Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BFH Urteil vom 05.04.1965 - VI 330/63 U

Sie haben bereits ein Haufe Produkt? Hier anmelden
 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung des Begriffs "Leibrente" in § 10 Abs. 1 und § 22 Ziff. 1 a EStG.

Eine Schadensersatzrente aus § 844 BGB ist keine Leibrente im Sinne von § 10 Abs. 1 EStG, sondern eine dauernde Last, die der Leistende deshalb nicht nur mit dem Ertragsanteil, sondern unbeschränkt als Sonderausgaben absetzen kann.

 

Normenkette

EStG § 10 Abs. 1 Ziff. 1, § 22/1

 

Tatbestand

Der Bg. verschuldete im Jahre 1953 den Tod eines Postangestellten, der eine Frau und zwei Kinder hinterließ. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zahlte den Hinterbliebenen Witwen- und Waisenrenten. In der notariellen Urkunde vom 16. Juli 1956 erkannte der Bg. an, der BfA zum Ersatz ihrer bisherigen und weiteren Leistungen verpflichtet zu sein. Die Zahlungen an die Witwe laufen bis zum 31. Juli 1985 und an die Kinder bis Ende 1964 und 1965. Der Bg. zahlte an die BfA im Jahre 1957 1.152 DM und im Jahre 1958 2.444 DM, die er als Sonderausgaben abziehen will. Das Finanzamt ließ nur den Ertragsanteil im Sinne des § 22 Ziff. 1 a EStG 1957/1958 zum Abzug zu.

Das Finanzgericht gab der Berufung statt und erkannte die Zahlungen des Bg. voll als dauernde Lasten an. Es verneinte, daß eine Leibrente vorliege, weil kein selbständiges Rentenstammrecht bestehe.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Rechtsanwendung. Er macht geltend, Renten, die auf Grund von § 844 BGB geschuldet würden, seien Leibrenten.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.

Nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG 1957/1958 sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten unter bestimmten Voraussetzungen Sonderausgaben. Bei Leibrenten kann der Geber seit 1. Januar 1955 nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 22 Ziff. 1 a EStG nur noch den Ertragsanteil als Sonderausgaben abziehen. Für dauernde Lasten gilt dagegen diese Einschränkung nicht; sie können in vollem Umfang als Sonderausgaben abgesetzt werden.

Das Finanzgericht hat - entgegen der Auffassung des Finanzamts - die Zahlungen des Bg. nicht als Leibrenten gewürdigt. Dem ist zuzustimmen. In der Entscheidung VI 105/61 U vom 29. März 1962 (BStBl 1962 III S. 304, Slg. Bd. 75 S. 96) hat der Senat zum Begriff "Leibrente" in § 10 Abs. 1 Ziff. 1 und § 22 Ziff. 1 a EStG ausgeführt, daß wenn in Steuergesetzen Begriffe verwendet werden, die im bürgerlichen Recht einen bestimmten Inhalt haben, sie steuerrechtlich wegen der Einheit der Rechtsordnung und im Interesse der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit ebenso auszulegen sind, sofern sie nicht nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers im Steuerrecht anders aufzufassen sind. Der Senat hat deshalb den Begriff Leibrente im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs bestimmt als ein einheitliches nutzbares Recht, das dem Berechtigten für die Lebensdauer eines Menschen eingeräumt ist, und dessen Erträge aus fortlaufend wiederkehrenden gleichmäßigen Leistungen in Geld oder vertretbaren Sachen bestehen".

Auf Grund von § 844 Abs. 2 BGB hatten die Hinterbliebenen gegenüber dem Bg. einen Schadensersatzanspruch, der "durch Entrichtung einer Geldrente" zu erfüllen ist. Es handelt sich um einen echten Schadensersatzanspruch, nicht um einen Unterhaltsanspruch (Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen - RGZ - Band 74 S. 274). Da die BfA nach §§ 589, 590, 595 der Reichsversicherungsordnung (RVO) an die Hinterbliebenen eine Witwen- und Waisenrente gezahlt hatte, gingen die Schadensersatzansprüche der Hinterbliebenen gegen den Bg. gemäß § 1542 RVO auf die BfA über. Durch diesen übergang ändert sich das Wesen des Anspruchs als Schadensersatzanspruch nicht.

