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BFH Urteil vom 12.03.1992 - V R 55/88

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Anerkennung eines landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebs

 

Leitsatz (amtlich)

Die Anerkennung eines land- und forstwirtschaftlichen Nebenbetriebes setzt einen land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb desselben Unternehmers voraus.

 

Orientierungssatz

1. § 24 UStG 1973/1980 schafft keinen zusätzlichen Besteuerungstatbestand, sondern begünstigt innerhalb der allgemeinen umsatzsteuerrechtlichen Regelung die im Rahmen eines landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betriebes bewirkten Umsätze, und zwar dadurch, daß er auf die Herstellung eines Gleichgewichtes zwischen Vorsteuerbelastung und Steuerbelastung ausgerichtet ist (vgl. BFH-Urteil vom 21.2.1980 V R 113/73). Die Vorschrift hält sich, insbesondere hinsichtlich der Unternehmereigenschaft und des Umfanges des betreffenden Unternehmens (§ 2 Abs. 1 UStG 1973/1980) an das Regelungsgefüge des UStG 1973/1980.

2. Die Beurteilung, ob ein einheitlicher landwirtschaftlicher (§ 24 Abs. 2 UStG 1973/1980) oder gewerblicher Betrieb vorliegt, hängt davon ab, ob die gewerbliche oder landwirtschaftliche Betätigung dem einheitlichen Betrieb das Gepräge gibt. Maßgebend sind hierbei die Verhältnisse mehrerer Jahre. Für die Beurteilung kann es auch auf die Höhe der Umsätze aus der jeweiligen Betätigung und darauf ankommen, ob und inwieweit die jeweilige Betätigung nach der Rechtsordnung anderen Unternehmern vorbehalten ist.

 

Normenkette

UStG 1980 § 24 Abs. 2 S. 2; UStG 1973 § 24 Abs. 2 S. 2; UStG 1980 § 2 Abs. 1; UStG 1973 § 2 Abs. 1

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zusammen mit seiner Ehefrau "Inhaber" eines landwirtschaftlichen Betriebes. Er betreibt daneben eine Mühle. In der Mühle wird nur der in der Landwirtschaft selbst gewonnene Qualitätsroggen gemahlen. Der Kläger verwendet dieses Mehl ausschließlich dazu, Brot aus Sauerteig selbst herzustellen; Mehl zum Brotbacken wird nicht zugekauft. Das im landwirtschaftlichen Betrieb gewonnene Getreide wird im übrigen verkauft. Bei der Brotherstellung wird reiner, im Betrieb des Klägers weitergezüchteter Natursauerteig verwendet. Der Ofen wird mit Holz (sog. "Backraumbefeuerung") befeuert. Technische Einrichtungen, wie sie bei modernen Etagenbacköfen gegeben sind, liegen nicht vor. Der Brotteig wird mit einer Teigknetmaschine bereitet. Das Brot wird nur an private Abnehmer verkauft. Die Umsätze aus dem Brotverkauf betrugen im Jahr 1978 rd. ... DM, in den Jahren 1979 bis 1982 je rd. ... DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) unterwarf diese Umsätze der Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967 bzw. 1980). Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Mit der Klage trägt der Kläger vor, die Umsätze aus der Brotherstellung seien der Durchschnittsbesteuerung nach § 24 UStG zu unterwerfen, da es sich insoweit um einen Nebenbetrieb handele (§ 24 Abs.2 Satz 2 UStG 1967 bzw. 1980 und § 13 Abs.2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG ging davon aus, daß ein Nebenbetrieb nicht vorliege. Das Brotbacken sei dem gewerblichen Bereich zuzuordnen. Brot stelle eine weitere Veredelungsstufe des landwirtschaftlichen Urprodukts dar und erfordere neben dem Mehl eine bestimmte Zutat (Natursauer), welche für die Qualität des Brotes nicht unwesentlich sei. Ferner würden besondere Vorrichtungen --Holzofen, Teigknetmaschine-- benötigt; zumindest letzteres sei für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb als untypisch zu bezeichnen. Zwar werde das Brot mittels eines Verfahrens hergestellt, wie es in früheren Jahren bei der Brotbäckerei auf Bauernhöfen üblich gewesen sei und von Bäckereien oder Brotfabriken nur noch in geringem Umfang angewandt werde. Die hierin liegende Beziehung zum landwirtschaftlichen Betrieb und der Umstand, daß letztlich selbsterzeugter Roggen verbacken werde, reichten jedoch nicht aus, um den Nebenbetrieb noch als Teil der Landwirtschaft erscheinen zu lassen. Der erhebliche Umfang der Brotveräußerung führe vielmehr zu der Beurteilung, daß ein gewerblicher Nebenbetrieb vorliege.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts und erhebt Verfahrensrügen. Er trägt im wesentlichen folgendes vor: Das FG verkenne, daß nach der Verkehrsauffassung Brot noch als landwirtschaftliches Produkt angesehen werden könne und er, der Kläger, daher Brot im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebes herstelle und liefere. Das FG habe überraschend an eine in der Kommentarliteratur vertretene Auffassung angeknüpft, wonach in Fällen, in denen die Verarbeitung solchen Personen vorbehalten sei, die bestimmte Prüfungen oder Zulassungen besitzen oder die konzessioniert sein müssen, grundsätzlich von einer gewerblichen Tätigkeit auszugehen sei. Nach der Handwerksordnung liege im Streitfall ein Nebenbetrieb in unerheblichem Umfange vor, so daß seine, des Klägers, Tätigkeit keine handwerkliche, sondern eine landwirtschaftliche sei.

Schließlich habe das FG zwei wesentliche rechtliche Gesichtspunkte erst im Urteil in das Verfahren eingeführt, nämlich die Höhe des Umsatzes und den Umfang der Vorrichtungen zur Brotherstellung als Entscheidungskriterium.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG sowie die geänderten Umsatzsteuerbescheide 1978 bis 1982 vom 21.März 1984 und die Einspruchsentscheidung vom 21.Mai 1985 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Aus den Feststellungen des FG ergibt sich nicht mit der zur Überzeugung des Senats notwendigen Sicherheit, ob der Kläger allein oder zusammen mit seiner Ehefrau der landwirtschaftliche Unternehmer gewesen ist, und damit ebenfalls nicht, wessen Tätigkeit den Nebenbetrieb umfaßt hat (§ 2 Abs.1, § 24 Abs.2 Satz 2 UStG 1973 bzw. 1980). Darauf wäre es aber deswegen angekommen, weil für das Umsatzsteuerrecht Identität des Unternehmers beim Hauptbetrieb und beim Nebenbetrieb i.S. des § 24 Abs.2 Satz 2 UStG 1973 bzw. 1980 vorhanden sein muß.

1. Eine Besteuerung nach Durchschnittssätzen gemäß § 24 UStG 1973 bzw. 1980 ist nur für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze vorgesehen (§ 24 Abs.1 Satz 1 UStG 1973 bzw. 1980). Land- und Forstwirtschaft ist die planmäßige Nutzung des Bodens und die Verwertung der gewonnenen Erzeugnisse (Urteil vom 12.Januar 1989 V R 129/84, unter II 1, BFHE 156, 281, BStBl II 1989, 432, m.w.N.). Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören auch Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind (§ 24 Abs.2 Satz 2 UStG 1973 bzw. 1980).

a) Aus den Feststellungen des FG ergibt sich nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit, ob und inwieweit der Kläger --allein oder zusammen mit seiner Ehefrau-- Unternehmer in Beziehung auf den landwirtschaftlichen Betrieb ist. Dementsprechend steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, ob der Kläger Schuldner der streitigen Umsatzsteuer ist oder nicht.

Das FG hat einerseits festgestellt, daß Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebs der Kläger und seine Ehefrau seien; dies läßt nicht zweifelsfrei erkennen, wer Unternehmer i.S. des § 2 Abs.1 UStG 1973 bzw. 1980 in Beziehung auf den landwirtschaftlichen Betrieb ist. Andererseits ist das FG davon ausgegangen, daß die im --ggf. vorliegenden-- Nebenbetrieb ausgeübte Tätigkeit allein dem Kläger zuzurechnen sei. Angesichts dessen bleibt ungewiß, wer Unternehmer des landwirtschaftlichen Betriebs ist, zu dem ein Nebenbetrieb gehören könnte.

Die sich aus den eben erörterten Feststellungen ergebende Unklarheit wird noch durch das zur Einkommensteuer ergangene Urteil des FG (anhängig beim Bundesfinanzhof --BFH--) verstärkt. Dort ist das FG davon ausgegangen, daß die Tätigkeit im --ggf. vorliegenden-- Nebenbetrieb von den Eheleuten --also nicht allein vom Kläger, wie für den Streitfall festgestellt-- ausgeübt wird.

b) Darauf, wer im Streitfall Unternehmer ist, wäre es überdies auch deswegen angekommen, weil für das Umsatzsteuerrecht Identität des Inhabers von Hauptbetrieb und Nebenbetrieb i.S. des § 24 Abs.2 Satz 2 UStG 1973 bzw. 1980 erforderlich ist.

§ 24 UStG 1973 bzw. 1980 schafft keinen zusätzlichen Besteuerungstatbestand, sondern begünstigt innerhalb der allgemeinen umsatzsteuerrechtlichen Regelung die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes bewirkten Umsätze, und zwar dadurch, daß er auf die Herstellung eines Gleichgewichtes zwischen der Vorsteuer- und der Steuerbelastung ausgerichtet ist (vgl. BFH-Urteil vom 21.Februar 1980 V R 113/73, unter 2., BFHE 131, 104, BStBl II 1980, 613, zum insoweit gleichlautenden UStG 1967). Im übrigen hält sich die Vorschrift an das Regelungsgefüge des UStG 1973 bzw. 1980, insbesondere hinsichtlich der Unternehmereigenschaft und des Umfanges des betreffenden Unternehmens (§ 2 Abs.1 UStG 1973 bzw. 1980). Innerhalb des Unternehmensumfangs werden die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführten Umsätze begünstigt, wobei zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auch die Nebenbetriebe gehören, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind (§ 24 Abs.2 Satz 2 UStG 1973 bzw. 1980). Die Anerkennung eines aus Haupt- und Nebenbetrieb bestehenden einheitlichen Betriebes setzt aber voraus, daß die Betriebsteile zum Unternehmen desselben Unternehmers gehören (vgl. Schöll in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, § 24 Anm.33).

c) Auf die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen kommt es nach alledem nicht mehr an.

2. Das FG wird bei seiner neuerlichen Verhandlung und Entscheidung von den Grundsätzen auszugehen haben, wie sie der Senat in seinem Urteil in BFHE 156, 281, BStBl II 1989, 432 entwickelt hat. Hierbei wird das FG zunächst darüber zu befinden haben, ob von einem einheitlichen Betrieb oder von umsatzsteuerrechtlich (und einkommensteuerrechtlich) getrennten Betrieben auszugehen ist. Nur bei einem einheitlichen Betrieb kann sich die weitere Frage stellen, ob ein einheitlicher landwirtschaftlicher oder gewerblicher Betrieb vorliegt. Ob ersteres oder letzteres zutrifft, hängt davon ab, ob die gewerbliche oder landwirtschaftliche Betätigung dem einheitlichen Betrieb das Gepräge gibt. Maßgebend sind hierbei die Verhältnisse mehrerer Jahre.

Die Umsatzsteuer knüpft nicht an die Zuordnung von Gegenständen oder an die Unterscheidung nach Vermögensarten an, sondern an die unternehmerische Tätigkeit (BFH-Urteil in BFHE 131, 104, BStBl II 1980, 613 unter 1. c). Dementsprechend hängt die Prägung des einheitlichen Betriebs von der entsprechenden Betätigung ab. Es kann daher umsatzsteuerrechtlich nicht allein darauf ankommen, ob im vermeintlichen Nebenbetrieb ein Produkt hergestellt wird, das nach der Verkehrsauffassung als landwirtschaftliches Erzeugnis anzusehen ist. Liegt ein landwirtschaftliches Erzeugnis vor, so wird sich allerdings auch für einen "Nebenbetrieb" die Zuordnung zur landwirtschaftlichen Tätigkeit regelmäßig schon nach den allgemeinen Grundsätzen ergeben. Für die Frage, ob ein einheitlicher Betrieb durch die landwirtschaftliche oder die gewerbliche Betätigung geprägt wird, kann es auch auf die Höhe der Umsätze aus der jeweiligen Betätigung und darauf ankommen, ob und inwieweit die jeweilige Betätigung nach der Rechtsordnung anderen Unternehmern vorbehalten ist.

 

Fundstellen

BFH/NV 1992, 71

BStBl II 1992, 982

BFHE 168, 454

BFHE 1993, 454

BB 1992, 1845 (L)

DB 1992, 2535 (L)

DStR 1992, 1429 (KT)

HFR 1993, 32 (LT)

StE 1992, 513 (K)

WPg 1992, 790 (S)

StRK, R.4 (KT)

Information StW 1992, 524 (KT)

NWB 1993, 4300

UVR 1992, 361 (L)

UStR 1992, 337 (KT)

StEL 1992, 112-115 (LT)

WiR 1992, Nr 10, VIII (L)

ESLR 2, ST 9 (S)

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      (1)[1] 1Hat der Gesamtumsatz des Unternehmers (§ 19 Absatz 2[2] [Bis 31.12.2024: § 19 Absatz 3] ) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600 000 Euro betragen, wird die Steuer für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ...

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