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BFH Urteil vom 31.01.1958 - VI 207/57 U

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Unterstützt ein Steuerpflichtiger seine in Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern, so sind für die Anwendung des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1955 die Einkünfte der Eltern zusammenzurechnen. Die Verwaltungsanweisung in Abschn. 190 Abs. 3 EStR 1955 entspricht insoweit dem Gesetz.

Der Begriff "Einkünfte" in § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1955 deckt sich nicht mit dem Begriff "Einkünfte" in § 2 EStG.

 

Normenkette

EStG § 33a/1; LStDV § 25a/1; EStR Abschn. 190 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) beantragte im Lohnsteuer-Jahresausgleich 1955 eine Steuerermäßigung nach § 33 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1955 (§ 25 a der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV - 1955), weil er seine Eltern unterstützt habe. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, weil die eigenen Einkünfte oder Bezüge der Eltern die Grenze des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1955 überstiegen hätten. Das Finanzamt berücksichtigte bei Berechnung dieser Grenze Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit von 742 DM und eine Angestelltenrente von 1.897 DM unter Abzug eines Werbungskostenpauschbetrags von 200 DM. Bei dieser Berechnungsweise war die Grenze des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1955 unstreitig überschritten. Der Bf. wollte dagegen die Angestelltenrente gemäß § 22 EStG 1955 nur mit dem Ertragsanteil bewertet wissen. Bei dieser Berechnungsweise wirkt sich die geleistete Unterstützung unstreitig nach § 33 a Abs. 1 EStG 1955 aus.

Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht führte aus, die Fassung des § 33 a EStG 1955 "Einkünfte oder Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind", zeige, daß die Einkünfte nicht steuerfreie oder steuerpflichtige Einkünfte im Sinne des EStG zu sein brachten. Es würde dem Sinn der Vorschrift nicht entsprechen zu unterscheiden, aus welchen Quellen die Bezüge der unterhaltenen Person stammten und welcher Rechtsnatur sie seien. Es komme nur darauf an, wieviel der unterstützten Person zur Bestreitung des Lebensunterhalts zu Verfügung stehe. Die Aufteilung von Renten in einen Stammrechts- und einen Ertragsanteil, wie es in § 22 EStG 1955 vorgesehen sei, habe nur für die Einkommensbesteuerung der Rentenempfänger Bedeutung. Diese Auffassung liege auch Abschn. 39 b Abs. 4 Sätze 1 und 2 der Lohnsteuer-Ergänzungsrichtlinien (LStER) 1957 zugrunde.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Bf. unrichtige Anwendung des § 33 a EStG 1955. Er wendet sich unter Berufung auf Labus (Der Betriebs-Berater 1957 S. 700) gegen die der Entscheidung des Senats VI 206/56 U vom 22. März 1957 (Slg. Bd. 64 S. 609, Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 228) zugrunde liegende Rechtsauffassung. Er trägt im übrigen vor, Einkünfte haben nur sein Vater bezogen. Er habe aber die Mutter unterstützt, die keine eigenen Einkünfte gehabt habe. Es sei mit dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 betreffend die Nichtigkeit des § 26 EStG 1951 unvereinbar, die Eltern steuerlich als Einheit zu behandeln. Nach dem Grundsatz der Individualbesteuerung, der nach der Begründung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts im Einkommensteuerrecht gelte, müßten Ehegatten je für sich allein beurteilt werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Der Einwand des Bf., er habe seine Mutter, die keine eigenen Einkünfte erziele, unterstützt, greift nicht durch. Es kann dahingestellt bleiben, ob und wie der Bf. beweisen will, daß er nicht die zusammen lebenden Eltern, sondern nur die Mutter unterstützt habe. Denn auch wenn man seiner Behauptung folgt, daß er nur seine Mutter unterstützt habe, ist § 33 a EStG nicht anwendbar.

Nach § 33 a Abs. 1 EStG 1955 kann ein Steuerpflichtiger, der zwangsläufig bedürftige Angehörige unterstützt, für die er keine Kinderermäßigung erhält, die Aufwendungen für jede unterstützte Person bis zum Höchstbetrag von 720 DM jährlich von seinem Einkommen abziehen. Hat die unterhaltene Person andere Einkünfte oder Bezüge, so vermindert sich nach § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1955 der Betrag von 720 DM um den Betrag, um den die Einkünfte den Betrag von 480 DM übersteigen. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung könnte man mit dem Bf. vielleicht die Auffassung vertreten, daß, wenn mehrere Personen gleichzeitig unterstützt werden, für jede unterstützte Person die Voraussetzungen des § 33 a Abs. 1 EStG 1955 selbständig festzustellen seien. Die Bundesregierung hat in Abschn. 190 Abs. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1955 von einer anderen Rechtsauffassung aus. Sie hat die Verwaltungsbehörden angewiesen, wenn mehrere von einem Steuerpflichtigen unterhaltene Personen einen gemeinsamen Haushalt führen, bei der Anwendung des § 33 a Abs. 1 EStG 1955 die Einkünfte und Bezüge dieser Personen zusammenzurechnen und auf die Summe der Einkünfte und Bezüge für jede unterhaltene Person 480 DM anzurechnen; der übersteigende Betrag soll von der Summe der Höchstbeträge von 720 DM je unterhaltener Person abgezogen werden. Die Bundesregierung will also bei unterstützten Personen, die in Haushaltsgemeinschaft leben, die Beträge von 480 DM und 720 DM entsprechend der Zahl der Personen vervielfachen, die Einkünfte und Bezüge der Haushaltsgemeinschaft aber zusammenfassen.

Die Auslegung, die § 33 a EStG 1955 in Abschn. 190 Abs. 3 EStR 1955 gegeben wird, ist, mindestens wenn es sich um in Haushaltsgemeinschaft lebende Ehegatten handelt, rechtlich zutreffend.

Die vom Bf. vertretene Auffassung, daß für jeden Elternteil selbständig festzustellen sei, ob er Einkünfte beziehe, widerspricht einer natürlichen Betrachtung der Dinge und der Lebenserfahrung, daß Eheleute aus einer gemeinsamen Wirtschaftskasse leben; was dem einen zugewendet wird, kommt tatsächlich auch dem andern zugute. Ehegatten sind auch einander nach bürgerlichem Recht unterhaltspflichtig. Lebt deshalb ein Ehegatte in guten Verhältnissen, so ist damit auch der Unterhalt des anderen Teiles rechtlich sichergestellt. Für Unterstützungen von dritter Seite besteht dann in der Regel kein Bedürfnis. Es ist also rechtlich nicht möglich, mit dem Bf. anzunehmen, daß die Mutter bedürftig sei und "zwangsläufig" von ihm unterhalten werden müsse, ohne auf die Einkünfte des Vaters einzugehen, der der Mutter gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet ist. Bei zusammen lebenden Ehegatten müssen also für die Anwendung des § 33 a Abs. 1 EStG 1955 die Bezüge insgesamt betrachtet werden. In der Entscheidung VI 9/56 S vom 24. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 77) hat der Senat ausgesprochen, daß bei zusammen lebenden Ehegatten die abzugsfähigen Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen einheitlich zu berechnen sind, ohne Rücksicht darauf, wer von den beiden Ehegatten die Ausgaben leistet oder zur Leistung verpflichtet ist. ähnliche Grundsätze müssen für die Auslegung des § 33 a Abs. 1 EStG 1955 angewendet werden.

Der Bf. beruft sich auf den Grundsatz der Individualbesteuerung von dem das Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 17. Januar 1957 gesprochen hat. Dieser Grundsatz kann aber, wenn überhaupt, nur für die Besteuerung der Ehegatten selbst gelten. Im Streitfall geht es aber um die Besteuerung des Bf. Im übrigen besagt der Grundsatz nicht, daß die Ehe als Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft einkommensteuerlich in jeder Hinsicht außer Betracht zu bleiben habe, so daß zusammen lebende Ehegatten steuerlich immer wie zwei fremde unabhängige Personen behandelt werden müßten, wenn ihnen das steuerlich günstiger ist (vgl. zur Auslegung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts auch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 231/56 S vom 3. Dezember 1957 - BStBl 1958 III S. 27 -).

Auch der weitere Einwand des Bf., das Finanzgericht habe den Begriff "Einkünfte" in § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1955 zu Unrecht dem Begriff "Bezüge" gleichgestellt, greift nicht durch. Der Senat hat bereits in der vom Bf. angeführten Entscheidung VI 206/56 U vom 22. März 1957 (BStBl 1957 III S. 228) darauf hingewiesen, daß der Wortlaut des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG das, was der Gesetzgeber in Wirklichkeit wollte, nicht klar zum Ausdruck bringe und eine wörtliche Auslegung der Vorschrift zu sinnwidrigen und ungleichmäßigen Ergebnissen führe. Richtig ist, daß der Begriff "Einkünfte" in § 2 EStG als technischer Begriff festgelegt ist und daß, wenn im EStG von Einkünften gesprochen wird, damit im allgemeinen Einkünfte im Sinn des § 2 EStG gemeint sind. Mit Recht weist aber das Finanzgericht darauf hin, daß in § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1955 "Einkünfte" und "Bezüge" nebeneinander erwähnt werden und der Relativsatz, " die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind", sich wohl auf beide Begriffe bezieht. Stellt das Gesetz aber "Einkünfte" und "Bezüge" gleich, so dürfte der Ausdruck "Einkünfte" nicht im Sinn des § 2 EStG zu verstehen sein. Da der Wortlaut des Gesetzes mindestens mehrdeutig ist, muß zur Ermittlung dessen, was der Gesetzgeber wollte, der Sinn und Zweck der Bestimmung ausschlaggebend sein. Das Gesetz sieht offenbar in typisierender Betrachtung die Zwangsläufigkeit für eine Unterstützung nicht mehr als gegeben an, wenn die eigenen Mittel, die dem Unterstützten für den Lebensunterhalt zur Verfügung stehen, eine bestimmte Grenze übersteigen. "Bezieht" der Unterstützte Mittel, die zur Bestreitung seines Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, so soll es nicht darauf ankommen, aus welchen Quellen sie stammen und ob sie steuerbare oder steuerbefreite Einkünfte im Sinn des EStG sind oder ob sie überhaupt unter eine Einkunftsart des EStG fallen. Ist das der Sinn der gesetzlichen Regelung, so ist dem Finanzgericht darin beizutreten, daß der Ausdruck "Einkünfte" oder "Bezüge" ein Pleonasmus ist. Bei wiederkehrenden Bezügen (Renten) wird zwar nach § 22 Ziff. 1 Buchst. a EStG 1955 für die Besteuerung der Rentenempfänger als Einkunft nur der Ertragsanteil angesetzt. Für die Berechnung der Bezüge, die dem Unterstützten für seinen Lebensunterhalt bereitstehen, ist aber nach Sinn und Zweck des § 33 a Abs. 1 EStG 1955 die Rente in voller Höhe abzusetzen. Der Senat ist der Auffassung, daß dabei sogar entgegen der Berechnung des Finanzamts auch die Werbungskostenpauschbeträge nach § 9 a EStG 1955 nicht abgesetzt werden können. Man käme sonst insbesondere für Renten zu einer wirtschaftlich nicht gerechtfertigten unterschiedlichen Behandlung. Denn in der Entscheidung VI 206/56 U hat der Senat abgelehnt, bei der Unterhaltshilfe aus dem Lastenausgleich den Bruttobetrag der Rente um einen Pauschbetrag von 200 DM zu kürzen.

Nach allem haben die Vorinstanzen mit Recht die Angestelltenrente der unterstützten Eltern nicht nur mit dem Ertragsanteil im Sinn des § 22 Ziff. 1 Buchst. a EStG 1955 berücksichtigt. Folgt man aber der Berechnung der Vorinstanzen so haben unstreitig die eigenen Bezüge der unterstützten Eltern die Grenze des § 33 a Abs. 1 Satz 3 EStG 1955 überschritten, so daß die Rb. unbegründet ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409002

BStBl III 1958, 108

BFHE 1958, 277

BFHE 66, 277

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