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BFH Urteil vom 10.03.1992 - VII R 70/91 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Rücknahme eines Bescheides über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung

 

Leitsatz (NV)

1. Das Finanzministerium darf als Prüfungsbehörde ohne Einschaltung des Prüfungsausschusses darüber entscheiden, ob es seinen Bescheid über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung zurücknimmt und dem Kläger die Möglichkeit gegeben wird, die betreffende Aufsichtsarbeit erneut anzufertigen.

2. Die Rücknahme eines unanfechtbaren, rechtswidrigen Verwaltungsaktes kommt in der Regel nur dann in Betracht, wenn sich die Sach- und Rechtslage nachträglich geändert hat oder der vom Verwaltungsakt Betroffene durch das Verhalten der Behörde veranlaßt worden ist, von der Einlegung eines Rechtsmittels abzusehen (Bestätigung des Urteils vom 26. März 1991 VII R 15/89 BFHE 164, 215, BStBl II 1991, 552).

 

Normenkette

AO § 130 Abs. 1; StBerG § 164a Abs. 1; DVStB § 1 ff. (Prüfungsordnung für Steuerberater)

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) nahm an der schriftlichen Steuerberaterprüfung . . . teil. Der Text der - bundesweit gestellten - Prüfungsarbeit aus den Gebieten der Buchführung und des Bilanzwesens war im Zeitpunkt der Aushändigung an die Prüflinge unvollständig. Die Vervollständigung des Aufgabentextes nahm ca. 90 Minuten in Anspruch.

Mit Schreiben . . . teilte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzministerium) dem Kläger mit, daß er nach dem Ergebnis der schriftlichen Prüfung die Steuerberaterprüfung nicht bestanden habe, weil die Gesamtnote für die schriftliche Prüfung die Zahl 4,5 übersteige. Der Kläger erhob gegen die Prüfungsentscheidung wegen des o. a. Verfahrensfehlers Klage, die er jedoch wieder zurücknahm, nachdem ihm in einem Gespräch mit einem Bediensteten des Finanzministeriums erläutert worden war, daß seine Bedenken gegen das Prüfungsverfahren jetzt nach Vorliegen des Prüfungsergebnisses nicht mehr berücksichtigt werden könnten, er sie vielmehr noch an dem betreffenden Prüfungstag zu Protokoll hätte geben müssen.

Das Finanzgericht (FG) vertrat im Rechtsstreit eines anderen Teilnehmers der Steuerberaterprüfung die Auffassung, der o. a. Verfahrensfehler habe die Erheblichkeitsschwelle überschritten; die von der Prüfungsbehörde gewährte Verlängerung der Bearbeitungszeit habe die Einbuße an Konzentrationsfähigkeit nicht kompensiert; eine Rüge des Verfahrensfehlers durch die Prüflinge gemäß § 20 Abs. 4 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften (DVStB) sei nicht erforderlich gewesen. Die Prüfungsentscheidung im Falle dieses Teilnehmers sei folglich rechtswidrig gewesen. Das Finanzministerium half in der Folgezeit sämtlichen beim FG anhängigen Klagen ab, die auf den geschilderten Mangel des Prüfungsverfahrens gestützt waren.

Mit Schreiben vom . . . berief sich der Kläger gegenüber dem Finanzministerium auf die ,,Rechtswidrigkeit des dritten Tages" der Steuerberaterprüfung und vertrat die Auffassung, auch er müsse wie die anderen Kläger das Recht bekommen, den dritten Prüfungstag zu wiederholen. Das Finanzministerium behandelte das Vorbringen des Klägers als auf § 130 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Antrag auf Wiederaufgreifen der Steuerberaterprüfung und lehnte den Antrag mit Bescheid vom . . . ab. Dieser Bescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbelehrung. Mit Schreiben vom . . . erneuerte der nunmehr anwaltlich vertretene Kläger sein auf Wiederaufgreifen der Steuerberaterprüfung abzielendes Vorbringen; das Finanzministerium verwies im Schreiben . . . dazu auf seinen bereits mit Bescheid . . . mitgeteilten Rechtsstandpunkt. Der Prüfungsausschuß für Steuerberater wurde in die Bearbeitung der Anträge des Klägers auf Wiederaufgreifen der Steuerberaterprüfung nicht eingeschaltet.

Gegen den ablehnenden Bescheid des Finanzministeriums erhob der Kläger Klage mit dem Ziel, den ablehnenden Bescheid . . . sowie die Prüfungsentscheidung . . . aufzuheben und das Finanzministerium zu verpflichten, dem Kläger Gelegenheit zu geben, in Fortsetzung der Steuerberaterprüfung erneut eine Aufsichtsarbeit aus den Gebieten der Buchführung und des Bilanzwesens anzufertigen; hilfsweise den Verwaltungsakt vom . . . aufzuheben und das Finanzministerium zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Das FG hielt den Hauptantrag nicht für begründet, gab aber dem Hilfsantrag statt und verpflichtete das Finanzministerium, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Das FG ließ die Revision nur hinsichtlich seiner Entscheidung über den Hilfsantrag zu. Im Hinblick auf den Hilfsantrag führte das FG im wesentlichen aus:

Dieser sei begründet, weil das Finanzministerium bei der Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufgreifen eines abgeschlossenen Prüfungsverfahrens (§ 130 Abs. 1, § 5 AO 1977 i. V. m. § 164 a Abs. 1 StBerG) einen wesentlichen Verfahrensfehler begangen habe, der die Entscheidung rechtswidrig und aufhebbar mache (§ 127 AO 1977 i. V. m. § 164 a Abs. 1 StBerG). Dieser Verfahrensfehler liege darin, daß die den Verwaltungsakt verwaltungsintern vorbereitende Ermessensentscheidung von der Prüfungsbehörde (dem Finanzministerium) getroffen worden sei, ohne den Prüfungsausschuß für Steuerberater auch nur anzuhören. Ohne daß dies in der Prüfungsordnung für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte (§§ 1 ff. DVStB) ausdrücklich festgelegt sei, ergebe sich aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschriften, daß das Finanzministerium als Prüfungsbehörde (im Sinne der im einzelnen näher dargelegten behördeninternen Zuständigkeitsverteilung zwischen Prüfungsausschuß und Prüfungsbehörde) nicht zuständig gewesen sei, über den Antrag des Klägers gemäß § 130 Abs. 1 AO 1977 zu entscheiden. Im übrigen liege dem Verwaltungsakt . . . insoweit ein Ermessensfehlgebrauch zugrunde, als er von der Rechtsauffassung getragen werde, daß die Rücknahme eines rechtswidrigen unanfechtbaren Verwaltungsakts in der Regel nur dann in Betracht komme, wenn sich die Sach- und Rechtslage nachträglich geändert habe oder der vom Verwaltungsakt Betroffene durch das Verhalten der Behörde veranlaßt worden sei, von der Einlegung eines Rechtsbehelfs abzusehen. Darüber hinaus kämen aber auch andere Erwägungen in Betracht, die eine Rücknahme des bestandskräftigen Verwaltungsakts nahelegten. Da der ablehnende Bescheid des Finanzministeriums nicht erkennen lasse, daß es sich auch mit den vom Kläger in seinem Schriftsatz vorgetragenen Gesichtspunkten auseinandergesetzt habe, liege eine ,,Ermessensunterschreitung" vor.

Mit der Revision macht das Finanzministerium folgendes geltend: Das Finanzministerium sei als Prüfungsbehörde für die Entscheidung über den Antrag nach § 130 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 164 a Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) allein zuständig gewesen. Der Prüfungsausschuß habe nur die nach der DVStB ausdrücklich zugewiesenen Zuständigkeiten; dazu gehöre nicht die Entscheidung über den Antrag nach § 130 Abs. 1 AO 1977. Denn bei der Entscheidung über diesen Antrag spiele die dem Prüfungsausschuß vorbehaltene Beurteilung und Bewertung der Prüfungsleistung keine Rolle. Das Finanzministerium habe von seinem nach § 130 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 164 a Abs. 1 StBerG gegebenen Ermessen zutreffend Gebrauch gemacht, als es sich darauf beschränkt habe, festzustellen, daß sich durch die zur Steuerberaterprüfung . . . ergangenen FG-Urteile die bereits bei Ergehen der Prüfungsentscheidung bestehende Rechtslage nicht nachträglich geändert habe, vielmehr diese Urteile nur die bereits damals gegebene Rechtslage darstellten, nämlich die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes. Der Umstand, daß die Prüfungsaufgabe aus dem Gebiet der Buchführung und Bilanzwesen unvollständig war, sei dem Kläger bereits seit der Anfertigung der Prüfungsarbeit . . . bekannt gewesen.

Der Kläger ist der Auffassung, die Entscheidung des FG über den Hilfsantrag treffe zu. Das Finanzministerium als Prüfungsbehörde habe bei der Entscheidung über den Antrag auf Wiederaufgreifen der Steuerberaterprüfung den Prüfungsausschuß einschalten müssen. Der Prüfungsausschuß sei zwar nur ein Teil der Prüfungsbehörde, er habe aber als solcher eigene Zuständigkeiten erhalten. Nach § 10 DVStB sei vor ihm die Prüfung abzulegen, daraus ergebe sich, daß alle Entscheidungen, bei denen die Beurteilung und Bewertung der Prüfungsleistung eine Rolle spielen könne, vom Prüfungsausschuß zu treffen seien. Das gelte auch für die Entscheidung über den Antrag nach § 130 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 164 a Abs. 1 StBerG. Das Finanzministerium hätte daher den ablehnenden Bescheid nur erlassen dürfen, wenn der Prüfungsausschuß zuvor im gleichen Sinne entschieden hätte.

Im übrigen habe das Finanzministerium aber auch von seinem ihm nach § 130 Abs. 1 AO 1977 eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht, weil es nicht berücksichtigt habe, daß der Kläger durch die Aufrechterhaltung der Prüfungsentscheidung in seinem Grundrecht nach Art. 12 des Grundgesetzes (GG) verletzt werde und daß in den Fällen, in denen Teilnehmer an der Prüfung geklagt hätten, die rechtswidrige Prüfungsentscheidung aufgehoben worden sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist hinsichtlich des Hilfsantrages aufzuheben, und die Klage ist auch insoweit abzuweisen.

Das Finanzministerium ist nicht dazu verpflichtet, den Kläger nach § 130 Abs. 1 AO 1977 erneut zu bescheiden, weil der ablehnende Bescheid . . . nicht zu beanstanden ist.

1. Das Finanzministerium durfte als Prüfungsbehörde ohne Einschaltung des Prüfungsausschusses darüber entscheiden, ob es seinen Bescheid über das Nichtbestehen der Steuerberaterprüfung nach § 130 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 164 a Abs. 1 StBerG zurücknahm und dem Kläger Gelegenheit zu geben war, in Fortsetzung der Steuerberaterprüfung erneut eine Aufsichtsarbeit aus den Gebieten der Buchführung und des Bilanzwesens anzufertigen.

Das FG hat richtig erkannt, daß es sich bei dem Prüfungsausschuß nicht um eine im Aufbau der Finanzverwaltung selbständige Behörde handelt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Februar 1964 VII 57/63 U, BFHE 74, 130, BStBl III 1964, 279). Der Senat stimmt mit dem FG zwar auch darin überein, daß die Frage, wer behördenintern über einen Antrag nach § 130 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 164 a Abs. 1 StBerG zu entscheiden hat, in der Prüfungsordnung für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte (§§ 1 ff. DVStB) nicht ausdrücklich geregelt ist. Er vermag aber nicht dem Schluß des FG zu folgen, daß sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung die Zuständigkeit des Prüfungsausschusses für eine Entscheidung über diese Frage ergibt oder zumindest daraus die Notwendigkeit seiner Beteiligung an der Entscheidung folgt.

Zwar bestimmt § 10 Abs. 1 DVStB, daß die Prüfung für Steuerberater vor einem Prüfungsausschuß abgelegt wird, der bei der obersten Landesbehörde zu bilden ist. Diesem Prüfungsausschuß sind aber durch die Prüfungsordnung ganz bestimmte Aufgaben zugeordnet, die sich auf die Bewertung der schriftlichen Arbeiten (§ 24 DVStB), die Ahndung von Täuschungsversuchen und Ungebührlichkeiten (§ 23 DVStB), die Abnahme der mündlichen Prüfung (§§ 26, 27 DVStB), die Beratung über das Ergebnis der mündlichen Prüfung (§ 28 Abs. 1 DVStB) und die Mitteilung über das Ergebnis der Prüfung durch den Vorsitzenden des Ausschusses (§ 28 Abs. 1 Satz 3 DVStB) beschränken.

