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BFH Urteil vom 09.04.1965 - VI 23/65 S

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Sind jungvermählte Eheleute gezwungen, sich ihre Möbel und Einrichtungsgegenstände aus ihrem eigenen Einkommen anzuschaffen, so können ihre Aufwendungen nicht nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.

Zur Abgrenzung der Aufgaben von Gesetzgebung und Rechtsprechung im Steuerrecht.

 

Normenkette

EStG § 33; LStDV § 25

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 13.12.1966; Aktenzeichen 1 BvR 512/65)

 

Tatbestand

Die steuerpflichtigen Eheleute, die beide berufstätig sind, haben im Jahre 1960 geheiratet. Da sie von ihren Eltern keine Aussteuer oder Ausstattung erhielten, schafften sie sich in den Jahren 1960 und 1961 Einrichtungs- und Hausratsgegenstände aus ihrem eigenen Verdienst an. Im Jahr 1961 verwendeten sie dazu von ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die in diesem Jahre insgesamt 13.18o DM betrugen, 3.031,88 DM. Im Lohnsteuerjahresausgleich 1961 beantragten sie, diese Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG (ß 25 LStDV) zu berücksichtigen. Das Finanzamt lehnte dies ab.

Auf die Sprungberufung erkannte das Finanzgericht in dem in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 1965 S. 67 veröffentlichten Urteil die geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 2.804,78 DM als außergewöhnliche Belastung an. Nach Auffassung des Finanzgerichts waren die Aufwendungen der Steuerpflichtigen zwangsläufig, weil sie dazu dienten, die durch die Eheschließung entstandene Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft zu erfüllen. Die Aufwendungen seien auch der Höhe nach angemessen; denn sie überstiegen nicht die in Abschn. 188 Abs. 10 EStR 1961 gesetzte Grenze für Aussteueraufwendungen von 8.000 DM, die auch in den Fällen der Anschaffung von Einrichtungsgegenständen für Jungvermählte als verbindlich anzusehen sei. Von den geltend gemachten 3.031,88 DM seien lediglich die darin enthaltenen Aufwendungen für Kleidung mit 227,10 DM abzusetzen. Die danach verbleibenden Aufwendungen von 2.804,78 DM seien außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG. Die Steuerpflichtigen seien durch die Anschaffung ihrer Einrichtung mehr belastet als andere Steuerpflichtige gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes. Die Außergewöhnlichkeit könne nicht mit der überlegung verneint werden, daß es gegenwärtig nicht ungewöhnlich mehr sei, wenn junge Eheleute die Kosten für die Einrichtung ihrer Wohnung selbst aufbrächten. Ebensowenig könne die Anwendung des § 33 EStG abgelehnt werden, weil die Steuerpflichtigen für ihre Aufwendungen Gegenwerte erhalten hätten. § 33 EStG sei nach seiner Stellung im EStG eine Tarifvorschrift und keine Härteklausel nach Art des § 131 AO. Die Annahme des Bundesfinanzhofs, ein Gegenwert für Aufwendungen schließe eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG aus, habe daher im EStG keine Grundlage. Der Sinn der Tarifvorschrift des § 33 EStG liege darin, daß allein die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen, gemessen nach der Höhe des "verfügbaren" Einkommens, den Maßstab für die Besteuerung bilde. Zwangsläufige und außergewöhnliche Belastungen minderten danach ebenso das Einkommen wie die nach § 9 und § 10 EStG abzugsfähigen Werbungskosten und Sonderausgaben. Mit dem Gegenwert könnten die Steuerpflichtigen weder andere Bedürfnisse befriedigen, noch Steuern bezahlen. Im übrigen widerspreche es den Art. 3 und 6 des Grundgesetzes (GG), jungen Eheleuten für die Aufwendungen zur Beschaffung des notwendigen Hausrats eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG zu versagen, andererseits aber gut situierten Eltern wegen Aussteueraufwendungen eine Steuerermäßigung nach dieser Vorschrift zu gewähren.

Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit seiner Rb. Verletzung des geltenden Rechts. Er führt aus: Es könne dahingestellt bleiben, ob § 25 LStDV wegen der Stellung des § 33 EStG im EStG eine Tarifvorschrift sei; denn nach der historischen Entwicklung und dem Sinn des § 33 EStG habe diese Bestimmung auch als Tarifvorschrift Billigkeitscharakter. Daß wegen des durch die Aufwendungen erlangten Gegenwerts keine außergewöhnliche Belastung im Sinne dieser Vorschrift vorliege, ergebe sich sowohl aus der historischen Entwicklung als auch aus dem Sinn der Regelung. Der Hinweis des Finanzgerichts auf die Behandlung der Aussteuer bei den Eltern überzeuge nicht; denn er berücksichtige nicht, daß die Aussteuer grundsätzlich als Vermögensaufwendung bei der Einkommensteuer nicht zu einer Steuerminderung führen dürfe und daß die in Abschn. 188 Abs. 7 EStR enthaltenen Grundsätze nur für die Fälle Bedeutung hätten, in denen ausnahmsweise wegen des Fehlens von nennenswertem Vermögen eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG in Betracht komme. Es treffe zwar zu, daß der Bundesfinanzhof in Ausnahmefällen den Gegenwertsgedanken zurücktreten lasse und eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG zulasse. Das sei aber nur der Fall, wenn die Versagung einer Steuerermäßigung mit dem Ziel, unbillige Härten zu beseitigen, nicht vereinbar wäre. Darin liege keine Inkonsequenz, wie das Finanzgericht glaube. § 33 EStG könne nicht mit den §§ 9 und 10 EStG verglichen werden. Es gehe insbesondere nicht an, daß die Verwaltung und die Rechtsprechung den abgeschlossenen Kreis der Sonderausgaben über die Billigkeitsvorschrift des § 33 EStG willkürlich erweiterten. Die Gewährung einer Steuerermäßigung nach § 33 EStG bei der Aussteuer verstoße auch nicht gegen Art. 3 GG; denn der eine Aussteuer gebende Vater mache eine für ihn endgültig verlorene Aufwendung, während bei einer Anschaffung mit eigenen Mitteln ein entsprechender Sachwert an die Stelle des aufgewendeten Geldes trete. Im übrigen seien die Aufwendungen der Steuerpflichtigen auch nicht außergewöhnlich, da es nicht ungewöhnlich mehr sei, wenn Jungvermählte ihre Wohnungseinrichtung gemeinsam mit eigenen Mitteln beschaffen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats liegt im allgemeinen eine außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 EStG nicht vor, wenn ein Steuerpflichtiger für seine Aufwendungen einen Gegenwert oder nicht nur vorübergehende Vorteile erlangt (z. B. Urteile des Senats VI 160/59 S und VI 200/59 S vom 20. Mai 1960, BStBl 1960 III S. 309 und S. 310, Slg. Bd. 71 S. 160 und . 164). Das Finanzgericht hält diese Auslegung des § 33 EStG insbesondere deshalb nicht für zutreffend, weil sie sich mit §§ 33 EStG als Tarifvorschrift nicht vereinbaren lasse. Seine Ausführungen veranlassen den Senat indessen nicht zu einer änderung seiner Rechtsauffassung. Es trifft zwar zu, daß § 33 EStG in Abschn. IV des EStG steht, der mit "Tarif" überschrieben ist. Wesentlich ist aber, daß § 33 EStG unter den näher bestimmten Voraussetzungen eine Minderung des nach § 2 EStG ermittelten Einkommens zuläßt, also die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ändert, und zwar auch aus ähnlichen Billigkeitserwägungen wie in § 131 O. Das zeigte besonders deutlich die Fassung des § 33 im EStG 1934, der eine Steuerermäßigung wegen "besonderer wirtschaftlicher Verhältnisse" nur zuließ bei Steuerpflichtigen mit einem Einkommen bis zu 20.000 RM und bei Steuerpflichtigen mit Kinderermäßigung für mehr als zwei Kinder bei Einkommen bis zu 30.000 RM; das Ausmaß der Steuerermäßigung war ganz in das Ermessen der Steuerbehörde gestellt (vgl. Blümich, Das Einkommensteuergesetz 1934, 1. Aufl. 1935, Anm. 2 zu § 33). Diese Einkommensgrenzen wurden in dem nunmehr mit "Außergewöhnliche Belastungen" überschriebenen § 33 EStG 1938 nicht mehr beibehalten; andererseits führte die Zweite Verordnung zur Durchführung des Einkommensteuergesetzes vom 6. Februar 1938 (RGBl 1938 I S. 143, RStBl 1938 S. 129) in § 27 EStDV Sonderbelastungsmindestgrenzen ein und bestimmte damit verbindlich für die Anwendung des § 33 EStG, welches Ausmaß außergewöhnliche Belastungen erreichen müssen, um eine Beeinträchtigung der steuerlichen Leistungsfähigkeit anzunehmen, und in welcher Höhe dann eine Minderung der tariflichen Einkommensteuer vorzunehmen ist. Seit dem EStG 1938 steht die Höhe der Steuerermäßigung zwar nicht mehr im Ermessen der Finanzbehörden. § 33 EStG hat aber dadurch den Charakter einer dem § 131 AO ähnlichen Billigkeitsvorschrift doch nicht verloren, wie auch in den "Untersuchungen zum ESt-Recht - Bericht der ESt-Kommission -" (Verlag Stollfuß, Bonn) zu § 33 S. 247 dargelegt ist. Eine Unbilligkeit, die eine Herabsetzung der tariflichen Einkommensteuer rechtfertigt, setzt aber voraus, daß ein Steuerpflichtiger Teile seines Einkommens ohne greifbaren Gegenwert ausgeben muß. Nur dann kann es unbillig sein, die tarifliche Einkommensteuer voll zu fordern. Es muß sich um Belastungen handeln, deren Berücksichtigung bei der Besteuerung offensichtlich eine Härte wäre. Von einer Belastung in diesem Sinne kann jedoch im allgemeinen nicht gesprochen werden, wenn ein Steuerpflichtiger Teile seines Einkommens für die Anschaffung von Gegenständen verwendet, die für ihn von bleibendem oder doch mindestens länger dauerndem Wert und Nutzen sind. Bei Steuerpflichtigen, die Aufwendungen für die Anschaffung von Einrichtungsgegenständen machen, ist darum grundsätzlich eine Belastung im Sinn von § 33 EStG nicht anzuerkennen. Das gilt auch für jungvermählte Eheleute, die sich erstmals eine Wohnungseinrichtung beschaffen.

