Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BFH Urteil vom 29.06.1984 - VI R 34/82

Sie haben bereits ein Haufe Produkt? Hier anmelden
 

Normenkette

AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

FG Berlin

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1978 zunächst Kraftfahrzeugmechaniker und später anderweitig tätig. Nachdem er im Sommer 1978 den Führerschein der Klasse II erworben hatte, ist er als Kraftfahrer beschäftigt. Infolgedessen wurde er in eine höhere Lohngruppe eingestuft.

Für das Streitjahr 1978 beantragte der Kläger die Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) antragsgemäß durchführte. Nach Bestandskraft des Bescheides über den Lohnsteuer-Jahresausgleich beantragte der Kläger, diesen Bescheid zu ändern, da ihm im Streitjahr beruflich veranlaßte Fahrschulkosten in Höhe von 760 DM entstanden seien, die er aus Unkenntnis nicht als Werbungskosten geltend gemacht habe.

Das FA lehnte die Änderung des angefochtenen Bescheides auch im Einspruchsverfahren ab.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 387 veröffentlichten Urteil die Auffassung, eine Änderung des Bescheides über den Lohnsteuer-Jahresausgleich nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) komme nicht in Betracht, weil im Rahmen dieser Vorschrift darauf abzustellen sei, ob dem Steuerpflichtigen die steuermindernden Tatsachen nachträglich bekanntgeworden seien. Im Streitfall habe der Kläger schon vor Ergehen des Bescheides Kenntnis von den ihm entstandenen Aufwendungen für den Erwerb der Fahrerlaubnis der Klasse II gehabt, so daß eine Änderung ausgeschlossen sei.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977. Er ist der Auffassung, daß es für das nachträgliche Bekanntwerden von Tatsachen oder Beweismitteln nicht auf die Kenntnis des Steuerpflichtigen, sondern nur auf diejenige der Finanzverwaltung ankomme.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

Das Urteil des FG verletzt § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO 1977. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide - zu denen auch der Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich gehört (§ 42 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) - aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekanntwerden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, daß die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekanntwerden.

Der Umstand, daß dem Kläger Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins der Klasse II entstanden sind, ist eine Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO 1977. Diese Tatsache könnte möglicherweise auch zu einer niedrigeren Steuer (einem höheren Erstattungsbetrag) führen, da diese Aufwendungen grundsätzlich als Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehbar wären, wenn das berufliche Fortkommen des Klägers, nämlich die Erlangung einer besser bezahlten Stellung vom Erwerb des Führerscheins der Klasse II abhängig war (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. April 1964 VI 251/63 U, BFHE 79, 543, BStBl III 1964, 431, und vom 20. Februar 1969 IV R 119/66, BFHE 95, 433, BStBl II 1969, 433).

Zu Unrecht hat das FG darauf abgestellt, daß eine Änderung eines Steuerbescheides auf Grund des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO 1977 lediglich in Betracht komme, wenn dem Steuerpflichtigen die steuermindernden Tatsachen nachträglich bekanntgeworden sind. Im Rahmen der genannten Vorschrift kommt es - ebenso wie bei § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 23. März 1983 I R 182/82, BFHE 138, 313, BStBl II 1983, 548) - nicht auf die Kenntnis des Steuerpflichtigen, sondern allein auf diejenige des FA an (herrschende Meinung, z. B. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 173 AO 1977 Tz. 16; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung (AO)/Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 173 AO 1977 Anm. 4; Frotscher in Schwarz, Kommentar zur Abgabenordnung, § 173 Anm. 8; Klein/Orlopp, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 173 Anm. 6; im Ergebnis ebenso BFH-Urteile vom 19. August 1983 VI R 177/82, BFHE 139, 343, BStBl II 1984, 48; vom 17. März 1982 II R 39/81, BFHE 135, 244, BStBl II 1982, 491; vom 3. Februar 1983 IV R 153/80, BFHE 137, 547, BStBl II 1983, 324, und vom 28. Juni 1983 VIII R 37/81, BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2). Die genannten Vorschriften gehen davon aus, daß das FA bei Erlaß eines Steuerbescheides alle ihm bekannten Tatsachen zu berücksichtigen hat (vgl. auch § 88 Abs. 2 AO 1977), und daß einer späteren Änderung auf Grund solcher, dem FA bekanntgewesener Tatsachen die Bestandskraft des Bescheides entgegensteht. Hingegen kann wegen nachträglich bekanntgewordener steuererheblicher Tatsachen oder Beweismittel die Steuerfestsetzung geändert werden. Dabei kommt es ebenso wie bei Durchführung der ursprünglichen Veranlagung auf die Kenntnis des FA als der für die Steuerfestsetzung zuständigen Behörde an.

