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BFH Urteil vom 27.03.1958 - V z 181/57 U

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bedeutung der Richtlinien für die Anwendung des § 131 AO auf dem Gebiet der Zölle und Verbrauchsteuern (BdF-Erlaß vom 7. Dezember 1953 III B - Z 2401 - 770/53, III C - V 9930 - 180/53, BZBl 1953 S. 810 ff.).

Der in den "Richtlinien" aufgestellte Grundsatz, wonach Erlaßanträge, die nicht innerhalb einer Frist von zwei Jahren - bei hinterzogenen Abgaben von zehn Jahren - nach Entstehung des Steuertatbestandes gestellt wurden, in der Regel, d. h. wenn nicht besondere Ausnahmefälle vorliegen, abzulehnen sind, widerspricht nicht Recht und Billigkeit.

Billigkeitserlasse aus sachlichen Gründen sind nur insoweit als innerhalb der Ermessensgrenzen liegend durch die Ermächtigung des § 131 AO gedeckt, als nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers auf dem in Frage kommenden Steuerrechtsgebiet angenommen werden kann, daß der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne des beabsichtigten Erlasses entschieden haben würde.

Ist ein aus dem Ausland eingeführter zollbarer Gegenstand so lange im Zollgebiet genutzt worden, daß er dadurch als mit seinem wirtschaftlichen Wert in die inländische Wirtschaft übergegangen anzusehen ist, so kann ein Erlaß oder eine Erstattung der Eingangsabgaben nicht mehr darauf gestützt werden, daß der Gegenstand deshalb wieder ausgeführt worden ist, weil der ausländische Lieferer ihn auf Grund einer sich aus dem Einfuhrgeschäft ergebenden rechtlichen Verpflichtung zurückgenommen hat.

 

Normenkette

AO § 131 Abs. 1 S. 1, Abs. 2-3

 

Tatbestand

Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat beim Zollamt am 28. Oktober 1953 eine Druckpresse (Offsetpresse) zum freien Verkehr abfertigen lassen und die dafür angeforderten Eingangsabgaben in Höhe von 2.483,45 DM am 31. Oktober 1953 bezahlt. Der Steuerbescheid wurde rechtskräftig.

Mit Schreiben vom 30. Juli 1956 beantragte die Bfin. beim Hauptzollamt die Erstattung der gezahlten Eingangsabgaben aus Billigkeitsgründen, weil es sich herausgestellt habe, daß die eingeführte Maschine nicht einwandfrei arbeite, und weil die Bfin. daher gezwungen sei, die Maschine in das Lieferland Schweden zurückzuschicken. Die Mängel an der Maschine seien bald nach ihrer Aufstellung aufgetreten, aber alle Versuche, sie im Inland zu beseitigen, seien fehlgeschlagen. Die Verhandlungen mit der Lieferfirma hätten sich über zwei Jahre hingezogen und seien erst durch ein Schreiben der Lieferantin vom 19. Dezember 1955 zum Abschluß gekommen. Danach habe die Bfin. die Wahl, die Maschine entweder zur Reparatur nach Schweden zu schicken oder bei Zuzahlung von 5.000 DM eine neue Maschine gegen Rückgabe der alten zu erwerben. Sie, die Bfin., habe den zweiten Vorschlag angenommen, da sie nicht so lange auf die Arbeit der Maschine verzichten könne, wie es die Reparatur in Schweden und der Transport dorthin und zurück erfordern würden.

Das Hauptzollamt hat den Antrag der Bfin. mit Verfügung vom 15. November 1956 unter Hinweis auf die "Richtlinien für die Anwendung des § 131 der Reichsabgabenordnung auf dem Gebiet der Zölle und Verbrauchsteuern" vom 7. Dezember 1953 (Bundeszollblatt - BZBl - 1953 S. 810 ff.) als verspätet abgelehnt.

Die gegen diesen ablehnenden Bescheid erhobene Beschwerde an die Oberfinanzdirektion blieb ohne Erfolg.

