des Antragsgegners i.H.v. monatlich 172,96 EUR auf das Versicherungskonto der Antragstellerin übertragen. Die gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich gerichtete Beschwerde des Antragsgegners hat das OLG zurückgewiesen. Dagegen richtet sich seine vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§§ 621e Abs. 2, 574 Abs. 3 S. 2 ZPO), aber nicht begründet.

1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung zu Recht auf § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB gestützt, wonach ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs unwirksam ist, wenn innerhalb eines Jahres nach Vertragsschluss ein Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt wird. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats setzt eine Antragstellung im Sinne dieser Vorschrift die Erhebung des Scheidungsantrags durch Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner voraus (BGH, Beschl. v. 4.10.1984 - IVb ZB 153/82, MDR 1985, 304 = FamRZ 1985, 45 [46 f.], m.w.N.). Zwar genügt ein Scheidungsantrag, der mit der Erklärung verbunden ist, er werde nur für den Fall der Bewilligung der zugleich beantragten Prozesskostenhilfe erhoben, den Anforderungen des § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB nicht (BGH, Beschl. v. 16.9.1998 - XII ZB 104/96, MDR 1999, 40 = FamRZ 1999, 155 [156]). Zutreffend und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen führt das Berufungsgericht aber aus, dass der Scheidungsantrag hier unbedingt erhoben wurde und die Antragstellerin zugleich beantragt hatte, den Antrag gem. § 65 Abs. 7 Ziff. 3 und 4 GKG a.F. (jetzt § 14 Nr. 3 GKG) sofort und noch vor der Entscheidung über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zuzustellen.

2. Allerdings wurde der Scheidungsantrag trotz des ausdrücklichen Antrags nicht innerhalb der am 26.11.2002 abgelaufenen Frist des § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB zugestellt. Das ist nach den zutreffenden Ausführungen des Beschwerdegerichts aber unerheblich, weil die Zustellung "demnächst" i.S.v. § 167 ZPO erfolgt ist und deswegen auf den rechtzeitigen Eingang des Antrags bei Gericht zurückwirkt (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 167 Rz. 3). Damit ist der Ausschluss des Versorgungsausgleichs gem. § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB unwirksam geworden.

a) Ob eine Zustellung noch "demnächst" i.S.d. § 167 ZPO erfolgt ist und deswegen auf den Eingang der Antragsschrift zurückwirkt, kann nicht aus einer rein zeitlichen Betrachtungsweise geschlossen werden. Die Vorschrift will die Parteien vielmehr allgemein vor Nachteilen durch eine verzögerte Zustellung von Amts wegen bewahren, die innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs liegt und von den Parteien nicht beeinflusst werden kann (BGH v. 31.10.2000 - VI ZR 198/99, BGHZ 145, 358 [362] = MDR 2001, 164 = BGHReport 2001, 54). Einer Partei sind deswegen nur solche Verzögerungen zurechenbar, die sie oder ihr Prozessbevollmächtigter bei sachgerechter Prozessführung hätte vermeiden können. Der Zeitraum, dessen ungenutztes Verstreichen einer Partei nicht angelastet werden kann, hat deshalb bei der Beurteilung der Frage, ob eine Zustellung demnächst i.S.v. § 167 ZPO erfolgt ist, jedenfalls dann außer Betracht zu bleiben, wenn schutzwürdige Belange der Gegenpartei nicht entgegenstehen. Die Zustellung ist daher selbst nach längerer Zeit noch als "demnächst" erfolgt anzusehen, wenn die Verzögerung vom Antragsteller oder seinem Vertreter nicht schuldhaft herbeigeführt worden ist. Davon ist auszugehen, wenn der Antragsteller alles ihm für eine alsbaldige Zustellung Zumutbare getan hat (BGH v. 16.12.1987 - VIII ZR 4/87, BGHZ 103, 20 [28 f.]; Urt. v. 5.2.2003 - IV ZR 44/02, MDR 2003, 568 = BGHReport 2003, 483 = NJW-RR 2003, 599 [600]; v. 11.7.2003 - V ZR 414/02, BGHReport 2003, 1153 = MDR 2003, 1368 = NJW 2003, 2830 [2831). Das ist hier der Fall.