Die gegenwärtige Streitfrage, ob die aus § 844 BGB geschuldete Rente eine "Leibrente" ist, ist ebenfalls nach bürgerlichen Recht zu beurteilen. Dort wird sie allerdings nicht einheitlich beantwortet. Eine Leibrente nehmen z. B. an Enneccerus-Lehmann (Recht der Schuldverhältnisse, 15. Bearbeitung, 1958, S. 774); Soergel-Siebert (Kommentar zum BGB, 9. Auflage, 1962, vor § 759 Anm. 8; in der unmittelbar vorausgehenden Anm. 7 wird die Frage aber offenbar verneint). Keine Leibrente nehmen z. B. an Planck (Kommentar zum BGB, 4. Auflage, 1928, vor § 759 unter III); Achilles-Greiff (Kommentar zum BGB, 21. Auflage, 1958, vor § 759); Kommentar von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern zum BGB (11. Auflage, 1960, § 759 Anm. 7); Palandt (Kommentar zum BGB, 24. Auflage, 1965, § 759 Anm. 2 c). Das Reichsgericht hat eine Leibrente verneint. Im RGZ Band 89 S. 259 hatte es über Ansprüche aus §§ 825 und 847 BGB zu entscheiden, zu deren Abfindung eine lebenslängliche Geldrente zugesagt war. Es führte aus: Grundlage für die Ansprüche der Klägerin sei, daß durch die Abrede ein aus unerlaubter Handlung hergeleiteter Schadensersatzanspruch geregelt werde. Während bei Leibrentenverträgen die rechtliche Bedeutung der Einzelbezüge sich durch die Nutzung eines besonderen Rentenrechts erschöpfe, blieben hier die Einzelbezüge zufolge ihrer gesetzlichen Grundlage Schadensersatz aus unerlaubter Handlung. Ebenso hat das Oberlandesgericht Hamburg ("Recht" 1916 Nr. 1106) entschieden. Dieser Rechtsauslegung tritt der Senat bei. Sie gilt besonders für die Fälle, in denen die Rentenform des Schadensersatzes nicht, wie in den erwähnten Urteilen der Zivilgerichte auf einem Vertrag, sondern unmittelbar auf dem Gesetz beruht.

Bei einer Schadensrente nach § 844 Abs. 2 BGB fehlt es an einem selbständigen Rentenstammrecht, das nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte unlösbare Grundlage einer Leibrente ist. Die einzelnen Zahlungen müssen Erträge dieses Rentenstammrechts sein und dürfen von dem rechtlichen und wirtschaftlichen Hintergrund des Stammrechts nur noch mittelbar abhängen. In der Gewährung des Rentenstammrechts liegt schon der erste Erfüllungsakt, der dann seinerseits neue Ansprüche in Form der einzelnen Rentenleistungen schafft (RGZ Band 67 S. 210, 211). Bei Schadensersatzleistungen aus § 844 BGB beruht aber jede einzelne Zahlung unmittelbar auf dieser gesetzlichen Vorschrift und ist unmittelbare Schadensersatzleistung. Jede Rentenrate dient unmittelbar der Erfüllung des durch den § 844 BGB begründeten Ersatzanspruchs. Wenn die Rente in Kapital abgefunden wird, sei es auf begründetes Verlangen des Geschädigten nach § 843 Abs. 3 BGB, sei es auf Vereinbarung der Beteiligten, so handelt es sich nur um einen rechnerischen Vorgang, dessen wesentlicher Inhalt Zinsrechnungen sind. Gegenstand der Ablösung ist aber auch dann nicht ein zwischen den ursprünglichen Zahlungsgrund und die Einzelzahlung getretenes selbständiges Rentenstammrecht, sondern der durch eine Geldrente zu erfüllende Schadensersatzanspruch aus § 844 BGB. Durch die notarielle Beurkundung vom 16. Juli 1956 ist im übrigen die Rechtslage nicht geändert worden. Die Urkunde sollte nur der BfA gegen den Bg. einen vollstreckbaren Titel schaffen (§ 794 Abs. 1 Ziff. 5 der Zivilprozeßordnung).

Ist demnach die Schadensrente aus § 844 BGB keine Leibrente, so kann der Bg. die Zahlungen als dauernde Last ungekürzt als Sonderausgaben abziehen, wie das Finanzgericht zutreffend angenommen hat.

Beim Streitwert war zu berücksichtigen, daß das Finanzamt im Berufungsverfahren seinen Antrag im Sinne der §§ 28, 25 EStDV 1957/1958 gegenüber der Veranlagung eingeschränkt hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411606

