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BFH Urteil vom 30.03.1971 - VII R 38/68

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Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält daran fest, daß gegenüber einer Nachforderung von Eingangsabgaben seitens der Verwaltung ein Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben dann gegeben sein kann, wenn die Nachforderung lediglich darauf beruht, daß die Verwaltung in der rechtlichen Beurteilung eines unverändert gebliebenen Sachverhalts eine erneut geänderte Auffassung vertritt (vgl. BFH-Urteil VII 175/61 U vom 21. Mai 1963, BFH 77, 201, BStBl III 1963, 390).

 

Normenkette

AO §§ 223, 94 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin hatte im Dezember 1962 mehrere Partien gefrorene Früchte (Tiefkühlkost) aus Holland eingeführt. Nach den Kaufverträgen vom 27. Juli, 7. und 21. August 1962 sollten die in holländischen Kühlhäusern lagernden Früchte von August bis Oktober 1962 "nach Abruf" der Käuferin geliefert werden. Nach Ablauf einer lagergeldfreien Zeit von einem Monat seit Vertragsschluß hatte die Käuferin vertraglich neben dem Kaufpreis noch ein monatliches Lagergeld in unterschiedlicher Höhe zu entrichten.

Das ZA stellte die Zollwerte auf der Grundlage der angemeldeten Rechnungspreise unter Einbeziehung dieser Lagerkosten fest und berechnete dementsprechend die Eingangsabgaben. Nachdem gegen die Berücksichtigung der Lagerkosten bei der Zollwertfeststellung Einspruch erhoben worden war, änderte das ZA die einzelnen Zollbescheide mit Berichtigungsbescheid vom 7. Mai 1963. Es stellte in dem Berichtigungsbescheid fest, daß die Kosten der Lagerung weder Beförderungs- noch Verkaufskosten im Sinne der Wert-Zollordnung (WertZO) seien und deshalb nicht zum Zollwert gehörten. Auf Grund des Berichtigungsbescheides wurden der Klägerin anschließend Eingangsabgaben in Höhe von insgesamt 1 046,40 DM erstattet.

Mit Bescheid vom 17. Juli 1964 forderte das ZA auf Veranlassung der OFD den Erstattungsbetrag unter Aufhebung des Berichtigunsbescheides wieder zurück. Es vertrat nunmehr die Auffassung, daß die Lagerkosten als Verkaufskosten in den Zollwert einzubeziehen gewesen waren.

Der Einspruch der Klägerin gegen den Rückforderungsbescheid vom 17. Juli 1964 wurde durch Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 23. September 1964 als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Klage hat das FG abgewiesen.

Es hat ausgeführt, daß die Lagerkosten nach den Vorschriften des § 29 Abs. 1 ZG in Verbindung mit §§ 8 bis 10 WertZO in den Zollwert einzubeziehen seien und daher zollwertrechtlich zutreffend behandelt worden seien. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstoße die Nachforderung auch nicht gegen Treu und Glauben.

In der Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des geltenden Rechts. Sie hält daran fest, daß die mit dem Berichtigungsbescheid vom Juli 1964 erhobene Nachforderung im Hinblick auf den in dem Berichtigungsbescheid vom Mai 1963 eingenommenen gegenteiligen Standpunkt der Verwaltung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar sei. Die Verwaltung sei an die Rechtsauffassung gebunden gewesen, die sie in dem ersten Berichtigungsbescheid vom Mai 1963 zum Ausdruck gebracht habe. Sie müsse sich an dem darin klar und unmißverständlich eingenommenen Standpunkt festhalten lassen und könne nicht über 14 Monate später die seinerzeit erstatteten Eingangsabgaben lediglich auf Grund einer erneut geänderten Rechtsauffassung wiederum zurückfordern. Dies um so weniger, als sie - die Klägerin - den gegen die ursprünglich erlassene Abgabenfestsetzung (nach der Einfuhr) erhobenen Einspruch nach dem Ergehen des Berichtigungsbescheides vom Mai 1963 zurückgezogen und damit auf eine Klärung der Rechtsfrage ausdrücklich verzichtet habe.

Im übrigen sei die Auffassung der Vorinstanz, daß die Lagerkosten in jedem Fall in den Zollwert einzubeziehen seien, nicht zutreffend. Die Vorinstanz habe es unterlassen, den Sachverhalt hinsichtlich der Lagerkosten im Streitfall hinreichend aufzuklären.

Die Klägerin beantragt:

Die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung des HZA vom 23. September 1964 und den Nachforderungsbescheid des ZA vom 17. Juli 1964 ersatzlos aufzuheben, hiltsweise:

Die Sache an das FG zur weiteren Sachaufklärung und abermaligen Entscheidung zurückzuverweisen.

Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es hält die von dem FG vertretene Rechtsauffassung sowohl nach der zollwertrechtlichen Seite wie hinsichtlich der Nichtanwendbarkeit des Grundsatzes von Treu und Glauben für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Die Frage, ob die Lagerkosten im Streitfall in den Zollwert einzubeziehen waren, kann auf sich beruhen, da auch im bejahenden Fall eine Nachforderung von Eingangsabgaben nicht möglich ist. Zwar trifft es zu, daß die Verwaltung grundsätzlich zu Nachforderungen, die sich gegenüber zunächst zu niedrig festgesetzten Eingangsabgaben ergeben, nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist, vgl. Urteil des BFH VII 185/57 U vom 28. Oktober 1958 (BFH 68, 27, BStBl III 1959, 11). Gegenüber dieser sich aus § 223 AO in Verbindung mit § 94 Abs. 1 Nr. 1 AO ergebenden Berechtigung und Verpflichtung zur Nachforderung auf Grund Gesetzes geschuldeter Abgaben kann aber in besonderen Ausnahmefällen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ein Anspruch des Zollbeteiligten auf Vertrauensschutz gegen eine Verhaltensänderung der Verwaltung hergeleitet werden. Wie der BFH in dem Urteil VII 207/57 U vom 17. Dezember 1958 (BFH 68, 378, BStBl III 1959, 146) rechtsgrundsätzlich ausgeführt hat, ist ein solcher Vertrauensschutz insbesondere dann geboten, wenn die Geltendmachung des gesetzlichen Abgabenanspruches - weil mit dem vorangegangenen Verhalten der Verwaltung eindeutig in Widerspruch stehend - mit dem allgemeinen Rechtsempfinden nicht vereinbar ist.

Bei der Überprüfung der Vorentscheidung unter diesem Gesichtspunkt vermag sich der erkennende Senat der hierzu von der Vorinstanz vertretenen Auffassung nicht anzuschließen. Denn der Streitfall ist dadurch gekennzeichnet, daß die Eingangsabgaben mehrmals hintereinander bei unverändertem Sachverhalt lediglich auf Grund geänderter Rechtsauffassung unterschiedlich festgesetzt worden sind und daß der in dem Bescheid vom Juli 1964 erhobenen Nachforderung eine Beurteilung zugrunde liegt, die in dem Berichtigungsbescheid vom 7. Mai 1963 ausdrücklich als nicht zutreffend aufgegeben worden war. Darüber hinaus war der Klägerin sogar der Differenzbetrag an Eingangsabgaben, der sich durch die Herabsetzung des Zollwertes in dem Berichtigungsbescheid vom Mai 1963 ergeben hatte, wieder erstattet worden. Da hierdurch die in dem Berichtigungsbescheid vom Mai 1963 vertretene Rechtsauffassung - im Gegensatz zu derjenigen in den ursprünglich erlassenen Zollbescheiden - eine weitere Bestätigung erfahren hatte, konnte die Klägerin von diesem Zeitpunkt an davon ausgehen, daß es nunmehr bei der in dem Berichtigungsbescheid vom Mai 1963 von der Verwaltung zu der Frage des Zollwertes vertretenen Rechtsauffassung endgültig verblieb. Dies um so mehr, als die Verwaltung in der Folgezeit nichts Gegenteiliges zu erkennen gegeben hat, was die Klägerin in ihrem Vertrauen auf die Beibehaltung des im Mai 1963 eingenommenen Standpunktes und die darin liegende Willensäußerung bestärken mußte. Es ist in diesem Zusammenhang, entgegen der Auffassung des Beklagten, auch nicht von Bedeutung, daß das ZA den Nachforderungsbescheid vom Juli 1964 auf Veranlassung der OFD erlassen hat. § 223 AO stellt nicht darauf ab, ob die Aufsichtsbehörde tätig geworden ist. § 224 AO ist, da er nur die Herabsetzung von Steuern betrifft, nicht einschlägig.

Mit dem sonach aus mehreren Gründen gegebenen Vertrauenstatbestand ist es unvereinbar, wenn die Verwaltung über 14 Monate nach Erlaß des Berichtigungsbescheides vom Mai 1963 bei völlig unverändertem Sachverhalt lediglich auf Grund einer erneut geänderten Auffassung in der Zollwertfrage den sich dadurch (Einbeziehung der Lagerkosten in den Zollwert) ergebenden Mehrbetrag an Eingangsabgaben nunmehr wiederum von der Klägerin anforderte. Der Streitfall liegt insofern ähnlich wie der dem BFH-Urteil VII 175/61 U vom 21. Mai 1963 (BFH 77, 201, BStBl III 1963, 390) zugrunde liegende Fall, in dem der erkennende Senat entschieden hat, daß es Treu und Glauben widerspricht, wenn nach Verstreichenlassen einer längeren Frist bei unverändertem Sachverhalt lediglich auf Grund einer erneut geänderten Rechtsauffassung Nachforderungen erhoben werden. An diesem Standpunkt wird festgehalten.

Der Senat kommt somit zu dem Ergebnis, daß der Bescheid vom Juli 1964 mit dem auch im Zollrecht de jure zu beachtenden Grundsatz von Treu und Glauben - BFH-Urteil VII 95/58 U vom 2. Dezember 1959, BFH 70, 341, BStBl III 1960, 127 (130) - unvereinbar ist. Die Vorinstanz ist zu einem anderen Ergebnis gelangt. Ihre Entscheidung war daher aufzuheben. Da in der Sache keine weitere Aufklärung erforderlich ist, waren auch die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 23. September 1964 und der Rückforderungsbescheid vom 17. Juli 1964 aufzuheben, § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69449

BStBl II 1971, 450

BFHE 1971, 27

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