In der mit Schreiben vom 10. August 1957 eingelegten Rechtsbeschwerde (Rb.) macht die Bfin. unter teilweiser Wiederholung ihres früheren Vorbringens im wesentlichen folgendes geltend:

Die von ihr ausgestellte Montagebescheinigung, wonach die Maschine nach ihrer Aufstellung einwandfrei arbeitete, sei kein Beweis dafür, daß dies auch noch nach längerer Laufzeit der Fall gewesen sei;

der von der Beschwerdeentscheidung bemängelte Umstand, daß die Bfin. nicht von dem ihr vertraglich zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch gemacht habe, sei darauf zurückzuführen, daß die Rückgabe der Maschine - auch zur Reparatur - nur möglich gewesen sei, wenn gleichzeitig eine andere Maschine hätte aufgestellt werden können, da sonst der Betrieb der Bfin. zum Erliegen gekommen wäre. Außerdem sei die Bfin. nicht von dem vollen Erfolg einer überholung in Schweden überzeugt gewesen;

die besonderen Härtegründe sehe die Bfin. in ihrem Falle darin, daß ihr Betrieb völlig ausgebombt gewesen sei, daß sie in der fraglichen Zeit nur die eine Maschine besessen habe, die durch ihre schlechte Leistung den Betrieb an den Rand des Bankrotts gebracht habe, und daß schließlich aus den von ihr seit 1953 geltend gemachten Rügen über den mangelhaften Zustand der Maschine Konsequenzen zunächst nicht hätten gezogen werden können, so daß - als dann endlich die Einigung mit dem Lieferanten zustande gekommen sei - die Frist von zwei Jahren verstrichen gewesen sei;

die schließlich von der Lieferantin zugestandene Regelung (Rückgabe der alten Maschine gegen Lieferung einer neuen bei Zahlung eines Draufgeldes) sei keine "Gefälligkeit" gewesen, sondern in Wirklichkeit eine Verpflichtung.

Auf die Einzelheiten der Begründung wird Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. hat keinen Erfolg.

Die angegriffene Entscheidung unterliegt der Nachprüfung durch die Steuergerichte im erweiterten Rechtsmittelweg nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG). Im Streitfalle, der aus einer Zollsache aus der ehemals französisch besetzten Zone herrührt, führt dieser Weg bis zur Errichtung in Zoll- und Verbrauchsteuerangelegenheiten sachlich zuständiger Finanzgerichte in den Ländern dieser Zone unmittelbar im Rechtsbeschwerdeverfahren zum Bundesfinanzhof als einziger Tatsachen- und Rechtsinstanz (Urteil des Bundesfinanzhofs V z 134/55 S vom 15. März 1956, Slg. Bd. 62 S. 423, Bundessteuerblatt - BStBl - 1956 III S. 157 = BZBl 1956 S. 414). Dabei sind der Nachprüfung der Vorentscheidung durch den erkennenden Senat Grenzen gesetzt, die sich daraus ergeben, daß der Gesetzgeber bei der Ermächtigung zu Ermessensentscheidungen, wie z. B. bei dem im vorliegenden Falle in Frage kommenden § 131 der Reichsabgabenordnung (AO), den Finanzverwaltungsbehörden einen gewollten Spielraum (Ermessensgrenzen) läßt, innerhalb dessen sie die Entscheidung nach ihrem eigenen pflichtgemäßen Ermessen treffen können. Soweit die Entscheidungen innerhalb dieser Grenzen liegen, sind sie rechtmäßig, auch wenn im einzelnen Falle eine andere Entscheidung denkbar wäre oder im Hinblick auf die gegebenen Verhältnisse den erkennenden Gerichten vielleicht sogar angebrachter erscheinen könnte. Eine überschreitung der Ermessensgrenzen liegt bei solchen Entscheidungen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (vgl. Urteile I 103/51 U vom 29. Januar 1952 und IV 350/51 U vom 13. März 1952, Slg. Bd. 56 S. 137 und S. 264, BStBl 1952 III S. 57 und S. 104) nur dann vor, wenn die Entscheidungen nach der allgemeinen Auffassung unter Berücksichtigung der Belange der öffentlichen Hand und der des Steuerpflichtigen mit den Grundsätzen von Recht und Billigkeit unvereinbar sind.

Im vorliegenden Falle hat zunächst das Hauptzollamt - übrigens auf Weisung der Oberfinanzdirektion, wie aus den Akten hervorgeht - den Billigkeitsantrag der Bfin. auf Erstattung der Eingangsabgaben für die im Jahre 1953 eingeführte Offsetmaschine abgelehnt und sich dabei in erster Linie darauf berufen, daß der Antrag nach den bereits erwähnten Richtlinien des Bundesministers der Finanzen für die Anwendung des § 131 AO auf dem Gebiet der Zölle und Verbrauchsteuern vom 7. Dezember 1953 (BZBl 1953 S. 810 ff.) verspätet gestellt worden sei und keine Gründe vorlägen, die die Angelegenheit als besonders gelagerten Fall erscheinen ließen, so daß die Entscheidung des Bundesministers der Finanzen herbeizuführen wäre. Die Oberfinanzdirektion hat in ihrer durch die Rb. angegriffenen Beschwerdeentscheidung denselben Standpunkt vertreten.

Die "Richtlinien" des Bundesministers der Finanzen vom 7. Dezember 1953 sind Verwaltungsanweisungen an die nachgeordneten Dienststellen zur Anwendung des § 131 AO, die auf Grund des Abs. 2 dieser Bestimmung ergangen sind (vgl. Hübschmann-Hepp-Spitaler, Anm. 9 zu § 131 AO). Sie stellen einerseits allgemeine Grundsätze auf, die bei der Bearbeitung der Billigkeitsanträge in den ihnen zur Entscheidung übertragenen Fällen von den nachgeordneten Dienststellen der Verwaltung auf Weisung des vom Gesetz primär zum Erlaß ermächtigten Bundesministers der Finanzen zu beachten sind, und enthalten darüber hinaus für das Gebiet der Eingangsabgaben zahlreiche Tatbestände, bei deren Vorliegen den Dienststellen der Zollverwaltung (nach Oberfinanzdirektionen, Hauptzollämtern und Zollämtern gegliedert) die Erlaßbefugnis des Ministers von diesem entweder ohne weiteres oder unter der Voraussetzung weiterer Prüfungen gemäß § 131 Abs. 3 Satz 1 AO übertragen ist. Die "Richtlinien" binden als Verwaltungsanweisungen die Finanzgerichte nicht. Sie sind auch nicht auslegungsfähig durch die Gerichte und unterliegen im Rahmen der oben erwähnten Grenzen der richterlichen Nachprüfung. Doch stellen die in ihnen enthaltenen und ständig weiter entwickelten Grundsätze den Niederschlag derjenigen Rechtsgedanken dar, die eine jahrzehntelange Ermessensausübung auf dem Gebiet der Billigkeitserlasse bei Zöllen und Verbrauchsteuern aus dem Wesen dieser Abgaben heraus hervorgebracht hat. Daher sind die Richtlinien auch für die Finanzgerichte bei der Entscheidung von Billigkeitsfällen als Material für die Rechtsfindung nicht ohne Bedeutung (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs VI 72/56 U vom 22. November 1957 - BStBl 1958 III S. 44 - wegen der gleichgelagerten Frage hinsichtlich der Lohnsteuer-Richtlinien).

Im ersten Teil der "Richtlinien" ist unter Nr. 2 bestimmt, daß Anträge auf Erlaß oder Erstattung aus Billigkeitsgründen in der Regel abzulehnen sind, wenn sie nicht innerhalb von zwei Jahren - bei hinterzogenen Steuern innerhalb von zehn Jahren - nach der Entstehung des Steueranspruchs gestellt worden sind. Die Oberfinanzdirektion kann jedoch in besonders gelagerten Fällen solche verspätet gestellten Anträge dem Bundesminister der Finanzen zur Entscheidung vorlegen. Im vorliegenden Falle hat die Oberfinanzdirektion dies nicht getan, sondern hat das Hauptzollamt angewiesen, den Antrag als verspätet abzulehnen, und sie hat auf die Beschwerde gegen diese Entscheidung des Hauptzollamts hin in der mit der Rb. angefochtenen Beschwerdeentscheidung den Antrag ebenfalls abgelehnt. Es ist daher zu prüfen, ob diese Entscheidung ermessensmißbräuchlich war.

Die zweijährige Frist (bei nichthinterzogenen Abgaben), nach deren Ablauf Billigkeitsanträge nach den "Richtlinien" in der Regel abzulehnen sind, ist an die Vorschriften über die Verjährungsfristen und an die Ausschlußfristen für Erstattungsansprüche angelehnt (in den früheren "Richtlinien" deckte sie sich mit diesen Fristen; vgl. Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 16. Juni 1943 - Z 2401 - 1 II (Reichszollblatt 1943 S. 111 ff.) und überträgt den diesen Vorschriften zugrunde liegenden Gedanken der Rechtsverwirkung durch Säumigkeit auf das Gebiet der Billigkeitsentscheidungen. Wenn der Steuerberechtigte nach Ablauf einer bis zwei Jahre betragenden Frist seinen Anspruch nicht mehr geltend machen kann und wenn das gleiche für den Erstattungsberechtigten gilt, wenn ferner eine Berichtigung des Steuerbescheids zugunsten des Pflichtigen nach § 224 AO nur innerhalb der Verjährungsfrist vorzunehmen ist, so kann es im allgemeinen nicht unbillig sein, wenn auch derjenige, der aus Billigkeitsgründen Erlaß oder Erstattung von Steuern begehrt, nach Ablauf dieser Frist in der Regel abschlägig beschieden wird. Die Bestimmung der "Richtlinien" über die Antragsfrist widerspricht daher nicht Recht und Billigkeit. Es bleibt daher zu prüfen, ob der Streitfall für die Oberfinanzdirektion Veranlassung bot, ihn als einen Ausnahmefall zu behandeln.

Es ist ohne weiteres einleuchtend, daß die Oberfinanzdirektion nur dann zu einer solchen Entscheidung hätte kommen können, wenn nach ihrer Auffassung der Sachverhalt an sich eine Erstattung aus Gründen der Billigkeit rechtfertigte und nur der Fristablauf ihr selbst - nach den Weisungen des Bundesministers der Finanzen in den "Richtlinien" - eine entsprechende Entscheidung unmöglich machte. Die Oberfinanzdirektion verneint jedoch in ihrer mit der Rb. angegriffenen Entscheidung das Vorliegen sowohl sachlicher als auch persönlicher Billigkeitsgründe. Es ist daher zu prüfen, ob diese Entscheidung insoweit ermessensmißbräuchlich, d. h. nach allgemeiner Auffassung mit Recht und Billigkeit nicht vereinbar ist.

Im Zweiten Teil der bereits mehrmals erwähnten "Richtlinien" ist unter 2. Befugnisübertragungen A I 8 b ein sachlicher Billigkeitstatbestand aufgeführt, der die Hauptzollämter zum Erlaß oder zur Erstattung von Eingangsabgaben aus Billigkeitsgründen ermächtigt, wenn aus dem Ausland gelieferte Waren, die zum freien Verkehr abgefertigt wurden, wieder ausgeführt oder zu einem Zollverkehr abgefertigt werden, weil sie vom ausländischen Lieferer auf Grund gesetzlicher oder vertraglicher Gewährleistungspflicht für Sachmängel oder auf Grund eines gesetzlichen oder vertraglichen Rücktrittsrechts des Empfängers oder Lieferers oder wegen irrtümlicher Bestellung oder Lieferung zurückgenommen werden. Die Ausführungen, mit denen die Oberfinanzdirektion in der Beschwerdeentscheidung das Vorliegen dieses Tatbestandes verneint, sind schlüssig und lassen weder einen Fehler in der Beurteilung der dort aufgeführten tatsächlichen Voraussetzungen noch einen solchen in der Beurteilung dieser Vorgänge in rechtlicher Hinsicht erkennen (vgl. die Ausführungen der Beschwerdeentscheidung auf S. 4 und 5).

Die Oberfinanzdirektion ist mit Recht davon ausgegangen, daß die Maschine weder auf Grund einer gesetzlichen noch einer vertraglichen Gewährleistungspflicht aus dem ursprünglichen Einfuhrgeschäft, sondern vielmehr auf Grund einer späteren Vereinbarung, also auf Grund eines neuen Vertragsabschlusses zurückgenommen worden ist. Denn die Bfin., die die fragliche Maschine unter Vereinbarung eines Vorkaufsrechts gemietet hatte, hat zwar, wie die vorliegende Korrespondenz ausweist, ständig über die mangelnde Leistung der Maschine Klage geführt und Abstellung der Mängel verlangt. Sie hat aber nicht von dem ihr vertraglich zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch gemacht. Die Gründe, aus denen heraus dies nicht geschehen ist, sind im Hinblick auf die folgenden Erwägungen ohne Bedeutung. Die Maschine war bei der Stellung des Antrags als Folge des Verhaltens der Bfin. fast zwei Jahre im Zollgebiet betrieblich genutzt worden und war damit - wie die Beschwerdeentscheidung mit Recht, und zwar nach Ansicht des erkennenden Senats als den die Entscheidung tragenden Grund, ausführt - in die deutsche Wirtschaft übergegangen, so daß es trotz der späteren Wiederausfuhr der Maschine auch nach allgemeiner Auffassung nicht als unbillig angesehen werden kann, wenn die Eingangsabgabenbelastung für diese so lange in der deutschen Wirtschaft genutzte Maschine aufrechterhalten bleibt. Zu dieser Entscheidung hätte das Hauptzollamt bzw. die Oberfinanzdirektion auch kommen können, wenn der Antrag auf Erstattung nicht verspätet, sondern etwa einige Zeit vor Ablauf der Zweijahresfrist gestellt worden wäre.

Auch eine andere rechtliche Erwägung läßt die Entscheidung der Oberfinanzdirektion als gerechtfertigt, d. h. mit den Grundsätzen von Recht und Billigkeit übereinstimmend erscheinen. Das Zollrecht kennt für Zollgut, das wieder ausgeführt wird, unter bestimmten Voraussetzungen die zollfreie vorübergehende Verwendung im Zollgebiet (ß 16 Abs. 1 und 5 des Zollgesetzes - ZG -, § 21 der Allgemeinen Zollordnung - AZO - und §§ 49 ff. der Zollvormerk-Ordnung - ZVormO -). Da es aus Gründen des Zollschutzes nicht vertretbar ist, zollbare Gegenstände längere Zeit hindurch unverzollt im Zollgebiet verwenden, d. h. nutzen zu lassen, wenn sie dadurch -- und zwar durch Abnutzung ihres wirtschaftlichen Wertes - in die eigene Volkswirtschaft übergehen, bestimmt das ZG im Abs. 5 des § 16, daß Zollverwendung nur der vorübergehende Gebrauch von Zollgut ohne wesentliche Wertminderung sein kann. Es kann also keinem Zweifel unterliegen, daß die den Anlaß zu diesem Streitfall bildende Maschine, obwohl sie von der Bfin. nur mietweise eingeführt war, nicht zum vorübergehenden Gebrauch hätte abgefertigt werden können, weil ihre Nutzung - wie bei fast allen Maschinen - zwangsläufig eine wesentliche Wertminderung mit sich bringen mußte. Es wäre also einer Umgehung dieser zollrechtlichen Beschränkung gleichgekommen, wenn die Vorentscheidung im Billigkeitswege gerade das vom Gesetzgeber nicht gewollte wirtschaftliche Ergebnis herbeigeführt hätte. An dieser vom Gesetz gesetzten Schranke endet daher auch die in dem Billigkeitstatbestand Zweiter Teil Ziff. 2 A I 8 b enthaltene Erlaßbefugnis. Dieser Tatbestand rechtfertigt einen Erlaß nicht mehr, wenn der in Frage kommende Gegenstand durch langdauernde Nutzung in die deutsche Volkswirtschaft übergegangen ist.

Die sachlichen Billigkeitstatbestände der "Richtlinien" enthalten die zugunsten der Steuerpflichtigen auf § 131 AO gestützte übertragung der Befugnis, im Einzelfall aus Billigkeitsgründen beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Ausnahmen von der allgemeinen gesetzlichen Verpflichtung zur Tragung der Eingangsabgaben bei der Verwirklichung steuerlicher Tatbestände zuzulassen. Die auf Grund dieser Ermächtigung im Einzelfalle aus sachlichen Gründen getroffenen Entscheidungen kommen daher als konstitutive, d. h. rechtsändernde Verwaltungsakte einer Gesetzesergänzung durch Anerkennung von Ausnahmetatbeständen nahe. Da § 131 AO eine für alle Steuergesetze geltende Ermächtigung hierzu enthält, müssen bei der Ausfüllung dieser Ermächtigung durch Anerkennung sachlicher Ausnahmetatbestände auf den einzelnen Steuergebieten Wesen und Zweck des zu ergänzenden Rechts berücksichtigt werden. Billigkeitserlasse aus sachlichen Gründen sind daher nur insoweit als innerhalb der Ermessensgrenzen liegend durch die Ermächtigung des § 131 AO gedeckt, als nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers auf dem in Frage kommenden Steuerrechtsgebiet angenommen werden kann, daß der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne des beabsichtigten Erlasses entschieden haben würde. Es darf also die Anwendung des im Streitfalle in Frage kommenden Billigkeitstatbestands Zweiter Teil Ziff. 2 A I 8 b nicht dazu führen, daß - im Falle der Wiederausfuhr einer Ware, einerlei aus welchem Rechtsgrunde - auf dem Wege über § 131 AO die Anerkennung eines allgemeinen Erstattungsverfahrens zustande käme, daß das deutsche Zollrecht allgemein nicht zuläßt. Ein solcher Billigkeitserlaß würde die vom Recht gesetzte Ermessensgrenze überschreiten.

Der erkennende Senat vermag daher in der verneinenden Beurteilung der von der Bfin. vorgetragenen Gründe, die nach ihrer Auffassung die Anwendung des oben erwähnten Tatbestands rechtfertigen sollen, keine im Rahmen der Ermessensgrenzen nicht vertretbare Entscheidung zu erblicken.

Die Bfin. hat - wie auch schon im Beschwerdeverfahren - weiter vorgetragen, bei der Beurteilung ihres Erstattungsantrags hätte berücksichtigt werden müssen, daß ihr Betrieb völlig ausgebombt worden sei. Auch insoweit läßt die Vorentscheidung keine Fehler in der Beurteilung dieses Umstands erkennen, die die Entscheidung als nicht vertretbar erscheinen lassen könnten. Es ist vielmehr richtig, daß Kriegsfolgeschäden bei Zöllen und Verbrauchsteuern - also die Betriebskosten beeinflussenden Abgaben - im allgemeinen nicht als Gründe für Abgabenerlasse berücksichtigt werden dürfen. Denn sonst würden Verschiebungen der Wettbewerbsgrundlagen eintreten können. Auch wäre die Gewährung einer derartigen Vergünstigung mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vor dem Gesetz nicht vereinbar. Denn der Erlaß oder die Erstattung gesetzmäßig geschuldeter Abgaben würde in einem solchen Falle einer - anderen Geschädigten nicht zukommenden - zusätzlichen Entschädigung für Kriegsfolgen gleichkommen.

Da schließlich auch keine anderen sachlichen oder persönlichen Billigkeitsgründe erkennbar sind - durch die Nichterstattung der rund 2 1/2 Tausend DM ist für die Bfin. keine ernstliche Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Lage entstanden -, war die Rb. nach den vorstehenden Ausführung als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenfolge beruht auf § 307, die Festsetzung des Streitwertes auf § 320 AO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409060

BStBl III 1958, 248

BFHE 1958, 647

BFHE 66, 647

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