BStBl III 1965, 359

BFHE 1965, 312

BFHE 82, 312

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Gold enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 14b Verspätungszuschlag
    262
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO § 109 Verlängerung von Fristen / 5.1 Allgemeines
    170
  • Grunderwerbsteuer bei Veränderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG) (ErbStB 2022, Heft 8, S. 247)
    129
  • Stenger/Loose, Bewertungsrecht - Kommentar zum BewG, Erb ... / VI. Umrechnungsfaktoren zur Ermittlung der Brutto-Grundfläche bei Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken
    125
  • Bedarfsbewertung: Erklärung zur Feststellung des Bedarfs ... / 1 Erläuterungen zum Formular
    119
  • Grundsteuer für land- und forstwirtschaftliche Betriebe ... / 5.1 Landwirtschaftliche Nutzung – § 237 Abs. 2 BewG
    113
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 28 Allgemeines / 3.5 Verlegung einer Betriebsstätte von einer in eine andere Gemeinde (§ 28 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GewStG)
    111
  • Weilbach, GrEStG § 1 Erwerbsvorgänge / 3 Tauschvertrag (Abs. 5)
    111
  • Kapitalgesellschaft: Liquidation / 3.3.4 Auswirkungen der Auskehrung des Vermögens
    109
  • Änderungsvorschriften / 5 Gegenrechnung materieller Fehler
    105
  • Praxisveräußerung, Praxisaufgabe und Praxisübertragung: ... / 2.1 Tod eines Freiberuflers
    105
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 29 Zerlegungsmaßstab / 3.2 Zerlegung nach Arbeitslöhnen (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG)
    95
  • Erbschaftsteuererklärung: Anlage Erwerber vom 1.1.2009 b ... / 1.6 Erwerb durch Erbanfall (Zeilen 22 bis 31)
    93
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 7 Gewerbeertrag / 4.2 Veräußerungs- und Aufgabegewinne bei Einzelunternehmen
    93
  • Grundstücksteile von untergeordneter Bedeutung (§ 8 EStDV) (estb 2022, Heft 12, S. 467)
    93
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO § 173 Aufhebung oder Änderung von ... / 3.2.2 Maßstab des groben Verschuldens
    92
  • Frotscher/Drüen, UmwStG § 22 Besteuerung des Anteilseigners
    85
  • Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG § 13b Begünstigtes Vermögen
    73
  • Pflegekosten / 1.3 Unterbringung in einem Heim
    71
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO Vorbemerkungen zu §§ 172–177 / 3.1 Formelle Bestandskraft als Unanfechtbarkeit
    71
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Steuer Office Gold
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop

Produktempfehlung


Zum Thema Steuern
Unternehmensnachfolge: Übertragung eines Unternehmens gegen wiederkehrende Leistungen
Dokumente übergeben
Bild: Pexels

Die Übertragung eines Unternehmens gegen wiederkehrende Leistungen ist eine häufig genutzte Methode der Unternehmensnachfolge. Sie bietet den Vorteil, dass der Veräußerer durch regelmäßige Zahlungen abgesichert wird, während der Übernehmer die operative Führung übernimmt. Diese Gestaltung führt zu komplexen steuerlichen und rechtlichen Implikationen, die sorgfältig geplant werden müssen. Wiederkehrende Leistungen können als Leibrente oder dauernde Last ausgestaltet werden.


Haufe Shop: Grunderwerbsteuer bei Share Deals
Grunderwerbsteuer bei Share Deals und Umstrukturierungen
Bild: Haufe Shop

Der Praxisleitfaden behandelt grunderwerbsteuerrechtliche Probleme sowohl beim klassischen Share-Deal (Anteilsverkauf) als auch bei einer Umwandlung oder Unternehmensumstrukturierung. Der systematische Aufbau des Buchs, viele Fallbeispiele und Grafiken ermöglichen eine schnelle Einarbeitung in die komplexen Regelungen. So vermeiden Sie im Tagesgeschäft grunderwerbsteuerliche Nachteile und erkennen vorhandene Gestaltungsspielräume!


BFH VI 286/64 U
BFH VI 286/64 U

  Entscheidungsstichwort (Thema) Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer  Leitsatz (amtlich) Freiwillige Unterhaltszusagen, die bei Ehescheidungen erteilt werden, begründen in der Regel kein Rentenstammrecht, aus dem die einzelnen Rentenleistungen ...

4 Wochen testen


Newsletter Steuern
Bild: Adobe
Newsletter Steuern - BFH-Urteilsservice

Aktuelle Informationen zur neuesten BFH-Rechtsprechung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Kurzkommentierungen
  • Praxishinweise
  • wöchentlich
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Sie müssen den AGB zustimmen
Haufe Fachmagazine
Zum Steuern Archiv
Themensuche A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #
Haufe Group
Haufe People Operations
Haufe Fachwissen
Haufe HR-Software
Haufe Digitale Personalakte
Haufe Onlinetraining
Smartsteuer
Schäffer-Poeschel
Lexware
rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS
Newsletter
FAQ
Mediadaten
Presse
Editorial Code of Conduct
Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz
Netiquette
Sitemap
Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt

Kontakt & Feedback
AGB

Compliance
Datenschutz
Impressum
Haufe Steuern Shop
Steuern Software
Komplettlösungen Steuern
Kanzleimanagement Lösungen
Steuern im Unternehmen
Lösungen für die Steuererklärung
Steuer-Kommentare
Alle Steuern Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren