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BFH Urteil vom 18.03.1993 - IV R 96/92 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Personelle und sachliche Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung

 

Leitsatz (NV)

1. Die sog. Personengruppentheorie ist auch dann anwendbar, wenn die die Personengruppe bildenden Gesellschafter die einzigen Gesellschafter der Doppelgesellschaft sind.

2. Ein Grundstück, auf dem sämtliche für den Betrieb erforderlichen Werkstätten, die Büro- und Sozialräume, Lagerflächen und Parkplätze für Betriebsfahrzeuge zusammengefaßt sind, ist wesentliche Betriebsgrundlage.

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Beigeladenen sind Ehegatten und waren in den Streitjahren 1981 bis 1983 bzw. zu den Stichtagen 1. Januar 1980 bis 1984 alleinige Gesellschafter einer mit Vertrag vom 30. Juni 1966 gegründeten GmbH in X. Die Beteiligung des Ehemannes betrug 59,5 v.H., die der Ehefrau 40,5 v.H. Die GmbH betreibt die Planung, Konstruktion und Wartung von Rohrleitungssystemen. Neben der Fertigung der Spezialverrohrungen baut sie auch Wartungs- und Bedienungsbühnen. Ferner prüft, überholt und eicht sie Zähler und Reglerarmaturen. In den Streitjahren hatte die GmbH ca. 80 Mitarbeiter.

Die GmbH betreibt ihr Unternehmen auf dem Grundstück Z-Straße in X. Eigentümer des Grundstücks waren in den Streitjahren die Beigeladenen je zur Hälfte. Sie hatten das Grundstück im Jahre 1971 erworben und mit Vertrag vom 27. Mai 1971 zur betrieblichen Nutzung an die GmbH vermietet. Zu diesem Zweck hatten sie sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts - der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - zusammengeschlossen: Auf dem Grundstück befand sich im Zeitpunkt des Erwerbs ein landwirtschaftliches Anwesen, das von der GmbH für ihre Zwecke umgestaltet wurde. Die landwirtschaftlichen Nebengebäude wurden zu einem Sozialgebäude mit Wasch- und Umkleideraum sowie Aufenthaltsräumen, einer Werkstatt und Lagerräumen umgebaut. Ein durch Brand zerstörter Gebäudeteil wurde als Werkstatt für Meß- und Regeltechnik neu errichtet. Eine Garage wurde in ein Büro- und Lagerhaus umgebaut. Aus dem Wohnhaus entstand das Büro- und Verwaltungsgebäude der GmbH. Die Umbaukosten betrugen ca. 200000 DM zuzüglich weiterer 80000 DM für Hof- und Parkplatzbefestigung sowie die Einfriedung des Grundstücks.

Nach dem Mietvertrag (Stand 1978) bezog sich die Nutzung der GmbH auf folgende Gebäude und Gebäudeteile: Rohrwerkstatt (173 qm), Meß- und Regelwerkstatt (103 qm), Sozialgebäude (129 qm), Bürogebäude (123 qm), Planungsräume (66 qm) und Eisenlager (56 qm). Ferner umfaßte das Mietverhältnis eine gepflasterte Hoffläche von 1254 qm, eine asphaltierte Hoffläche von 910 qm und eine unbefestigte Hoffläche von 500 qm. Die Hoffläche wurde teil- und zeitweise als Lagerplatz für nicht in den Gebäuden unterzubringende Rohr- und Stahlteile verwendet. Außerdem wurden dort auf den Baustellen nicht benötigte Geräte, insbesondere Bauwagen, Lkw und Bagger abgestellt. Vor dem Ankauf des Grundstücks und dessen Vermietung an die GmbH war deren Betrieb auf drei verschiedene Grundstücke verteilt gewesen, und zwar auf eine gemietete Scheune an der Z-Straße, einen Werkstattraum in einer anderen Scheune und einen gemieteten Büroraum im Wohnhaus der Beigeladenen. 1987 bzw. 1989 mietete die GmbH ein Verwaltungsgebäude und eine Halle, die die Kinder der Beigeladenen in der Nachbarschaft der alten Gebäude an der Z-Straße errichtet hatten. Die entsprechenden alten Gebäude dienten danach ohne weiteren Umbau Lagerzwecken.

Anläßlich einer für die Streitjahre durchgeführten Außenprüfung kamen der Prüfer und ihm folgend das beklagte Finanzamt (FA) zu dem Ergebnis, daß in den Streitjahren die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung gegeben seien und daß daher die Vermietung des Betriebsgrundstücks an die GmbH eine gewerbliche Tätigkeit darstelle.

Hiergegen wandte sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruch mit der Klage. Zur Begründung führte sie aus, die Hauptleistung der GmbH werde nicht am Firmensitz, sondern an den jeweiligen Montagestellen erbracht. Der Firmensitz werde nur für Planung, Abrechnung und kaufmännische Verwaltung, Lagerung von Restbeständen und der für die Vormontage erforderlichen Teile sowie Wartung und Eichung von Meßgeräten benötigt. Für die Durchführung dieser Arbeiten bedürfe es keiner besonders gestalteten Räume.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Hiergegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Zutreffend hat das FG entschieden, daß zwischen der Klägerin und der GmbH eine Betriebsaufspaltung vorgelegen hat.

Die Vermietung von Wirtschaftsgütern an ein anderes Unternehmen stellt sich als eine über die Verwaltung und Nutzung hinausgehende gewerbliche Tätigkeit dar, wenn das vermietende Unternehmen (Besitzunternehmen) mit dem mietenden (Betriebsgesellschaft) sachlich und personell verflochten ist (Betriebsaufspaltung - ständige Rechtsprechung, Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. März 1973 I R 174/72, BFHE 109, 456, BStBl II 1973, 686; vom 28. Juni 1973 IV R 97/72, BFHE 109, 459, BStBl II 1973, 688; vom 11. Dezember 1974 I R 260/72, BFHE 114, 433, BStBl II 1975, 266; vom 12. September 1991 IV R 8/90, BFHE 166, 55, BStBl II 1992, 347).

1. Die personellen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung (personelle Verflechtung) sind im Streitfall erfüllt.

Von einer personellen Verflechtung wird gesprochen, wenn eine oder mehrere Personen zusammen sowohl das Besitz- als auch das Betriebsunternehmen in der Weise beherrschen, daß sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen Geschäfts- und Betätigungswillen durchzusetzen (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 15 Anm. 144 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Diese Voraussetzungen sind auch dann gegegen, wenn an beiden Unternehmen mehrere Personen in unterschiedlicher Höhe beteiligt sind, die zusammen in beiden Unternehmen über die Mehrheit der Stimmen verfügen (sog. Personengruppentheorie, Beschluß des Großen Senats des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63, ständige Rechtsprechung zuletzt im BFH-Urteil vom 17. November 1992 VIII R 36/91, BFHE 169, 389, BStBl II 1993, 233; Schmidt, a.a.O., § 15 Anm. 144a; Söffing, Die Betriebsaufspaltung, 2. Aufl., S.21, jeweils m.w.N.).

Im Streitfall waren die Beigeladenen zu je 50 v.H. an der Besitzgemeinschaft und zu 59,5 v.H. bzw. 40,5 v.H. an der Betriebs-GmbH beteiligt.

Die Einwendungen, die die Klägerin gegen die Anwendung der Personengruppentheorie im Streitfall erhebt, greifen nicht durch. Ein Interessengegensatz zwischen den an beiden Gesellschaften beteiligten Personen läßt sich nicht daraus herleiten, daß ihre Beteiligung an der GmbH eine unterschiedliche Höhe aufweist. Mit diesem Einwand hat sich der BFH bereits im Urteil vom 2. August 1972 IV 87/65 (BFHE 106, 325, BStBl II 1972, 796) auseinandergesetzt. Er hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die an beiden Unternehmen beteiligten Personen nicht zufällig zusammengekommen sind, sondern sich zur Verfolgung eines bestimmten betrieblichen Zwecks auch beim Besitzunternehmen zusammengefunden haben. Solange die - bewußt gestaltete - Doppelgesellschaft Bestand haben soll, ist daher eine zwischen den Gesellschaftern abgestimmte Willensbildung erforderlich. Etwas anderes kann entgegen der Ansicht von Schneeloch (Deutsches Steuerrecht - DStR - 1991, 761, 764) auch dann nicht gelten, wenn die die Personengruppe bildenden Gesellschafter - wie im Streitfall die Beigeladenen - die einzigen Gesellschafter der Doppelgesellschaft sind (BFH-Urteil vom 17. März 1987 VIII R 36/84, BFHE 150, 356, BStBl II 1987, 858). Mit der Zusammenrechnung von Ehegattenanteilen hat das nichts zu tun (Senatsbeschluß vom 28. Mai 1991 IV B 28/90, BFHE 164, 543, BStBl II 1991, 801). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der im BFH-Urteil vom 10. Dezember 1991 VIII R 71/87 (BFH/NV 1992, 551) entschiedene Fall mit dem Streitfall schon deshalb nicht vergleichbar, weil in jenem Fall - vermittels der Einstimmigkeitsabrede - auch Personen auf die Willensbildung bei der Besitzgesellschaft Einfluß nehmen konnten, die an der Betriebsgesellschaft nicht beteiligt waren.

2. Auch die Voraussetzungen für die Annahme einer sachlichen Verflechtung sind im Streitfall erfüllt. Der der Betriebs-GmbH vermietete Grundbesitz mit den darauf befindlichen Gebäuden sowie den befestigten und unbefestigten Hofflächen stellte in den Streitjahren eine wesentliche Betriebsgrundlage für die GmbH dar.

Ein Grundstück ist im Rahmen einer Betriebsaufspaltung für das Betriebsunternehmen eine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich ist und besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzt (BFH-Urteile vom 26. März 1992 IV R 50/91, BFHE 168, 96, BStBl II 1992, 830; vom 12. Februar 1992 XI R 18/90, BFHE 167, 499, BStBl II 1992, 723; in BFHE 169, 389, BStBl II 1993, 233, jeweils m.w.N.).

Das FG hat aus seinen tatsächlichen Feststellungen zutreffend den Schluß gezogen, daß diese Voraussetzungen im Streitfall nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse erfüllt sind. Auf dem Grundstück befanden sich in den Streitjahren sämtliche für den Betrieb erforderlichen Werkstätten (für Rohrbau sowie Meß- und Regeltechnik), die Büro- und Sozialräume, Lagerflächen und Parkplätze für Baufahrzeuge. Es besaß deshalb besonderes Gewicht für die Betriebsführung. Etwas anderes folgt nicht daraus, daß sich auf dem Grundstück vorher eine landwirtschaftliche Hofstelle befunden hatte. Durch den Umbau wurde das Anwesen für gewerbliche Zwecke hergerichtet. Der Fall ist nicht mit dem vergleichbar, daß der Betrieb ohne Umbaumaßnahmen in einem Schulhaus durchgeführt werden kann (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1988 VIII R 339/82, BFHE 154, 539, Finanz-Rundschau - FR - 1989, 18). Im Streitfall konnte allenfalls das Wohnhaus des landwirtschaftlichen Anwesens ohne Veränderung als Büro genutzt werden. Das reichte jedoch nicht zum Betrieb des Unternehmens. Das gilt auch dann, wenn die wesentlichen Produktionsarbeiten an den verschiedenen Baustellen erbracht wurden. Denn jedenfalls mußten auf dem Grundstück an der Z-Straße Arbeiten verrichtet werden, die die dort befindlichen Werkstätten erforderten. In ähnlicher Weise hat der BFH auch das Grundstück, auf dem sich das Lager, die Reparaturwerkstätten, Büro- und Verkaufsräume, Sozialräume und Garagen eines Betriebs für Pelzherstellung und -reparatur befanden, als wesentliche Betriebsgrundlage angesehen, obwohl die Herstellung der Pelze im wesentlichen als Lohnaufträge an Fremdunternehmen vergeben waren (BFH-Urteil in BFHE 169, 389, BStBl II 1993, 233; ähnlich bereits Senatsurteil vom 17. September 1992 IV R 49/91, BFH/NV 1993, 95).

Es bedarf entgegen der Auffassung der Kläger nicht einer besonderen Herrichtung in der Weise, daß das Betriebsgebäude ohne bauliche Veränderungen für ein anderes Unternehmen nicht verwendbar wäre (Senatsurteil vom 5. September 1991 IV R 113/90, BFHE 165, 420, BStBl II 1992, 349; ähnlich BFH-Urteil in BFHE 167, 499, BStBl II 1992, 723 zum Ladenlokal eines Getränkeeinzelhandels). Die Herrichtung für die besonderen Bedürfnisse des Betriebs ergibt sich in Fällen wie dem vorliegenden - worauf das FG zutreffend hingewiesen hat - bereits aus der räumlichen Zusammenfassung von Lagerung, Büro, Werkstatt- und Sozialgebäuden (vgl. auch BFH-Urteil vom 29. Oktober 1991 VIII R 77/87, BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334 zu einem Vulkanisierbetrieb mit Reifenhandel). Die Lage des Grundstücks, insbesondere die Infrastruktur der Umgebung, ist für ein Unternehmen wie das der GmbH von geringerer Bedeutung. Das wird auch dadurch deutlich, daß auch die neuen Betriebsgebäude in unmitelbarer Nachbarschaft errichtet wurden.

Etwas anderes folgt auch nicht daraus, daß die GmbH nach dem Vorbringen der Kläger in der Lage gewesen wäre, ihren Betrieb auf ein anderes Grundstück zu verlegen. In den BFH-Urteilen vom 7. August 1987 VIII R 110/87 (BStBl II 1991, 336) und in BFHE 166, 82, BStBl II 1992, 334 wird eine sachliche Verflechtung nur für den Fall verneint, daß ein Austausch der Betriebsgrundstücke jederzeit möglich ist. Das kann nur so verstanden werden, daß ein Betriebsgrundstück bereits dann besonderes Gewicht für die Betriebsführung hat, wenn bei einer Kündigung des Mietverhältnisses die Gefahr einer vorübergehenden Stillegung des Betriebs bestünde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419101

BFH/NV 1994, 15

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