Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BFH Urteil vom 29.11.2005 - IX R 54/04 (NV) (veröffentlicht am 24.05.2006)

Sie haben bereits ein Haufe Produkt? Hier anmelden
 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Einspruchsentscheidung trotz Bestandskraft eines während des Einspruchsverfahrens ergangenen und aus eigenständigen Gründen (erfolglos angefochtenen) Änderungsbescheids

 

Leitsatz (NV)

Erlässt das Finanzamt während eines anhängigen Einspruchsverfahrens einen Änderungsbescheid mit dem Hinweis, das Einspruchsverfahren werde fortgesetzt, ohne dass ein weiterer Einspruch erforderlich sei, hat der Steuerpflichtige Anspruch auf Bescheidung seiner Einwände durch Einspruchsentscheidung selbst dann, wenn er gegen den Änderungsbescheid wegen anderer Gründe gesondert Einspruch eingelegt und dieser durch gesonderte Einspruchsentscheidung ‐ nur zu diesen anderen Gründen ‐ beschieden wurde.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 357, 366; BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

FG Berlin (Urteil vom 05.12.2003; Aktenzeichen 3 K 3313/98)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ein geschlossener Immobilienfonds (Gesellschaft bürgerlichen Rechts --GbR--) machte bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Kalenderjahr 1987 Aufwendungen für die Vermittlung des Eigenkapitals in Gestalt von Gesellschafterdarlehen als sofort abziehbare Werbungskosten geltend.

Das früher für die Gesellschaft zuständige Finanzamt (FA W) versagte den Abzug. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein.Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA W einen Änderungsbescheid mit dem Hinweis, dass das Einspruchsverfahren fortgesetzt werde und ein weiterer Einspruch nicht erforderlich sei.

Gegen den Änderungsbescheid legte die Klägerin gleichwohl erneut Einspruch mit der Begründung ein, für zwei ihrer Gesellschafter seien weitere nachgemeldete Sonderwerbungskosten einkunftsmindernd zu berücksichtigen. Eine entsprechende Korrektur des Änderungsbescheids lehnte das FA W mit bestandskräftiger Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 1994 ab; die Einspruchsentscheidung befasst sich ausschließlich mit den nachgemeldeten Sonderwerbungskosten, nicht aber mit dem vorher anhängig gemachten Einspruchsbegehren auf Berücksichtigung der Aufwendungen für die Eigenkapitalvermittlung.

Mit Schreiben vom 5. Dezember 1996 bat die Klägerin den nunmehr zuständig gewordenen Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) um Bescheidung ihres ersten Einspruchs vom August 1988; diesen sah das FA als durch die Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 1994 als beschieden an (Ablehnungs-Bescheid vom 7. Mai 1998). Einspruch und Klage hiergegen hatten keinen Erfolg. Trotz der ausdrücklichen Bezugnahme der Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 1994 auf den zweiten Einspruch vom 28. Dezember 1992 sei nicht ersichtlich, dass das FA die Entscheidung über den Streitpunkt "Eigenkapitalvermittlungsprovision"   bewusst  habe zurückstellen wollen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Sie beantragt, das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) sowie den Bescheid vom 7. Mai 1998 über die Ablehnung des Antrags auf Änderung des Feststellungsbescheids 1987 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juni 1998 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil des FG und der Ablehnungsbescheid vom 7. Mai 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung des FA sind aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Zu Unrecht hat das FG die (ausdrücklich auf den "Einspruch vom 28.12.1992" bezogene) Einspruchsentscheidung des FA vom 5. Mai 1994 auch als abschließende Einspruchsentscheidung zu dem ersten Einspruch der Klägerin vom August 1988 ausgelegt und auf dieser Grundlage die Ablehnung der begehrten ergänzenden Einspruchsentscheidung durch das FA für rechtmäßig erachtet.

a) Der Regelungsgehalt eines Bescheids --wie hier der streitige Inhalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 1994-- ist erforderlichenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln. Diese im Einzelfall vom FG vorgenommene Auslegung hat der Bundesfinanzhof (BFH) --ungeachtet seiner Bindung an die tatsächliche Würdigung des FG (§ 118 Abs. 2 FGO)-- als Rechtsmittelgericht daraufhin zu prüfen, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln, die Denkgesetze und Erfahrungssätze zutreffend angewandt worden sind. Diese Prüfung umfasst auch die Frage, ob das FG die für die Auslegung bedeutsamen Begleitumstände erforscht und zutreffend gewürdigt hat (vgl. BFH-Urteile vom 19. Oktober 2001 V R 75/98, BFH/NV 2002, 547; vom 31. Juli 2002 X R 48/99, BFHE 200, 504, BStBl II 2003, 282).

Danach ist die Auslegung nach Maßgabe der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nicht nur unter Berücksichtigung des Wortlauts der Erklärung, sondern unter Würdigung des gesamten Inhalts der Willenserklärung und der Gesamtumstände vorzunehmen (BFH-Urteile vom 18. März 1998 II R 41/97, BFH/NV 1998, 1235; vom 17. August 2005 IX R 35/04, n.v.). Dabei ist entscheidend, wie der Adressat selbst nach den ihm bekannten Umständen --seinem "objektiven Verständnishorizont"-- den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (BFH-Urteil vom 13. September 2001 IX R 62/98, BFHE 196, 550, BStBl II 2003, 912, m.w.N.). Im Zweifel ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus ihrer Sphäre nicht benachteiligt werden darf (BFH-Urteil vom 27. November 1996 X R 20/95, BFHE 183, 348, BStBl II 1997, 791).

b) Nach diesen Maßstäben konnte die Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 1994 aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin ausweislich der ausschließlichen Bezugnahme auf den "Einspruch vom 28.12.1992" nur als auf diesen Einspruch und damit auf den Streit über die Abziehbarkeit der Sonderwerbungskosten bezogen angesehen werden. Dies gilt umso mehr, als sich auch die Entscheidungsgründe nur mit den insoweit vorgetragenen Argumenten auseinander setzen und weder der Einspruch vom August 1988 noch dessen umfangreiche Begründung vom September 1988 zur rechtlichen Behandlung der Eigenkapitalprovisionen (als Werbungskosten oder Anschaffungskosten) Berücksichtigung gefunden haben. Hinzu kommt, dass das FA zuvor bei Erlass des Änderungsbescheids, gegen den sich der Einspruch vom 28. Dezember 1992 richtete, ausdrücklich erklärt hatte, dass dieser Änderungsbescheid den Einspruch vom August 1988 nicht berühre und deshalb einen weiteren Einspruch nicht erfordere.

2. Die Entscheidung des FG erweist sich schließlich nicht entsprechend § 126 Abs. 4 FGO aus anderen Gründen als richtig.

Selbst wenn das FG zu Recht auf die zwischenzeitlich ergangene BFH-Rechtsprechung zur Behandlung der Eigenkapitalprovisionen als Anschaffungs- oder Herstellungskosten verwiesen hat (vgl. BFH-Urteile vom 28. Juni 2001 IV R 40/97, BFHE 196, 77, BStBl II 2001, 717; vom 26. Februar 2002 IX R 20/98, BFHE 198, 425, BStBl II 2002, 796), kann die Klägerin geltend machen, dass sie für das Streitjahr 1987 Anspruch auf Vertrauensschutz nach Maßgabe der Verwaltungsvorschriften hat (vgl. Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 20. Oktober 2003 IV C 3 -S 2253a- 48/03, Tz. 50, BStBl I, 2003, 546; BFH-Urteil vom 7. November 1996 IV R 69/95, BFHE 182, 56, BStBl II 1997, 245, m.w.N.).