Eine andere Auffassung würde § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 weitgehend bedeutungslos machen, weil der Steuerpflichtige selbst im allgemeinen schon vor Erlaß des Steuerbescheides Kenntnis von den steuermindernden Tatsachen oder Beweismitteln hat, er sich aber häufig in einem Rechtsirrtum über ihre steuerliche Auswirkung befindet und sie deshalb nicht rechtzeitig geltend macht. Würde auf die Kenntnis des Steuerpflichtigen abgestellt, so käme eine Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide zugunsten des Steuerpflichtigen kaum noch in Betracht. Im übrigen würden bei der vom FG vorgenommenen Auslegung der hier in Frage stehenden Vorschrift vor allem steuerlich unerfahrene Steuerpflichtige benachteiligt, die häufiger als Bürger mit Erfahrungen im Steuerrecht aus Rechtsunkenntnis ihnen selbst vorher schon bekannte steuermindernde Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich geltend machen.

Danach steht der Umstand, daß dem Kläger die ihm entstandenen Aufwendungen schon vor Ergehen des Steuerbescheides bekannt waren, einer Änderung zu seinen Gunsten nicht entgegen.

Dis Sache geht an das FG zurück, damit dieses die fehlenden Feststellungen dazu, ob den Kläger ein grobes Verschulden (vgl. hierzu Urteil in BFHE 139, 8, BStBl II 1984, 2) am nachträglichen Bekanntwerden der Aufwendungen für den Erwerb des Führerscheins trifft, nachholen kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 75069

BStBl II 1984, 694

BFHE 1985, 234

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Gold enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 14b Verspätungszuschlag
    217
  • Änderungsvorschriften / 3.1 "Schlichte" Änderung
    156
  • Pflegekosten / 2 Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen
    131
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO § 109 Verlängerung von Fristen / 5.1 Allgemeines
    124
  • Stenger/Loose, Bewertungsrecht - Kommentar zum BewG, Erb ... / VI. Umrechnungsfaktoren zur Ermittlung der Brutto-Grundfläche bei Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken
    124
  • Ehescheidung: Scheidungsfolgenvereinbarung / 5.3 Übertragung an Ehepartner bzw. Veräußerung des Familienwohnheims
    121
  • Weilbach, GrEStG § 1 Erwerbsvorgänge / 3 Tauschvertrag (Abs. 5)
    119
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 8 Hinzurechnungen / 8.4 Umfang der Hinzurechnung
    118
  • Kapitalgesellschaft: Liquidation / 3.3.4 Auswirkungen der Auskehrung des Vermögens
    116
  • Grundsteuer für land- und forstwirtschaftliche Betriebe ... / 5.1 Landwirtschaftliche Nutzung – § 237 Abs. 2 BewG
    115
  • Frotscher/Drüen, UmwStG § 22 Besteuerung des Anteilseigners
    111
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 28 Allgemeines / 3.5 Verlegung einer Betriebsstätte von einer in eine andere Gemeinde (§ 28 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GewStG)
    107
  • Kündigung und Niederlegung von Mandaten in der Steuerber ... / 5.3 Wichtiger Grund berechtigt zur Kündigung zur Unzeit
    105
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 7 Gewerbeertrag / 4.2 Veräußerungs- und Aufgabegewinne bei Einzelunternehmen
    100
  • Bedarfsbewertung: Erklärung zur Feststellung des Bedarfs ... / 1 Erläuterungen zum Formular
    99
  • Ausschluss vom Vorsteuerabzug / 2 Ausschluss bei steuerfreien Umsätzen
    97
  • Grunderwerbsteuer bei Veränderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG) (ErbStB 2022, Heft 8, S. 247)
    93
  • Änderungsvorschriften / 3.3 Änderung wegen neuer Tatsachen und Beweismittel
    91
  • Grundstücksteile von untergeordneter Bedeutung (§ 8 EStDV) (estb 2022, Heft 12, S. 467)
    90
  • Erbschaftsteuererklärung: Anlage Erwerber vom 1.1.2009 b ... / 1.6 Erwerb durch Erbanfall (Zeilen 22 bis 31)
    89
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Steuer Office Gold
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop

Produktempfehlung


Zum Thema Steuern
BFH: Korrektur bestandskräftiger Bescheide nach Außenprüfung
Close Up of a Red Colouring Pencil Crossing Out Handwriting on a Piece of Paper
Bild: Corbis

Die Art und Weise, in der der Steuerpflichtige seine Aufzeichnungen geführt hat, ist eine Tatsache i. S. d. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Dies gilt im Fall der Einnahmenüberschussrechnung nicht nur für Aufzeichnungen über den Wareneingang gemäß § 143 AO, sondern ebenso für sonstige Aufzeichnungen und die übrige Belegsammlung.


BFH Kommentierung: Doppelte Berücksichtigung von Einnahmen bei unterschiedlichen Einkunftsarten
Arzt mit Handschuhen
Bild: Haufe Online Redaktion

Werden Einnahmen eines angestellten Chefarztes aus der Erbringung wahlärztlicher Leistungen im Rahmen der Einkommensteuererklärung irrtümlich sowohl bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit als auch bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit erklärt, liegt kein "grobes Verschulden" vor.


Haufe Shop: Gemeinnützigkeit im Ertragsteuerrecht
Gemeinnützigkeit im Ertragsteuerrecht
Bild: Haufe Shop

Der neue Kommentar beleuchtet die gemeinnützigkeitsrechtlichen und ertragsteuerlichen Aspekte von Non-Profit-Organisationen. Damit können Sie sicher und souverän mit den praktischen Fragen zum Gemeinnützigkeitsrecht umgehen und Steuerfallen erkennen und vermeiden.


BFH VI R 48/82
BFH VI R 48/82

  Leitsatz (amtlich) 1. Die erstmalige Ausübung eines nicht fristgebundenen steuerlichen Wahlrechts nach Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung steht einer Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO 1977 nicht entgegen. 2. Der steuerpflichtlge Teil ...

4 Wochen testen


Newsletter Steuern
Bild: Adobe
Newsletter Steuern - BFH-Urteilsservice

Aktuelle Informationen zur neuesten BFH-Rechtsprechung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Kurzkommentierungen
  • Praxishinweise
  • wöchentlich
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Sie müssen den AGB zustimmen
Haufe Fachmagazine
Zum Steuern Archiv
Themensuche A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #
Haufe Group
Haufe People Operations
Haufe Fachwissen
Haufe HR-Software
Haufe Digitale Personalakte
Haufe Onlinetraining
Smartsteuer
Schäffer-Poeschel
Lexware
rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS
Newsletter
FAQ
Mediadaten
Presse
Editorial Code of Conduct
Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz
Netiquette
Sitemap
Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt

Kontakt & Feedback
AGB

Compliance
Datenschutz
Impressum
Haufe Steuern Shop
Steuern Software
Komplettlösungen Steuern
Kanzleimanagement Lösungen
Steuern im Unternehmen
Lösungen für die Steuererklärung
Steuer-Kommentare
Alle Steuern Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren