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BFH Urteil vom 06.07.1966 - VI 135/65

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Stpfl., der beim Erwerb eines Hauses dem Veräußerer ein dinglich gesichertes Wohnrecht an Teilen des Hauses einräumt, kann bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus dem Haus den jährlichen Nutzungswert der dem Veräußerer überlassenen Wohnräume nicht als Werbungskosten abziehen.

 

Normenkette

EStG § 9 S. 1, § 21 Abs. 2

 

Tatbestand

Der Steuerpflichtige - Stpfl. - schloß am 11. September 1959 mit seiner Mutter unter Beteiligung seiner Geschwister einen notariellen Vertrag, durch den er von seiner Mutter ein Mietwohngrundstück zum Preis von 26.200 DM übernahm. Der Kaufpreis wurde zum Teil mit einem Ausstattungsanspruch verrechnet und der Restbetrag an die Mutter und die Schwester ausgezahlt. Außerdem räumte der Stpfl. in dem Vertrag seiner Mutter und seiner Schwester ein lebenslängliches Wohnrecht als beschränkt persönliche Dienstbarkeit an der Wohnung im ersten Stock ein; der jährliche Nutzungswert wurde mit 600 DM angenommen. Das Finanzamt (FA) rechnete dem Stpfl. den Nutzungswert der überlassenen Wohnung zu und lehnte den vom Stpfl. beantragten Abzug von 600 DM als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG ab. Der Einspruch hiergegen hatte insoweit Erfolg, als der Nutzungswert der Wohnung bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung außer Ansatz blieb.

Die Berufung, mit der der Stpfl. den Abzug des Wohnrechts als dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG begehrte, wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß § 21 Abs. 2 EStG einen steuerlichen Ausgleich schaffen solle zwischen Steuerpflichtigen, die Miete zahlen müßten und diese als Lebenshaltungskosten nicht von ihrem Einkommen abziehen könnten, und den anderen Steuerpflichtigen, die keine Miete zu zahlen brauchten und die deshalb steuerlich nicht abzugsfähigen Aufwand ersparen. Wenn nach § 21 Abs. 3 EStG der Nutzungswert einer unentgeltlich überlassenen Wohnung zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung rechne, so sei darunter nur eine mietfreie Wohnung zu verstehen, also eine solche, für die kein einer Miete entsprechendes Entgelt gezahlt werde. Die Besteuerung nach § 21 Abs. 2 EStG setze demnach Eigenbesitz oder mietfreien Fremdbesitz einer Wohnung voraus. Wie eine solche Wohnung erworben worden sei, ob originär oder derivativ, sei ohne Bedeutung, ebenso, ob der Besitz auf einem dinglichen oder obligatorischen Recht beruhe. Der Rechtsprechung des RFH im Urteil IV 78/38 vom 8. September 1938 (RStBl 1939, 4), der der BFH gefolgt sei, z. B. in den Urteilen VI 5/54 U vom 11. Januar 1957 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 64 S. 177 - BFH 64, 177 -, BStBl III 1957, 68) und VI 27/56 U vom 8. Februar 1957 (BFH 64, 550, BStBl III 1957, 207), daß der Nutzungswert einer Wohnung, die ein unterhaltsverpflichteter Angehöriger einem unterhaltsberechtigten Angehörigen überlassen habe, dem überlassenden zuzurechnen sei, sei daher nicht zu folgen. Im Streitfall sei darum der Nutzungswert der überlassenen Wohnung der Mutter und der Schwester zuzurechnen. Der Stpfl. könne den Nutzungswert weder als Werbungskosten noch als Sonderausgaben abziehen.

Der Stpfl. verweist zur Begründung seiner nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnden Rb. auf die Entwicklung der Rechtsprechung zu § 21 Abs. 2 EStG bei unentgeltlicher überlassung einer Wohnung. Er hält den Abzug des Nutzungswerts der überlassenen Wohnung als Sonderausgaben für gerechtfertigt. Er beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und den Nutzungswert der überlassenen Wohnung in Höhe von 600 DM als dauernde Last anzuerkennen und als Sonderausgaben abzuziehen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Nicht mehr streitig ist, wem der Mietwert der Wohnung zuzurechnen ist, die der Stpfl. seiner Mutter und seiner Schwester durch den übergabevertrag vom 11. September 1959 überlassen hat. Die Auffassung der Einspruchsentscheidung, daß der Mietwert dieser Wohnung nach § 21 Abs. 2 EStG auf Grund des dinglich gesicherten Wohnrechts steuerlich bei der Mutter und der Schwester zu erfassen ist, entspricht der Auffassung des Senats, wie sie in dem Urteil VI 148/65 vom 6. Juli 1966 (BFH 86, 676, BStBl III 1966, 622) zum Ausdruck gekommen ist.

Den Abzug des jährlichen Mietwerts der Wohnung als Sonderausgabe kann der Stpfl. nicht verlangen. Das dinglich gesicherte Wohnrecht hat der Stpfl. der Mutter und der Schwester im Zuge einer Vermögensauseinandersetzung eingeräumt. Es handelte sich dabei um einen einmaligen Vermögensvorgang, durch den den Berechtigten die Benutzung der Wohnung auf Lebenszeit zugestanden wurde. Die Mutter und die Schwester haben durch den Vertrag zwar kein Eigentum an der Wohnung erlangt; sie erhielten aber durch das dinglich gesicherte Recht die Nutzung auf Lebenszeit. Die Nutzung der Wohnung ist für sie der Ausfluß des ihnen eingeräumten Rechts, als dessen Folge sie den Mietwert nach § 21 Abs. 2 EStG zu versteuern haben. Da die Wohnungsnutzung für sie demnach keine jährlich wiederkehrende Zuwendung des Stpfl. ist, hat umgekehrt auch der Stpfl. keine wiederkehrenden Aufwendungen, die er bei seiner Einkommensteuerveranlagung als Werbungskosten oder als Sonderausgaben geltend machen könnte. Der Stpfl. trägt als Hauseigentümer zwar die Aufwendungen für das ganze Haus und kann sie, soweit sie Werbungskosten sind, bei der Ermittlung seiner Hauseinkünfte abziehen. Dazu gehört aber nicht, wie er zu Unrecht annimmt, der jährliche Nutzungswert der seiner Mutter und seiner Schwester überlassenen Wohnung, da es sich hierbei um eine einmalige Vermögenszuwendung handelt und nicht um eine jährlich wiederkehrende Dauerbelastung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412184

BStBl III 1966, 650

BFHE 1966, 650

BFHE 86, 650

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