Umfang und Grenzen dieses Anspruchs im Streitfall hat das FA nunmehr in seiner zu treffenden (ergänzenden) Einspruchsentscheidung zu dem Einspruch der Klägerin vom August 1988 zu prüfen, deren Erlass es bereits für den Fall einer erfolgreichen Klage nach den Feststellungen des FG zugesagt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1514466

BFH/NV 2006, 1241

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Produktempfehlung

haufe-product

Meistgelesene Beiträge
  • Innergemeinschaftlicher Erwerb: Umsatzsteuerlich richtig zuordnen und buchen
    1.187
  • Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder
    1.164
  • Nachforderungszinsen
    655
  • Nachforderungszinsen / 7 Wann für Nachforderungszinsen der Betriebsausgabenabzug gewährt wird
    540
  • GmbH, Gewinnausschüttung
    505
  • Sozialversicherungskonten abstimmen / 4.2 "Nebenkosten" separat buchen
    484
  • Werkzeuge, Abschreibung
    407
  • Homepage und Domain / 4.3 Buchung laufender Gebühren für die Domain-Nutzung
    382
  • Allgemeines zur Abschreibung von Gebäuden / 5 Abschreibungsbeginn und -ende
    369
  • Umsatzsteuer, Ausnahmen beim Leistungsort bei grenzübers ... / 8 Verwendung von Konten im SKR 03 und SKR 04: Voraussetzung der richtigen Buchung ist der umsatzsteuerliche Sachverhalt
    364
  • Wechsel der Gewinnermittlungsart
    357
  • Jahresabschluss, Umsatzsteuer / 1 So kontieren Sie richtig!
    356
  • Anschaffungskosten, Aktivierung oder Betriebsausgabenabzug / 5.2.1 Anschaffungskosten bei Anlagevermögen
    304
  • Instandhaltungsrücklage / 1.3 Zinserträge aus der Anlage von Instandhaltungsrücklagen
    282
  • Firmen-Pkw, Anschaffung
    275
  • Erhöhte Absetzungen nach §§ 7h und 7i EStG
    255
  • Verluste/Verlustabzug / 4.3 Verlustrücktrag
    248
  • (Erst-)Ausbildungskosten als Sonderausgaben
    234
  • Büroeinrichtung / 3.3 Für Wirtschaftsgüter von mehr als 250 EUR und nicht mehr als 1.000 EUR muss bei Anwendung der Poolabschreibung ein Sammelposten gebildet werden
    231
  • Firmen-Pkw, betriebliche Nutzung bis 50 %
    222
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Haufe Finance Office Premium
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop

Produktempfehlung


Zum Thema Finance
Haufe Shop: Digitale Transformation im Finanz- und Rechnungswesen
Digitale Transformation im Finanz- und Rechnungswesen
Bild: Haufe Shop

Ob Digital Finance/CFO4.0, E-Invoicing oder Robotic Accounting - das Buch greift verschiedene Facetten der digitalen Transformation im Finanz- und Rechnungswesen auf. Es zeigt, wie Handlungsbedarf frühzeitig erkannt, die Umsetzung praxistauglicher Strategien und der Einsatz generativer KI vorangetrieben werden können.


FG Berlin 3 K 3313/98
FG Berlin 3 K 3313/98

  Entscheidungsstichwort (Thema) Unvollständigkeit einer Einspruchsentscheidung  Leitsatz (redaktionell) Die Unvollständigkeit einer Einspruchsentscheidung rechtfertigt nicht die Annahme, dass es sich bei einer außergerichtlichen Rechtsbehelfsentscheidung ...

4 Wochen testen


Newsletter Finance
Bild: Haufe Online Redaktion
Newsletter Steuern und Buchhaltung

Aktuelle Informationen aus den Bereichen Steuern und Buchhaltung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Für Praktiker im Rechnungswesen
  • Buchhaltung und Lohnbuchhaltung
  • Alles rund um betriebliche Steuern
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Sie müssen den AGB zustimmen
Haufe Fachmagazine
Zum Finance Archiv
Themensuche A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #
Haufe Group
Haufe People Operations
Haufe Fachwissen
Haufe Onlinetraining
Haufe HR-Software
Haufe Digitale Personalakte
Lexware
rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS
Newsletter
FAQ
Mediadaten
Presse
Editorial Code of Conduct
Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz
Netiquette
Sitemap
Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt

Kontakt & Feedback
AGB

Compliance
Datenschutz
Impressum
Haufe Rechnungswesen Shop
Rechnungswesen Produkte
Buchführung Software und Bücher
Bilanzierung & Jahresabschluss Lösungen
Produkte zu Kostenrechnung
Produkte zur IFRS-Rechnungslegung
Haufe Shop Buchwelt

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren