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BFH Urteil vom 18.11.1958 - I 176/57 U

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Das Finanzamt kann vor einer Einkommensteuerveranlagung nach Prüfung dem Steuerpflichtigen auf dessen Antrag die Zusage geben, einen rechtlich zweifelhaften Sachverhalt bei der künftigen Veranlagung in bestimmter Weise zu beurteilen.

Hat das Finanzamt eine solche Zusage gegeben, die der Steuerpflichtige zur Grundlage einer wirtschaftlichen Maßnahme gemacht hat, so ist das Finanzamt an seine Zusage gebunden, auch wenn sich später bei einer Betriebsprüfung neue Tatsachen ergeben, die aber mit dem der Zusage zugrunde liegenden Sachverhalt nicht zusammenhängen.

 

Normenkette

AO § 222 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Das durch Kriegseinwirkung unbenutzbare Betriebsgrundstück der Beschwerdeführerin (Bfin.) wurde 1949/1950 mit einem Gesamtaufwand von 106.769 DM wieder aufgebaut. Das Finanzamt ließ bei der ursprünglichen Gewinnfeststellung 1950 davon einen Betrag von 45.577 DM, den die Bfin. nach ihrer Angabe zur Schwammbeseitigung an den noch vorhandenen Gebäudeteilen aufgewandt hatte, als Erhaltungsaufwand zum sofortigen Abzug zu. Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1956, bei der einige neue Tatsachen festgestellt wurden, versagte das Finanzamt diesen Abzug. Es verlangte nunmehr die Aktivierung des gesamten Aufwands von 106.769 DM und ließ darauf nur eine Absetzung für Abnutzung von 2 v. H. zu.

Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte aus: Die Aufwendungen der Bfin. für die Schwammbeseitigung hätten nicht zur Erhaltung des Gebäudes, sondern zu dessen Wiederaufbau gedient. Die Schwammbeseitigungskosten seien ebenso zur Herstellung des neuen Gebäudes erforderlich gewesen wie die Enttrümmerungskosten (Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz in Entscheidungen der Finanzgerichte 1955 S. 260). Sie rechneten nicht zum Erhaltungsaufwand, weil mit der Wiederkehr solcher Aufwendungen nicht zu rechnen sei (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 8/53 U vom 9. Juli 1953, Bundessteuerblatt 1953 III S. 245, Slg. Bd. 57 S. 639). Wenn auch der Schwamm infolge Verwendung schlechten Baumaterials bei der Herstellung im Jahre 1871 entstanden sein möge, so seien doch die Schwammbeseitigungskosten nicht aufgewendet worden, um das Gebäude zu erhalten, sondern um das neue Gebäude errichten zu können.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird unrichtige Auslegung des § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gerügt; die Kosten der Schwammbeseitigung seien Erhaltungsaufwand. Im übrigen sei über die Behandlung der Schwammbeseitigungskosten vor der Gewinnfeststellung 1950 eingehend mit dem Finanzamt verhandelt worden. Es seien in dieser Hinsicht bei der Betriebsprüfung keine neuen Tatsachen festgestellt worden.

Das Finanzamt gibt zu, daß Kosten für die Schwammbeseitigung entstanden sind. Es hält die änderung seiner Rechtsauffassung hinsichtlich der Kosten der Schwammbeseitigung für zulässig, weil bei der Betriebsprüfung andere neue Tatsachen festgestellt worden seien und deshalb ohnehin eine Berichtigungsfeststellung hätte gemacht werden müssen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Es kann dahingestellt bleiben, ob, wie die Bfin. meint, die Kosten der Schwammbeseitigung an den noch vorhandenen Gebäudeteilen als Erhaltungsaufwand für diese Gebäudeteile sofort abschreibbar sind, oder ob, wie das Finanzgericht annimmt, die Kosten der Schwammbeseitigung Teil der Wiederaufbaukosten des Gebäudes im ganzen sind und daher zu den Herstellungskosten des Neubaus rechnen. Denn das Finanzgericht durfte im Streitfall an der Tatsache nicht vorbeigehen, daß unstreitig, als bei Beginn der Bauarbeiten der Schwamm festgestellt wurde, zwischen der Bfin. und dem Sachgebietsleiter des Finanzamts unter Zuziehung von Sachverständigen Verhandlungen stattfanden, bei denen der Sachgebietsleiter nach Prüfung der Angelegenheit zusagte, die Kosten der Schwammbeseitigung, die damals auf etw 47.000 DM ermittelt wurden, als Erhaltungsaufwand zum Abzug zuzulassen. Das Finanzamt ist bei der ersten Veranlagung auch dementsprechend verfahren. Obgleich die Bfin. im Berufungsverfahren diesen Sachverhalt vorgetragen hatte, hat das Finanzgericht dazu nicht Stellung genommen.

Grundsätzlich wird, wenn bei einer Betriebsprüfung neue Tatsachen von einigem Gewicht festgestellt werden, gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO der ganze rechtskräftig abgeschlossene Steuerfall wieder aufgerollt. Das Finanzamt ist auch in der Regel nicht gehindert, bei dieser Gelegenheit bereits früher bekannte Tatsachen zuungunsten des Steuerpflichtigen rechtlich anders zu würdigen. Es können sich aber im einzelnen Fall Einschränkungen dieses Grundsatzes ergeben. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn das Finanzamt hinsichtlich eines rechtlich zweifelhaften Sachverhalts nach Verhandlungen dem Steuerpflichtigen eine Zusage auf eine bestimmte Behandlung gegeben hat und die Zusage für den Steuerpflichtigen die Grundlage seiner wirtschaftlichen Dispositionen bildete. über Grund und Höhe des Steueranspruchs wird zwar im allgemeinen bei der Veranlagung entschieden. Das Finanzamt ist nicht verpflichtet, auf Wunsch des Steuerpflichtigen einen Teilkomplex der künftigen Veranlagung vorweg zu prüfen und zu entscheiden. Das Finanzamt ist aber auch andererseits durch keine gesetzliche Bestimmung gehindert, so zu verfahren. Wenn das Finanzamt es für zweckmäßig hält, im Einzelfall einen bestimmten Sachverhalt, dessen steuerliche Behandlung zweifelhaft und für die wirtschaftlichen Dispositionen des Steuerpflichtigen von Bedeutung ist, vorher zu klären und dem Steuerpflichtigen seine Stellungnahme mitzuteilen, so verstößt es nicht gegen das Gesetz. Macht das Finanzamt aber von dieser Möglichkeit Gebrauch, so ist es an seine Entscheidung grundsätzlich gebunden und kann, sofern sich später neue Tatsachen ergeben, von seiner Zusage nur abgehen, wenn die neuen Tatsachen sich auf den der Zusage zugrunde liegenden Sachverhalt beziehen. Das gilt insbesondere, wenn der Steuerpflichtige dem Finanzamt für die Entscheidung bedeutsame Tatsachen nicht oder nicht vollständig mitgeteilt hatte. Diese Beurteilung ergibt sich aus allgemeinen rechtlichen Erwägungen und einer vernünftigen Abwägung der Interessen der Steuerpflichtigen und des Steuerfiskus. Bei der Höhe der Einkommensteuersätze und der wirtschaftlichen Auswirkung der Steuerbelastung haben die Steuerpflichtigen oft ein Interesse daran, die steuerliche Beurteilung eines zweifelhaften Sachverhalts durch das Finanzamt rechtzeitig kennenzulernen, um sich bei ihren geschäftlichen Maßnahmen entsprechend einrichten zu können. Hat das Finanzamt in einem solchen Fall dem Steuerpflichtigen eine Zusage über die künftige Sachbehandlung gemacht, so gebietet es das Bedürfnis nach Sicherheit im Rechtsverkehr, daß das Finanzamt zu seinem Wort steht. Der Grundsatz von Treu und Glauben, der als allgemeines Rechtsprinzip auch das Verhältnis von Steuerpflichtigen und Steuerfiskus bestimmt, gebietet, daß im Rechtsverkehr jeder auf die berechtigten Belange des anderen Teiles angemessen Rücksicht nimmt und sich mit seinem eigenen früheren Verhalten, auf das der andere vertraut hat, nicht in Widerspruch setzt. Hat ein Steuerpflichtiger den zuständigen Beamten des Finanzamts unter vollständiger Darstellung eines verschiedener steuerlicher Beurteilung fähigen Sachverhalts um eine Entscheidung angegangen, die für seine Maßnahmen wesentlich war, und hat der Beamte die Entscheidung vorbehaltlos getroffen, so muß der Steuerpflichtige davon ausgehen können, daß das Finanzamt nicht später aus Gründen, die mit dieser Angelegenheit nichts zu tun haben, seine Auffassung ändert und damit den wirtschaftlichen Maßnahmen des Steuerpflichtigen rückwirkend die Grundlage entzieht.

Im Streitfall stehen die bei der Betriebsprüfung festgestellten neuen Tatsachen nicht mit dem früher behandelten und entschiedenen Sachverhalt in Zusammenhang. Es sind bei der Schwammbeseitigung unstreitig erhebliche Kosten entstanden. Zweifel scheinen nur zu bestehen, ob einige weniger bedeutsame Posten zu den Kosten der Schwammbeseitigung gehören. Unter diesen Umständen war das Finanzamt bei der aus anderen Gründen nach § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO zulässigen Berichtigungsfeststellung hinsichtlich der Kosten der Schwammbeseitigung an seine früher gegebene Zusage gebunden.

Die Vorentscheidung war wegen unrichtiger Anwendung von § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, da die Höhe der Kosten der Schwammbeseitigung nochmals zu prüfen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409229

BStBl III 1959, 52

BFHE 1959, 137

BFHE 68, 137

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