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BFH Urteil vom 18.03.1966 - III 356/61

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Handelsrecht Gesellschaftsrecht Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Ist ein nach Befriedigung aller Gläubiger verbliebenes Vermögen einer aufgelösten GmbH sachlich ordnungsgemäß verteilt und die GmbH im Handelsregister gelöscht worden, so ist ein an die gelöschte GmbH gerichteter und einem früheren Liquidator ohne vorherige Neubestellung bekanntgemachter Vermögensabgabebescheid nichtig.

Das Vermögen einer GmbH kann nicht auf eine andere GmbH mit der Wirkung übertragen werden, daß im Wege der Gesamtrechtsnachfolge die Steuer- und Abgabeschulden der Rechtsvorgängerin auf die Rechtsnachfolgerin nach § 8 StAnpG übergehen, da zwischen Gesellschaften mit beschränkter Haftung weder deren Verschmelzung noch die Vermögensübertragung im ganzen ohne vorherige Liquidation zugelassen ist.

Die Vorschrift des § 52 Abs. 3 LAG findet keine Anwendung, wenn nach Beginn der Auflösung einer GmbH ein Gesellschafter den ihm zustehenden Anspruch auf den Liquidationserlös an einen anderen Gesellschafter der aufzulösenden Gesellschaft oder unmittelbar an einen Dritten abgetreten hat oder wenn er aus der GmbH gegen Entgelt ausgeschieden ist oder sein Geschäftsanteil gegen Entgelt nach § 34 GmbHG eingezogen wurde.

Wird der Bescheid über die Vermögensabgabe nach Beginn der Auflösung einer GmbH bekanntgemacht, so ist der Ablösungswert auf den Zeitpunkt des Beginns der Auflösung zu berechnen und auf alle Vierteljahrsbeträge zu erstrecken, die in diesem Zeitpunkt noch nicht fällig waren; § 4 Abs. 4 der 1. AbgabenDV-LA findet dabei in der jeweils für den Berechnungszeitpunkt maßgebenden Fassung Anwendung.

 

Normenkette

GmbHG §§ 34, 69-70, 74; StAnpG § 8; AO § 91 Abs. 1; LAG §§ 52, 60

 

Gründe

Da es sich um einen Fall handelt, bei dem vor Inkrafttreten des LAG mit der Liquidation begonnen worden war und solche Fälle kaum noch praktische Bedeutung haben, wird von dem Abdruck des umfangreichen Tatbestands und der vollen Wiedergabe der Gründe abgesehen.

Die Rbn., die nach dem Inkraftreten der FGO (BStBl 1965 I S. 564) als Revisionen zu behandeln sind, führen zur Aufhebung der Vorentscheidung.

I. ... II. ... III. ...

IV. Der Revisionsbeklagte hat auf den 20. März 1958 nicht nur den Fälligkeitstag festgestellt, sondern auch auf diesen Tag den Ablösungswert der noch nicht fälligen Vierteljahrsbeträge berechnet. Dabei hat er den Bonus nach § 4 Abs. 4 der 1. AbgabenDV-LA nicht berücksichtigt. Die Revisionskläger der B- Gruppe sind der Auffassung, daß diese Berechnung nicht dem Sinn und Wortlaut des § 52 Abs. 1 LAG entspricht.

Der Wortlaut des § 52 Abs. 1 Satz 1 LAG läßt beide Auslegungen zu. In den Fällen, in denen der Vermögensabgabebescheid vor der Auflösung einer Körperschaft bekanntgegeben worden ist, spielt diese Frage keine Rolle, weil der Tag der Auflösung und der Tag der Fälligkeit der Vermögensabgabeschuld mit dem Ablösungswert zusammenfallen. In diesen Fällen muß zwangsläufig der Ablösungswert auf diesen Tag berechnet werden, gleichgültig, ob man ihn als den Tag der Auflösung oder den Tag der Fälligkeit ansieht. Der Tag der Auflösung und der Tag der Fälligkeit mit dem Ablösungswert fallen aber nicht zusammen, wenn der Vermögensabgabebescheid nach der Auflösung einer Körperschaft bekanntgegeben wird, so daß es einer besonderen Auslegung, und zwar zunächst der Wortauslegung, bedarf. Die Worte "in Höhe ihres Ablösungswerts" beziehen sich auf die noch nicht fälligen Vierteljahresbeträge. In Verbindung mit der Fälligstellung läßt sich daraus nur soviel entnehmen, daß die noch nicht fälligen Vierteljahrsbeträge nicht in Höhe ihres jeweiligen Nennbetrags, sondern nur in Höhe ihres Ablösungswerts fällig werden. Das vorrangige Ereignis, von dem aus gesehen die Vierteljahrsbeträge "noch nicht fällig" sind, ist immer die Auflösung der Körperschaft. Solange dieses Ereignis nicht eingetreten ist, können noch nicht fällige Vierteljahrsbeträge nach § 52 LAG nicht fällig werden. Es liegt deshalb nahe, den Zeitpunkt der Auflösung einer Körperschaft als den maßgebenden Zeitpunkt zu bezeichnen, an den das Gesetz anknüpft, um die Vierteljahrsbeträge in diesem Zeitpunkt als noch nicht fällig zu bezeichnen. In den Fällen, in denen die Bekanntgabe des Vermögensabgabebescheids vor der Auflösung der Körperschaft liegt, trifft dies auch ohne weiteres zu. Es ist aber ungeachtet dieser Auslegung nicht zu verkennen, daß in § 52 Abs. 1 Satz 1 LAG von der Fälligkeit noch nicht fälliger Vierteljahrsbeträge gesprochen wird und daß deshalb auch eine Auslegung möglich ist, die an das Ereignis der Fälligkeit der restlichen Vermögensabgabeschuld anknüpft. In diesem Fall wären von diesem Ereignis ab die Vierteljahrsbeträge als noch nicht fällig anzusehen. Es wäre aber unrichtig, der Vorschrift eine solche Auslegung deswegen zu geben, weil es sonst an einem Anhaltspunkt für eine zutreffende Bemessung des Ablösungsbetrags fehlen würde (so Kühne-Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, § 52 Anm. 7 b). Der Beginn der Abwicklung ist in den Fällen, in denen der Vermögensabgabebescheid nach der Auflösung der Körperschaft bekanntgemacht wird, genauso gut festzustellen wie in den Fällen, in denen die Bekanntgabe dem Beginn der Abwicklung zeitlich vorangeht.

Aus dem Wortlaut läßt sich somit keine Klärung herbeiführen. Auch aus der Parallelvorschrift des § 179 LAG für die Zwecke der Kreditgewinnabgabe (KGA), aus der Vorschrift des § 51 LAG, die für die Fälle der Abwanderung eine im wesentlichen gleiche Regelung trifft, und aus den Vorschriften der §§ 50 und 73 LAG, die auf § 52 LAG Bezug nehmen, lassen sich keine Rückschlüsse für die hier in Betracht kommende Auslegung hinsichtlich der Wortfassung entnehmen. Die Begründung zum Regierungsentwurf des LAG (Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, Drucksache Nr. 1800, Anlage 1 b) enthält keine Ausführungen, da in dem Regierungsentwurf eine dem § 52 LAG entsprechende Regelung noch nicht enthalten war. Die Regelung erscheint erstmals in dem Zwischentext vom 15. Februar 1952, dem aber keine Begründung beigefügt wurde.

Versagen somit die Wortauslegung und alle sonstigen Hilfsmittel zur Auslegung der Vorschrift des § 52 Abs. 1 Satz 1 LAG, so kann nur noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift und letzten Endes aus dem Ergebnis eine entscheidende Klärung herbeigeführt werden. Zu den Aufgaben der Abwickler gehören nach § 70 GmbHG die Beendigung der laufenden Geschäfte, die Erfüllung der Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft, die Einziehung der Forderungen und das Umsetzen des Vermögens der Gesellschaft in Geld. Um die Pflicht, die Gesellschaftsgläubiger zu befriedigen, erfüllen zu können, ist zur ordnungsmäßigen Abwicklung erforderlich, nicht nur den Gesellschaftsgläubiger, sondern auch die Höhe seiner Forderung zu kennen. Der Gesetzgeber mußte deshalb bei der Regelung des § 52 LAG, die sich mit der Geltendmachung der Vermögensabgabeforderung im Falle der Auflösung einer Körperschaft befaßt, darauf bedacht sein, die Aufgabe des Abwicklers, den Vermögensabgabegläubiger zu befriedigen, dadurch zu erleichtern, daß die Höhe der zu fordernden Vermögensabgabeschuld in einer festen Größe bei Beginn der Auslösung errechenbar ist. Dieses Ziel wird dann erreicht, wenn die Berechnung des Ablösungswerts an den Zeitpunkt des Beginns der Auflösung geknüpft wird. In diesem Sinne ist auch die Vorschrift zu verstehen, daß der Ablösungswert auf diesen Stichtag zu errechnen ist, wenn der Vermögensabgabebescheid vor der Auflösung bekanntgemacht worden ist. In Höhe dieses Betrags soll der Ablösungswert dann auch sofort fällig werden. Das gleiche Interesse an der Kenntnis des Ablösungswerts besteht aber auch dann, wenn im Zeitpunkt der Auflösung der Vermögensabgabebescheid noch nicht bekanntgemacht worden ist. Würde die Höhe des Ablösungswerts von dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Vermögensabgabebescheids abhängig gemacht werden, so könnte sich je nach der Zeitdauer bis zur Bekanntgabe des Vermögensabgabebescheids die Gesamtsumme der zu entrichtenden Vermögensabgabeschuld zuungunsten der abzuwickelnden Gesellschaft erheblich ändern. Der Vorteil der späteren Fälligkeit unter Berechnung der Vermögensabgabeschuld in Höhe des Ablösungswerts statt des Zeitwerts könnte auf diese Weise mindestens teilweise, u. U. aber auch ganz verlorengehen. Ein solches Ergebnis würde dem Sinn der Regelung in § 52 LAG widersprechen. Hinzu kommt, daß in den Fällen, in denen die Auflösung der Gesellschaft vor dem Inkrafttreten des LAG beendet war, durch das rückwirkende Inkrafttreten des LAG und damit durch die nachträgliche Entstehung der Vermögensabgabeschuld für eine abgewickelte und im Handelsregister gelöschte Gesellschaft eine besondere Härte entstanden ist. Um diese Härte abzuschwächen, hat deshalb bereits der Bundesminister der Finanzen (BdF) in Tz. 15 des 5. SHA- Sammelerlasses (a. a. O.) bestimmt, daß eine Haftung der Liquidatoren für den künftigen Lastenausgleich nicht in Betracht komme, wenn in Höhe des vierfachen Jahresbetrags der SHA Sicherheit geleistet werde. Der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister stehe dann nichts mehr im Wege.

Die Berechnung des Ablösungswerts im Zeitpunkt der Fälligkeit der restlichen Vermögensabgabeschuld in den Fällen der Bekanntgabe des Abgabebescheids nach Auflösung der Körperschaft würde aber auch zu völlig ungleichmäßigen, in der Sache nicht gerechtfertigten Ergebnissen führen. Es wäre beispielsweise nicht zu verstehen, wenn zwei Ablösungswerte auf zwei weit auseinander liegende Stichtage zu berechnen wären, obwohl die beiden Gesellschaften am gleichen Tage und auf den gleichen Zeitpunkt der Auflösung beschlossen hätten, der einen Gesellschaft aber der Vermögensabgabebescheid zu diesem Zeitpunkt bereits bekanntgemacht war, der anderen Gesellschaft dagegen aus keinem ihr zuzurechnenden Grund mehrere Jahre später erst bekanntgemacht würde. Nicht nur, daß die letztere Gesellschaft in ihrer Abwicklung gehemmt wäre, müßte sie außerdem einen erheblich höheren Vermögensabgabebetrag entrichten, da die Vierteljahrsbeträge bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit der restlichen Vermögensabgabeschuld ohne Abzinsung zu berechnen und zu entrichten wären. Auch in diesem Falle wären die Gesellschaften, die vor Inkrafttreten des LAG aufgelöst und abgewickelt wurden, besonders benachteiligt, weil, wie dies auch im Streitfall zutrifft, der zeitliche Abstand von der Auflösung bis zur Bekanntgabe des Vermögensabgabebescheides in den weitaus meisten Fällen besonders groß ist.

Zusammenfassend ergibt sich demnach aus den vorstehenden Ausführungen, daß nach dem Sinn und Zweck des § 52 LAG der Ablösungswert auch in den Fällen, in denen der Vermögensabgabebescheid nach der Auflösung einer Körperschaft bekanntgegeben wird, immer auf den Zeitpunkt des Beginns der Auflösung zu berechnen ist.

V. ...

 

Fundstellen

Haufe-Index 412055

BStBl III 1966, 391

BFHE 1966, 198

BFHE 86, 198

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