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BFH Urteil vom 06.02.1980 - II R 7/76

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Leitsatz (amtlich)

Die Grunderwerbsteuer ist auch dann gemäß § 17 Abs. 2 GrEStG nicht zu erheben bzw. zu erstatten, wenn infolge erfolgreicher Anfechtung nach der Konkursordnung das durch die angefochtene Handlung aus dem Vermögen des Gemeinschuldners veräußerte Grundstück in die Konkursmasse zurückgewährt werden muß.

 

Normenkette

GrEStG 1940 § 17 Abs. 2; KO § 29 ff.

 

Tatbestand

X hatte seiner Ehefrau mit notariell beurkundetem Vertrag vom 24. April 1964 ein von ihm erworbenes Grundstück, auf dem er mit dem Bau eines Zwei- und eines Dreifamilienhauses begonnen hatte, schenkungsweise überlassen. Frau X wurde am 15. September 1964 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Die im Zeitpunkt der Überlassung im Rohbau befindlichen Gebäude wurden Ende Oktober bzw. Ende Dezember 1964 fertiggestellt. Die Wohnungen sind als grundsteuerbegünstigt anerkannt. Am 4. Juli 1966 wurde über das Vermögen des X das Konkursverfahren eröffnet. Da der Konkursverwalter den Schenkungsvertrag gemäß § 32 der Konkursordnung (KO) angefochten hatte, übertrug Frau X das Grundstück mit Vertrag vom 16. Januar 1967 an X zurück.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb das Grundstück mit notariell beurkundetem Vertrag vom 20. August 1969 aus der Konkursmasse. Sie begehrte Steuerfreiheit nach § 1 Nr. 5 des Gesetzes über die Befreiung des sozialen Wohnungsbaues von der Grunderwerbsteuer (GrESWG) Niedersachsen. Mit Bescheid vom 17. November 1969 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 14 196 DM fest. Der Bescheid ist unanfechtbar, die Steuer bezahlt. Den unter Hinweis auf den Erlaß des Niedersächsischen Ministers der Finanzen vom 14. Juli 1969 S 4509-21-32 gestellten Antrag, die Steuer aus Billigkeitsgründen zu erstatten, lehnte das FA mit Verfügung vom 30. November 1970 ab, weil § 17 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) anläßlich der Rückübertragung des Grundstükkes durch Frau X an X (zur Konkursmasse) nicht erfüllt sei und somit die in der Finanzministerialentschließung (FME) genannten Voraussetzungen für den Erlaß der Steuer nicht vorlägen. Die Beschwerde blieb erfolglos.

Auf die Klage hat das Finanzgericht (FG) die erlaßablehnende Verfügung des FA vom 30. November 1970 und die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) vom 1. Dezember 1971 aufgehoben und das FA zur Neubescheidung des Erlaßantrages verpflichtet.

Mit der Revision begehrt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen. Es rügt Verletzung des § 131 der Reichsabgabenordnung (AO) und allgemeiner Auslegungsregeln. Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des FG erweist sich im Ergebnis als richtig.

§ 131 AO ermächtigte die Finanzverwaltung dazu, Steuern dann zu erstatten, wenn ihre Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig war. Die Entscheidung über ein entsprechendes Begehren ist eine Ermessensentscheidung (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603) und deshalb nur in den Grenzen des § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gerichtlich überprüfbar. Voraussetzung für die Verneinung einer Ermessensüberschreitung bzw. eines Ermessensfehlgebrauchs ist, daß die von der Verwaltungsbehörde getroffene Entscheidung auf richtiger Auslegung der für die Entscheidung im Einzelfall maßgeblichen Rechtsvorschriften beruht. Ist die Entscheidung der Behörde möglicherweise durch einen derartigen Rechtsirrtum beeinflußt, so unterliegt sie der Aufhebung.

Zu Unrecht sind FA und OFD davon ausgegangen, daß für den Erwerb durch Frau X und die Rückübertragung an X (zur Konkursmasse) die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 GrEStG nicht vorgelegen hätten, unter denen die Steuer für beide Erwerbe zu erstatten bzw. nicht zu erheben ist. Zwar zieht die Anfechtung einer Rechtshandlung nach der Konkursordnung nicht die ursprüngliche Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes nach sich, sondern nur eine relative Unwirksamkeit; die Voraussetzungen, unter denen nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG die Steuer zu erstatten bzw. zu erheben ist, liegen daher nicht unmittelbar vor. Aus dem Zusammenhang dieser Vorschrift mit der des § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG läßt sich aber der allgemeine Grundsatz ablesen, daß in den Fällen, in denen sich der Erwerber oder der Veräußerer der Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges bzw. einer Rückübertragung des Grundstücks aus Rechtsgründen nicht entziehen kann, also ein durchsetzbarer Anspruch besteht, die Steuer sowohl für den vorangegangenen Erwerb als auch für den Rückerwerb nicht zu erheben bzw. zu erstatten sein soll. § 17 Abs. 2 GrEStG kommt somit auch dann zum Zuge, wenn infolge erfolgreicher Anfechtung nach der Konkursordnung das durch die angefochtene Handlung aus dem Vermögen des Gemeinschuldners veräußerte Grundstück an die Konkursmasse zurückgewährt werden muß.

Das FA wird nunmehr erneut zu prüfen haben, ob die Einziehung der Steuer aus sachlichen Gründen unbillig ist, mit anderen Worten, ob bei der Zählung der Erwerbe derjenige durch Frau X auszuscheiden hat (vgl. dazu auch Boruttau/Klein/Egly/Sigloch, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 10. Aufl., Anhang Tz. 1128, 1147).

 

Fundstellen

Haufe-Index 73498

BStBl II 1980, 363

BFHE 1980, 186

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