Nur ausnahmsweise ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eine andere Beurteilung möglich. Im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 376/51 vom 16. Oktober 1952 (BStBl 1952 III S. 298, Slg. 56 S. 773) wurde eine außergewöhnliche Belastung bei einem Steuerpflichtigen anerkannt, der infolge Beschlagnahme seines Hauses durch die Besatzungsmacht seine Wohnungseinrichtung verloren hatte. In dem Urteil wurde ausgeführt, daß die Steuerpflichtigen, die durch Katastrophen (Brand, überschwemmung usw.) ihren Hausrat verloren haben und ihn wiederbeschaffen müssen, ebenso zu behandeln sind. Diesen Fällen ist gemeinsam, daß die Steuerpflichtigen durch außerhalb ihres Willens liegende Ereignisse gezwungen wurden, den Hausrat wieder zu beschaffen, den sie bereits vorher hatten. Soweit sie nicht von anderer Seite für den Schaden Ersatz erhalten, sind ihre Aufwendungen für die Wiederherstellung des früheren Zustandes in bescheidenen Grenzen zusätzliche Belastungen, da sie nach wirtschaftlicher Betrachtung "verlorener Aufwand" sind. Da die Steuerpflichtigen in diesen Fällen für ihre Aufwendungen nur einen - unter Umständen sogar geringwertigeren - Ersatz für das erhalten, was sie vorher besessen haben, sind die wiederbeschafften Hausratsgegenstände überhaupt kein echter Gegenwert, so daß aus Billigkeitsgründen in derartigen Fällen eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG vertretbar ist. Auf dieser Erwägung beruht insbesondere auch die in § 33 Abs. 2 und § 33 a EStG 1950 bis 1953 vorgesehene Steuerermäßigung für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung bei Steuerpflichtigen, die durch Kampfhandlungen im Krieg Hausrat und Kleidung verloren hatten, sowie bei Flüchtlingen, Vertriebenen, politisch Verfolgten und Spätheimkehrern. Von diesen Sonderfällen der Wiederbeschaffung des durch höhere Gewalt verlorenen Hausrats abgesehen, sind Steuerpflichtige, die Einrichtungsgegenstände anschaffen, dadurch nicht außergewöhnlich belastet im Sinn von § 33 EStG.

