Haufe.de Shop
Service & Support
Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BGH Beschluss vom 08.11.2016 - VI ZR 512/15

Sie haben bereits ein Haufe Produkt? Hier anmelden
 

Leitsatz (amtlich)

Zum Vorliegen eines Gehörsverstoßes in einem Arzthaftungsprozess.

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 544 Abs. 7

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Urteil vom 02.07.2015; Aktenzeichen 20 U 91/14)

LG Berlin (Urteil vom 29.04.2014; Aktenzeichen 8 O 495/12)

 

Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des KG vom 2.7.2015 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren wird auf bis 45.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Rz. 1

Im November 2011 wurden der Klägerin im Krankenhaus der Beklagten operativ Krampfadern im linken Bein entfernt. Postoperativ zeigten sich infolge einer Schädigung des Nervus Peroneus eine Fußheberschwäche und eine Gefühlsstörung. Unter anderem mit der Behauptung, die Nervschädigung beruhe auf Behandlungsfehlern der sie operierenden Ärzte der Beklagten, nimmt die Klägerin die Beklagte auf materiellen und immateriellen Schadensersatz in Anspruch.

Rz. 2

Das LG hat die Klage abgewiesen. Das KG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

Rz. 3

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gem. § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die Klägerin rügt zu Recht, das Berufungsgericht habe ihren Anspruch aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

Rz. 4

1. Land- und Berufungsgericht haben einen Schadensersatzanspruch der Klägerin verneint und zur Begründung u.a. ausgeführt, der Beklagten seien keine Behandlungsfehler unterlaufen. Der gerichtliche Sachverständige habe - so das LG - zwar erläutert, dass eine Durchtrennung des Nervs bei der Operation nicht geschehen dürfe und folglich einen Behandlungsfehler darstelle, angesichts der beginnenden Reinnervation habe er eine solche Durchtrennung aber ausgeschlossen. Es sei deshalb von einer bloßen Druckschädigung auszugehen, bei der es sich um ein typisches Operationsrisiko handle, die sich auch bei sorgfältigem Vorgehen nicht immer ausschließen lasse und auch im Streitfall nicht auf ein behandlungsfehlerhaftes Verhalten der Ärzte der Beklagten zurückzuführen sei. Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, einer (weiteren) sachverständigen neurologischen Abklärung, dass bei der Klägerin "nur" ein Kompressionsschaden vorliege, bedürfe es nicht. Denn der (Privat-) Sachverständige K. - Facharzt für Neurologie und Psychiatrie - habe bereits in seinem von der Klägerin selbst eingereichten Gutachten Zeichen einer beginnenden Reinnervation beschrieben und festgestellt, dass damit eine komplette Durchtrennung des Nervus Peroneus ausgeschlossen sei. Gleichermaßen habe sich der Gerichtssachverständige, bei dem es sich allerdings nicht um einen Neurologen handle, geäußert.

Rz. 5

2. Diese Ausführungen verletzen die Klägerin in entscheidungserheblicher Weise in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Die Nichtzulassungsbeschwerde legt zutreffend dar, gehörswidrig übergangen worden sei der Vortrag der Klägerin, vom Ausschluss einer - dann behandlungsfehlerhaften - vollständigen Durchtrennung des Nervs dürfe nicht darauf geschlossen werden, dass nur eine - dann nicht behandlungsfehlerhafte - Druckschädigung des Nervs vorliege, weil in Betracht komme, dass der Nerv teilweise durchtrennt worden sei, was dann auch als behandlungsfehlerhaft anzusehen sei.

Rz. 6

a) Gerichte sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen einer Partei ausdrücklich auseinanderzusetzen (BVerfG, Beschl. v. 12.9.2016 - 1 BvR 1311/16 Rz. 3, juris; BVerfGE 115, 166, 180; 54, 86, 91 f.; jeweils m.w.N.). Vielmehr ist auch ohne ausdrückliche Erwähnung von Parteivorbringen grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BVerfG, Beschl. v. 12.9.2016 - 1 BvR 1311/16, a.a.O.). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann aber dann festgestellt werden, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen hat (BVerfGE 54, 86, 91). Davon ist u.a. dann auszugehen, wenn das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingegangen ist, sofern er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts nicht unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG, Beschl. v. 12.9.2016 - 1 BvR 1311/16, a.a.O., m.w.N.).