Die Prüfungsordnung weist allerdings auch der obersten Landesbehörde bestimmte Aufgaben zu, die insbesondere im technischen Bereich der Abwicklung des Prüfungsverfahrens liegen (z. B. Ladung zur schriftlichen und mündlichen Prüfung §§ 17, 26 Abs. 1 DVStB, Veranlassung der Aufsichtsführung bei den Aufsichtsarbeiten § 19 DVStB, Bescheidung über das Nichtbestehen der Prüfung nach § 25 Abs. 3 DVStB und Ausstellung der Bescheinigung über die bestandene Prüfung § 28 Abs. 2 DVStB, Aufbewahrung der Aufsichtsarbeiten § 31 DVStB). Diese Zuweisungen sind aber im Gegensatz zu der vom FG vertretenen Auffassung nicht als enumerativ und abschließend zu werten. Das ergibt sich auch nicht - wie das FG meint - aus § 10 Abs. 2 Satz 2 DVStB; dort ist nur geregelt, daß bei Übertragung der Prüfungsaufgaben auf einen bei einem anderen Land bestehenden Prüfungsausschuß auch die Aufgaben der obersten Landesbehörde von derjenigen wahrgenommen werden, bei der der Prüfungsausschuß besteht. Die genannten ausdrücklichen Zuweisungen dienen vielmehr nur dazu, festzulegen, daß die oberste Landesbehörde auch das geschäftsmäßige Verfahren für den Prüfungsausschuß zu gewährleisten hat.

Darüber hinaus steht aber der obersten Landesbehörde die allgemeine Zuständigkeit für die Durchführung des Prüfungsverfahrens zu. Das ergibt sich daraus, daß der Prüfungsausschuß nicht als selbständiges Organ, sondern bei der obersten Landesbehörde gebildet wird (vgl. §§ 10 Abs. 1, 14 Abs. 1 DVStB). Die oberste Landesbehörde stellt z. B. auch die Prüfungsaufgaben (§ 18 Abs. 1 DVStB), bestimmt über den Termin der Prüfung (§ 14 DVStB), nimmt die Anmeldungen zur Prüfung (§ 1 Abs. 2 DVStB) und den Rücktritt (§ 21 DVStB) davon entgegen. Sie ist damit die Herrin des gesamten mit der Durchführung der Prüfung zusammenhängenden Verfahrens; ihre Zuständigkeit ist nur insofern eingeschränkt, als dem Prüfungsausschuß Befugnisse ausdrücklich zugeordnet sind. Insoweit ist die Regelung der Prüfungsordnung für Steuerberater der nach dem Berufsbildungsgesetz vom 14. August 1969 (BGBl I 1969, 1112) geschaffenen Zuständigkeitsregelung vergleichbar, die dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 20. Juli 1984 7 C 28.83 (BVerwGE 70, 4) zugrunde liegt. In diesem Urteil ist auch das BVerwG zu dem Ergebnis gelangt, daß der Prüfungsausschuß nur die ihm ausdrücklich zugewiesenen Aufgaben hat. Daher hat der Prüfungsausschuß nicht über einen etwaigen Antrag nach § 130 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 164 a Abs. 1 StBerG zu entscheiden. Diese Entscheidung obliegt vielmehr der obersten Landesbehörde, bei der der Prüfungsausschuß gebildet ist.

Dadurch wird der Prüfungsausschuß in seiner vom Verordnungsgeber gewollten Unabhängigkeit beeinträchtigt. Denn es trifft nicht zu, daß - wie das FG meint - die oberste Landesbehörde als Prüfungsbehörde Entscheidungen des Prüfungsausschusses ganz oder teilweise aufheben könnte, wenn man der Auffassung des FG nicht folgt. Die oberste Landesbehörde kann dies vielmehr nur in den Grenzen tun, die für die Überprüfung der Prüfungsentscheidungen auch den Gerichten gezogen sind. Diese Grenzen ergeben sich aus der Wahrung des Beurteilungs- und Bewertungsspielraums des Prüfungsausschusses hinsichtlich der Prüfungsleistungen, in die nicht eingegriffen werden darf (BVerwGE a. a. O., S. 9 ff.; BFH-Urteile in BFHE 74, 130, BStBl III 1964, 279, und vom 20. April 1971 VII R 95/68, BFHE 102, 187, BStBl II 1971, 499).

Nur diese Einschränkung hinsichtlich der Nachprüfung von Prüfungsentscheidungen für die oberste Landesbehörde folgt aus der Bildung des unabhängigen Prüfungsausschusses für die Prüfung der Steuerberater nach § 10 Abs. 1 DVStB (vgl. auch BFH-Urteil vom 22. Juni 1976 VII R 110/75, BFHE 119, 364, 365, BStBl II 1976, 735). In diesen durch die DVStB dem Prüfungsausschuß zugewiesenen Bereich der Beurteilung und Bewertung der Prüfungsleistungen greift die Entscheidung über den Antrag nach § 130 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 164 a Abs. 1 StBerG nicht ein. Denn bei ihr geht es nicht um die Frage, ob die vom Prüfungsausschuß getroffene Prüfungsentscheidung rechtswidrig ist - nur wenn darüber zu entscheiden wäre, könnte der Bereich Beurteilung und Bewertung der Prüfungsleistung berührt sein -, sondern darum, ob die - rechtswidrige - Prüfungsentscheidung Bestand haben soll oder zurückzunehmen ist. Bei dieser Entscheidung wird aber der dem Prüfungsausschuß vorbehaltene Bereich der Beurteilung und Bewertung der Prüfungsleistung nicht berührt. Deshalb konnte das Finanzministerium über den Antrag nach § 130 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 164 a Abs. 1 StBerG ohne Einschaltung des Prüfungsausschusses entscheiden.

2. Das Finanzministerium hat sein ihm im Rahmen des § 130 Abs. 1 AO 1977 zustehendes Ermessen bei der Beurteilung der Frage, ob die zwar rechtswidrige, aber unanfechtbare Entscheidung des Prüfungsausschusses vom . . . aufgehoben werden kann, auch zutreffend angewendet, indem es sich in seinem ablehnenden Bescheid zur Begründung seiner Ermessensentscheidung darauf berief, daß die Rücknahme eines unanfechtbaren, rechtswidrigen Verwaltungsaktes in der Regel nur dann in Betracht komme, wenn sich die Sach- und Rechtslage nachträglich geändert habe oder der vom Verwaltungsakt Betroffene durch das Verhalten der Behörde veranlaßt worden sei, von der Einlegung eines Rechtsmittels abzusehen, diese Ausnahmen aber im Falle des Klägers nicht gegeben seien.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, daß das Finanzministerium über diese Tatbestände hinaus weitere Umstände in seine Ermessenserwägung hätte einbeziehen müssen. Der Senat hat zuletzt in seinem Urteil vom 26. März 1991 VII R 15/89 (BFHE 164, 215, BStBl II 1991, 552) unter ausführlicher Begründung seine Rechtsprechung bestätigt, daß die Ablehnung der Zurücknahme eines rechtswidrigen bestandskräftigen Bescheides in der Regel nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden kann, wenn der Betroffene in der Lage war, die Gründe, die nach seiner Auffassung eine Rücknahme rechtfertigen, bei fristgerechter Einlegung des statthaften Rechtsmittels vorzubringen. Mit dieser Begründung kann eine Zurücknahme nur dann nicht abgelehnt werden, wenn von dem Betroffenen die Anstrengung eines Klageverfahrens unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles billigerweise nicht erwartet werden konnte. Der Senat sieht keine Veranlassung, diese Rechtsprechung zu ändern.

Der Kläger hätte im vorliegenden Fall die Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung in dem von ihm angestrengten Klageverfahren geltend machen können, wenn er die Klage nicht zurückgenommen hätte. Die erst nach Ablauf der Klagefrist ergangene Entscheidung des FG Hamburg vom 11. April 1989 V 20/89 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1989, 430), die die Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung in einem vergleichbaren Fall bestätigt, bedeutet keine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage und ist daher nicht zu berücksichtigen.

Dem Kläger war es auch zuzumuten, das Klageverfahren durchzuführen. Der Umstand, daß ihn das nach Klageerhebung mit den Bediensteten des Finanzministeriums geführte Gespräch veranlaßte, die Klage zurückzunehmen, ändert daran nichts. Denn dem Kläger blieb es auch nach diesem Gespräch selbst überlassen, nach Abwägung des Für und Wider zu entscheiden, ob er die Klage aufrechterhielt oder zurücknahm. Gründe, die nicht im Klageverfahren hätten vorgebracht werden können, sind auch hier nicht vorgetragen worden und brauchten daher vom Finanzministerium nicht berücksichtigt zu werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418333

BFH/NV 1992, 698

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