Der Vorsteher des Finanzamts weist in seiner Rb. noch darauf hin, daß es mindestens seit der Währungsumstellung nicht außergewöhnlich sei, daß sich Jungvermählte ihre Wohnungseinrichtung selbst beschaffen, weil durch die Währungsumstellung in vielen Fällen die Vermögen der Eltern fortgefallen und die Eltern daher zu einer Aussteuergewährung nicht mehr in der Lage seien. Ob die Selbstbeschaffung des Hausrats durch junge Eheleute jetzt wirklich als üblich zu bezeichnen ist, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden, da es, wie dargelegt, wegen des erlangten Gegenwerts an einer Belastung im Sinn von § 33 EStG fehlt. Für die Ausführungen des Vorstehers des Finanzamts spricht jedenfalls manches, zumal es immer weithin üblich war, daß junge Eheleute mit eigenen Mitteln ihre Einrichtung wenigstens zum Teil selbst beschaffen oder die von den Eltern der Ehefrau gegebene Aussteuer ergänzten.

Das Finanzgericht verweist vor allem auch auf die steuerliche Behandlung der Aussteuerausgaben bei den Eltern. Die Rechtslage ist aber hier wesentlich anders. Geben Eltern einer Tochter bei der Verheiratung eine Aussteuer, so erhalten sie selbst für ihre Aufwendungen keinen Gegenwert. Für sie ist die Aussteuergewährung daher "verlorener Aufwand". Insofern besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Eltern, die für ihre Tochter eine Aussteuer kaufen, und jungvermählten Eheleuten, die für ihren eigenen Bedarf Einrichtungsgegenstände anschaffen. Ob allerdings die Gewährung einer Aussteuer grundsätzlich eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG rechtfertigt, kann durchaus in Zweifel gezogen werden. Der Senat hat in den Grundsatzurteilen VI 7/59 S und VI 141/59 S vom 7. August 1959 (BStBl 1959 III S. 383 und S. 385, Slg. Bd. 69 S. 324 und S. 330) eingehend dazu Stellung genommen und wesentliche Einschränkungen gemacht. So entfällt eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG, wenn die Steuerpflichtigen Vermögen besitzen, das zur Aussteuergewährung ausreicht; denn dann ist ihr Einkommen nicht belastet, wie es § 33 EStG voraussetzt (z. B. Urteile des Senats VI 104/63 U vom 28. Februar 1964, BStBl 1964 III S. 268, Slg. Bd. 79 S. 97; VI 228/63 vom 28. Februar 1964, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1964 S. 287; VI 166/63 vom 14. August 1964, HFR 1965 S. 18). Auch wenn die heiratenden Töchter eigenes Vermögen haben oder Vermögen hätten ansammeln können, steht den Eltern, die eine Aussteuer geben, keine Steuerermäßigung nach § 33 EStG zu. Unter dem Gesichtspunkt des Vermögens bei den Eltern und den Töchtern geht die Zahl der Fälle von Steuerermäßigung wegen Aussteuergewährung laufend zurück.

Ob im übrigen die in engen Grenzen noch mögliche Steuerermäßigung für Aussteueraufwendungen der Eltern und die im Rahmen von § 33 EStG nicht erreichbare Steuerermäßigung bei Selbstbeschaffung der Wohnungseinrichtung durch Jungvermählte den Forderungen des modernen Sozialstaates entspricht, haben weder die Steuergerichte noch die Finanzverwaltung zu entscheiden. Die Rechtsprechung und die vollziehende Gewalt sind nach Art 20 Abs. 3 GG an das geltende Recht gebunden. Wenn dieses den herrschenden Anschauungen nicht mehr entspricht und seine Anwendung zu unbefriedigenden Ergebnissen führt, muß der Gesetzgeber eingreifen, wie es in letzter Zeit, z. B. bei der steuerlichen Behandlung der Steuerberatungskosten durch die Einfügung der Ziff. 8 in § 10 Abs. 1 EStG durch das Steueränderungsgesetz 1965 geschehen ist. ähnlich kann der Gesetzgeber prüfen, ob er Jungvermählten wegen der Aufwendungen für die selbstbeschaffte Wohnungseinrichtung eine Steuererleichterung geben will, vor allem, ob und wieweit er dabei die Jungvermählten, die ihre Einrichtung selbst beschaffen, und die Eltern, die für die Aussteuerung ihrer Töchter eine Steuerermäßigung erhalten, gleichstellen will. Es geht dabei um eine steuer- und sozialpolitische Entscheidung.

Wenn die Steuergerichte die in Art. 20 Abs. 3 GG ihnen gesetzte Grenze der Auslegung des geltenden Rechts überschreiten und in den der Gesetzgebung vorbehaltenen Bereich der politischen Entscheidung eingreifen, so verletzen sie nicht nur die verfassungsrechtliche Ordnung, sondern fördern außerdem die Rechtsunsicherheit und die Rechtsungleichheit. Eine richterliche Entscheidung ergeht nur für den Einzelfall und bindet weder das Gericht selbst für ähnlich gelagerte Fälle noch andere Gerichte, so daß offensichtlich die Gefahr abweichender Entscheidungen und ungleicher Behandlung der Steuerpflichtigen droht. Dazu haben die Steuergerichte bei der Gesetzesanwendung keine legale Möglichkeit, bindende Grenzen zu setzen. Es hat im EStG z. B. keine Grundlage, wenn im Streitfall das Finanzgericht den berücksichtigungsfähigen Betrag mit 8.000 DM festgesetzt und den Beschwerdeführern gestattet hat, diesen Betrag vom Einkommen abzusetzen. Es ist nicht einzusehen, warum nicht der berücksichtigungsfähige Betrag höher oder niedriger sein oder auch eine Verteilung auf mehrere Jahre in Betracht kommen könnte. Fälle dieser Art können in der Besteuerungspraxis erfahrungsgemäß nur vom Gesetzgeber im Wege der Typisierung befriedigend und gleichmäßig gelöst werden, etwa in der Form, daß unter bestimmten Voraussetzungen ein fester Betrag innerhalb einer bestimmten Frist als Sonderausgabe (ß 10 EStG) oder als pauschalierte außergewöhnliche Belastung (ß 33 a EStG) bei der Einkommensermittlung abgesetzt wird. Die Gerichte dürfen aber nicht von sich aus in den Bereich des Gesetzgebers eingreifen und können mithin auch mit den ihnen zustehenden Behelfen der Rechtsauslegung eine befriedigende und gleichmäßige Regelung nicht schaffen.

Da die Steuergerichte demnach ohne überschreitung ihrer Zuständigkeit nicht in der Lage sind, nach dem gegenwärtig geltenden Recht eine Steuerermäßigung bei jungvermählten Eheleuten wegen der von ihnen selbst beschafften Wohnungseinrichtung nach § 33 EStG oder einer anderen Vorschrift des EStG zu gewähren, mußte die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sprungberufung der Steuerpflichtigen gegen den im Lohnsteuer-Jahresausgleich ergangenen Erstattungsbescheid als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411610

BStBl III 1965, 441

BFHE 1965, 535

BFHE 82, 535

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