b) Die Antragstellerin hat einen unbedingten Scheidungsantrag erhoben und neben der Bewilligung von Prozesskostenhilfe die sofortige Zustellung gem. § 65 Abs. 7 Ziff. 3 und 4 GKG a.F. (jetzt § 14 Nr. 3 GKG) beantragt. Die Voraussetzungen der sofortigen Zustellung hat sie ausreichend durch Vorlage der Scheidungsfolgenvereinbarung und ergänzenden Vortrag zu den erheblichen Auswirkungen des dort vereinbarten Ausschlusses des Versorgungsausgleichs glaubhaft gemacht. Dabei gereicht es ihr auch nicht zum Verschulden, dass sie ihren Antrag auf sofortige Zustellung in der Begründung nicht besonders hervorgehoben hat. Denn regelmäßig obliegt es dem Gericht auch ohne besonderen Hinweis, die Schriftsätze der Parteien entgegenzunehmen und die darin enthaltenen Anträge zu bescheiden. Das gilt umso mehr, weil der Antrag auf sofortige Zustellung nicht etwa Teil einer längeren Begründung ist, sondern trotz der fehlenden Hervorhebung innerhalb der sehr kurzen Begründung sofort ins Auge fällt. Einer Partei ist es schon nicht zurechenbar, wenn das Gericht seinerseits, etwa durch nicht gebotene Rückfragen oder Zwischenverfügungen, zur Zustellungsverzögerung beigetragen hat (BGH v. 4.2.1997 - VI ZR 306/95, BGHZ 134, 343 [352] = MDR 1997, 459; v. 31.10.2000 - VI ZR 198/99, BGHZ 145, 358 [363] = MDR 2001, 164 = BGHReport 2001, 54). Das gilt erst recht, wenn das Gericht von der Bearbeitung eines Antrags vollständig Abstand genommen hat. Selbst über die zugleich beantragte Prozesskostenhilfe hätte das zuständige AG nach Anhörung des Antragsgegners noch rechtzeitig entscheiden können. Denn die Bezugnahme auf eine erst wenige Monate zuvor bei demselben Gericht eingereichte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse genügt den Anforderungen des § 117 Abs. 2 und 4 ZPO, wenn - wie hier - zugleich versichert wird, dass seit Abgabe der früheren Erklärung keine Änderungen eingetreten sind (BGH v. 12.6.2001 - XI ZR 161/01, BGHZ 148, 66 [69] = MDR 2001, 1312 = BGHReport 2001, 750). Die verspätete Zustellung des Scheidungsantrags ist deswegen nicht auf fehlerhafte oder unvollständige Anträge, sondern allein darauf zurückzuführen, dass die Sache beim AG gänzlich unbearbeitet geblieben ist.

Der Antragstellerin ist es auch nicht vorwerfbar, das Gericht nicht früher an die Bearbeitung ihres Antrags erinnert zu haben. Zwar muss selbst ein Kläger, der seinerseits zunächst alles Erforderliche getan hat, um die sofortige Zustellung seines Antrags zu veranlassen, einer späteren Verzögerung der Zustellung entgegentreten. Droht eine solche aus unerklärlichen Gründen, muss er sich bei dem Gericht nach den Ursachen erkundigen (BGH, Urt. v. 1.4.2004 - IX ZR 117/03, BGHReport 2004, 1053 = MDR 2004, 1076 = FamRZ 2004, 1368). Der Umfang dieser Verpflichtung hängt allerdings wesentlich davon ab, ob die Partei infolge eigenen nachlässigen Verhaltens mit der fehlenden Zustellung rechnen musste. Hat ein Antragsteller hingegen - wie hier - alles zur Zustellung des Scheidungsantrages Erforderliche getan, ist ihm ein Abwarten von wenig mehr als zwei Monaten seit Antragseingang nicht vorwerfbar. Der verstrichene Zeitraum fällt dann allein in den Verantwortungsbereich des Gerichts, ist der Antragstellerin nicht zurechenbar und bleibt somit bei Anwendung des § 167 ZPO außer Betracht.

3. Letztlich kommt es deswegen auf die streitige Behauptung der Antragstellerin, der Antragsgegner sei noch vor Ablauf der Jahresfrist über den bei Gericht anhängigen Scheidungsantrag informiert gewesen und deswegen nicht schutzwürdig, nicht an. Weil der Ausschluss des Versorgungsausgleichs schon nach § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB unwirksam ist, kommt es auch nicht darauf an, ob die Vereinbarung der Parteien auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des Senats einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB standhält (BGH, Urt. v. 11.2.2004 - XII ZR 265/02, BGHZ 158, 81 = MDR 2004, 573 = BGHReport 2004, 516 = FamRZ 2004, 601; v. 6.10.2004 - XII ZB 110/99, MDR 2005, 216 = BGHReport 2005, 247 = FamRZ 2005, 26 f.; v. 12.1.2005 - XII ZR 238/03, z.V.b.).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1329125

NJW 2005, 1194

BGHR 2005, 792

EBE/BGH 2005, 91

FamRZ 2005, 598

FuR 2005, 267

DNotI-Report 2005, 86

FPR 2005, 162

MDR 2005, 754

ZFE 2005, 166

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