Rz. 7

b) So liegt der Fall hier:

Rz. 8

aa) Nachdem der Sachverständige in seinem Gutachten vom 3.8.2013 zum einen ausgeführt hatte, dass aufgrund der beginnenden Reinnervation des verletzten Nervs eine - in jedem Fall behandlungsfehlerhafte - vollständige Durchtrennung des Nervs nicht angenommen werden könne, und er zum anderen davon ausgegangen war, dass eine bloße Druckschädigung nicht zwingend auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen sei, behauptete die Klägerin, die Ärzte der Beklagten hätten ihren Nerv (behandlungsfehlerhaft) teilweise durchtrennt. Nachdem der Vorwurf einer kompletten Durchtrennung entkräftet worden war, handelte es sich dabei um einen der Hauptvorwürfe der Klägerin, den sie bereits erstinstanzlich mehrfach wiederholte und auch im Berufungsverfahren wieder aufgriff. Der Vorwurf einer teilweisen Durchtrennung des Nervs gehörte damit - nach Entkräftung des Vorwurfs einer vollständigen Durchtrennung des Nervs - zum wesentlichen Kern des klägerischen Vortrags zur für das Verfahren zentralen Frage nach dem Vorliegen eines Behandlungsfehlers.

Rz. 9

bb) Land- und Berufungsgericht haben sich mit diesem Vorwurf nicht befasst. Weder die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils noch die Gründe des Berufungsurteils gehen auf ihn ein. Sie befassen sich insoweit allein mit der Abgrenzung einer - behandlungsfehlerhaften - kompletten Durchtrennung des Nervs einerseits und einer - nicht behandlungsfehlerhaften - Druckschädigung andererseits, nicht aber mit den Fragen, ob von einer teilweisen Durchtrennung des Nervs ausgegangen werden kann und ob eine solche ggf. einen Behandlungsfehler darstellte. Hinzu kommt, dass der Vorwurf der Klägerin, Ärzte der Beklagten hätten den Nervus Peroneus behandlungsfehlerhaft teilweise durchtrennt, im Verfahren auch sonst nicht aufgeklärt wurde. Zwar wurde der gerichtliche Sachverständige - ein Gefäßchirurg - im Rahmen seiner mündlichen Anhörung vor dem LG vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin darauf ausdrücklich angesprochen; er vermochte die diesbezüglich an ihn gerichtete Frage aber nicht abschließend zu beantworten, sondern erklärte:

"Wenn ich danach gefragt werde, ob es nicht auch sein kann, dass die Nervenbahnen angeritzt worden sind oder teildurchtrennt, so möchte ich darauf hinweisen, dass also viele Nervenfasern und -bündel gemeinsam verlaufen. Dabei ist es natürlich auch denkbar, dass es zu einer partiellen Durchtrennung kommt. Dann müsste es aber gleichwohl einen bleibenden Effekt geben. Der aktuelle neurologische Befund der Klägerin ist mir nicht bekannt. Im Übrigen ist dieser Bereich auch nicht der Bereich, für den ich sachverständig bin."

Rz. 10

Eine weitere Aufklärung erfolgte - trotz entsprechender Hinweise und Rügen auch im Berufungsverfahren - nicht.

Rz. 11

c) Der Gehörsverstoß ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht im Falle, es hätte sich mit der Möglichkeit einer teilweisen Durchtrennung des Nervs befasst, eine solche teilweise Durchtrennung und in der Folge auch einen von der Beklagten zu vertretenden Behandlungsfehler festgestellt hätte.

Rz. 12

3. Gemäß § 544 Abs. 7 ZPO war das angefochtene Urteil deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im weiteren Verfahren wird insb. zu klären sein, ob der Nervus Peroneus bei der Operation - wie von der Klägerin behauptet - teilweise durchtrennt wurde und, wenn ja, ob darin ein Behandlungsfehler zu sehen ist. Die erste Frage dürfte nur unter Hinzuziehung neurologischen Sachverstands beantwortet werden können, die zweite Frage - dem Grundsatz fachgleicher Begutachtung entsprechend - unter Inanspruchnahme gefäßchirurgischen Sachverstands.

 

Fundstellen

Haufe-Index 10021978

MDR 2017, 275

VersR 2017, 316

GesR 2017, 81

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 4 Wie groß sind die Grenzabstände?
    6.036
  • Abfall, Müll und Verwahrlosung im Nachbarrecht
    842
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 4.6 Niedersachsen
    639
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 4.1 Baden-Württemberg
    442
  • Gerüche aus der Nachbarschaft / 2.7 Rauchen auf dem Balkon
    400
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 4.12 Schleswig-Holstein
    368
  • Geh- und Fahrrecht
    295
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 4.5 Hessen
    260
  • Wärmepumpen / 6.2 Absetzbare Kosten bei der Einkommenssteuer für Gebäudesanierung
    222
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 4.8 Rheinland-Pfalz
    209
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 8 Die Ausschlussfrist für den Beseitigungs- und Rückschnittsanspruch
    209
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken
    166
  • Schlichtungsverfahren bei Nachbarstreitigkeiten
    134
  • Abfall, Müll und Verwahrlosung im Nachbarrecht / 1 Lagerung von Müll/Abfall auf dem Nachbargrundstück
    129
  • Betretungsrechte im Nachbarrecht
    128
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 4.13 Thüringen
    122
  • Mietrecht (ZertVerwV) / 3.2 Kündigung aus wichtigem Grund
    108
  • Grenzabstand für Bäume, Sträucher und Hecken / 4.4 Brandenburg
    89
  • Grunddienstbarkeit / 8.2.2 Verjährung
    80
  • Steuerrechtliche Möglichkeiten zur Abschreibung oder Kap ... / 3.6 Betriebsvorrichtung
    69
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt VerwalterPraxis Gold
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop

Produktempfehlung


Zum Thema Immobilien
Haufe Shop: Wertermittlung von Immobilien und Grundstücken
Wertermittlung von Immobilien und Grundstücken
Bild: Haufe Shop

Die Wertermittlung soll den aktuellen Verkehrswert eines bebauten oder unbebauten Grundstücks feststellen und ihn so darlegen, dass die einzelnen Schritte und das Ergebnis nachvollziehbar und nachprüfbar sind. Dieses Buch zeigt Ihnen alle notwendigen Schritte, um ein fundiertes Gutachten zu erstellen.


OLG Dresden 4 U 841/22
OLG Dresden 4 U 841/22

  Leitsatz (amtlich) 1. Wird bei der Entfernung eines pharyngealen Tumors im Halsdreieck der Nervus accessorius geschädigt, rechtfertigt dies keinen Anscheinsbeweis für einen Behandlungsfehler. 2. Der Verstoß gegen eine Pflicht, den Patienten wegen einer ...

4 Wochen testen


Newsletter Immobilien
Bild: Haufe Online Redaktion
Newsletter ImmobilienVerwaltung

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Immobilienverwaltung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Rechtsprechung
  • Miet- und Wohnungseigentumsrecht
  • energetische Sanierung
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Sie müssen den AGB zustimmen
Haufe Fachmagazine
Zum Immobilien Archiv
Themensuche A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #
Haufe Group
L'Immo-Podcast: Alle Folgen
Haufe Onlinetraining
Haufe HR-Software
Haufe Digitale Personalakte
Haufe Akademie
rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS
Newsletter
FAQ
Mediadaten
Presse
Editorial Code of Conduct
Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz
Netiquette
Sitemap
Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt

Kontakt & Feedback
AGB

Compliance
Datenschutz
Impressum
Haufe Immobilien Shop
Immobilien Lösungen
Immobilien-Verwaltung Produkte
Wohnungswirtschaft Lösungen
Private Vermietung Produkte
Alle Immobilien Produkte
 

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren