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BFH Urteil vom 04.01.1962 - I 22/61 U

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Auf den überpreis für ein aus einer Zwangslage heraus erworbenes, zur ungestörten Fortführung eines gut rentierenden Betriebes notwendiges Betriebsgrundstück ist eine Abschreibung auf den Verkehrswert nicht mit der Begründung zulässig, der überpreis habe lediglich in den Sonderinteressen des Betriebes seine Begründung gehabt.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 1

 

Tatbestand

Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für 1956 die Teilwertabschreibung auf ein im Tauschweg erworbenes Grundstück (Tauschgrundstück) in Höhe von 70 000 DM.

Im Jahre 1954 ist das Fabrikgebäude der Bfin. teilweise durch Brand zerstört worden. Beim Wiederaufbau erhielt die Bfin. behördlicherseits die Auflage, einen explosivsicheren Brennraum in einem getrennt gelegenen Steingebäude zu errichten. Hierdurch ergab sich die Notwendigkeit, den wieder instand gesetzten Fabrikgebäudeteil aufzustocken. Nach Fertigstellung des Rohbaus der Aufstockung, Mitte November 1954, erwirkte der Eigentümer des an das Fabrikgrundstück angrenzenden Nachbargrundstücks, eine Erbengemeinschaft, ein Bauverbot. Zur Vermeidung langwieriger Streitverfahren und zur Vermeidung eines Produktionsrückgangs tauschte die Bfin. ihr im Ortsbereich gelegenes unbebautes Grundstück gegen das der Erbengemeinschaft gehörende und dem Fabrikgelände benachbarte Grundstück. Unter Berücksichtigung einer Absetzung für Abnutzung (AfA) stand das Tauschgrundstück am 31. Dezember 1956 mit 80 000 DM zu Buch. Hierauf hat die Bfin. eine Teilwertabschreibung von 70 000 DM vorgenommen, so daß sich für den 31. Dezember 1956 ein Bilanzansatz von 10 000 DM ergibt. Dieser Wertansatz entspreche dem gemeinen Wert des eingetauschten Grundstücks. Er sei im Einspruchsverfahren bezüglich der Grunderwerbsteuer festgestellt worden. Bei dem Grundstückstausch stehe ihre Leistung in einem offensichtlichen Mißverhältnis zur Gegenleistung. Sie habe ein um 500 qm größeres Grundstück abgegeben und außerdem die Verpflichtung zur Errichtung des Wohnhauses übernommen. Das auf dem eingetauschten Grundstück befindliche Fachwerkhaus sei bis jetzt nur als Abstellraum für Kisten und Packmaterial verwendet worden. Die Erbengemeinschaft habe die Notlage der Bfin. ausgenutzt. Der Tauschvertrag sei wirtschaftlich betrachtet noch eine Folge des Brandes. Beide Vorgänge müßten in einem Zusammenhang und nicht für sich allein betrachtet werden.

Das Finanzgericht hat ebenso wie das Finanzamt die beantragte Teilwertabschreibung abgelehnt und seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Anschaffungskosten der durch Tausch erworbenen Wirtschaftsgüter seien grundsätzlich mit dem gemeinen Wert der hingegebenen Wirtschaftsgüter anzusetzen. Nur in Sonderfällen (höhere Gewalt, behördliche Eingriffe) könnten die aufgedeckten stillen Reserven auf das Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden (Gutachten des Bundesfinanzhofs I D 1/57 S vom 16. Dezember 1958, BStBl 1959 II S. 30, 38 rechte Spalte unten, Slg. Bd. 68 S. 78). Der Grundstückstauschvertrag sei nicht die unmittelbare Folge von höherer Gewalt oder behördlichen Eingriffen. Der Tauschvertrag beruhe auf den eigenen Entschließungen der Bfin., wenn auch zwingende wirtschaftliche Erwägungen für den Abschluß des Vertrags maßgebend gewesen sein mögen. Bei der Teilwertabschreibung der zu einem Betriebsvermögen gehörenden Grundstücke sei nach der ständigen Rechtsprechung das gesamte Grundvermögen als Einheit anzusehen (vgl. hierzu unter anderem: Urteil des Reichsfinanzhofs VI 533/36 vom 19. Januar 1938, RStBl 1938 S. 179, Slg. Bd. 43 S. 93; Urteile des Bundesfinanzhofs I 74/58 S vom 2. Juni 1959, BStBl 1959 III S. 323, 325 linke Spalte, Slg. Bd. 69 S. 162, und I 188/59 U vom 1. März 1960, BStBl 1960 III S. 198, Slg. Bd. 70 S. 530).

Unstreitig habe die Bfin. den Vertrag aus einer gewissen Zwangslage heraus geschlossen. Es sei jedoch vor allem zu beachten, daß das Tauschgrundstück unmittelbar an den Betrieb der Bfin. angrenze. Allein diese Tatsache sei für einen Fabrikbetrieb von ganz erheblicher Bedeutung. Auf die Dauer gesehen, erweise sich eine solche Maßnahme durchaus als sinnvoll, weil sich die Höhe des Kaufpreises durch die Möglichkeit der Erweiterung und der ungestörten Ausübung des Betriebs in kürzester Zeit bezahlt mache.

Bei der einheitlichen Betrachtung des gesamten Grundvermögens der Bfin. entfalle jede Möglichkeit einer Teilwertabschreibung. Die Summe der Einheitswerte der einzelnen Betriebsgrundstücke betrage zum 1. Januar 1955 rund 100 000 DM. Bis zum 31. Dezember 1956 seien Zugänge durch Zukauf von Grundstücken und durch Aufbauten vorgenommen worden, so daß der gesamte Grundbesitz in der streitigen Bilanz mit rund 400 000 DM ausgewiesen sei. Bei dieser Gesamtsituation habe die Kammer die überzeugung gewonnen, daß ein Erwerber des Betriebs Ende 1956 bereit gewesen sei, im Rahmen des Gesamtkaufpreises für den Grundbesitz der Bfin. diesen Betrag aufzuwenden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb., die sich gegen die Ausführungen des Finanzgerichts zur Teilwertabschreibung auf das Tauschgrundstück wendet, ist unbegründet.

Wie bereits das Finanzgericht ausgeführt hat, sind nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Entscheidung VI 533/36 vom 19. Januar 1938, RStBl 1938 S. 179, Slg. Bd. 43 S. 93) bei Fabrikunternehmen, von Sonderfällen abgesehen, die betrieblich genutzten Grundstücke als eine wirtschaftliche Einheit (einheitliches Wirtschaftsgut) anzusehen. Voraussetzung einer Teilwertabschreibung ist somit, daß der Buchwert des gesamten Grundbesitzes unter dem Teilwert liegt. überhöhte Kosten beim Erwerb eines Teilgrundstücks werden somit durch stille Reserven bei einem anderen Grundstück ausgeglichen. Von dieser Rechtsprechung wurde nur eine Ausnahme für AfA bei besonderen Anlagen im Rahmen der Gebäude zugelassen, die in der Nutzungsdauer vom Gesamtgebäude wesentlich abweichen (siehe Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 125/39 vom 1. März 1939, RStBl 1939 S. 630, Slg. Bd. 46 S. 251, sowie Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 16/61 S vom 17. Oktober 1961, BStBl 1962 III S. 48). Auf Grund seiner Würdigung des Tatbestandes ist das Finanzgericht zu dem Ergebnis gekommen, daß der Buchwert der Grundstücke nicht über seinem Teilwert liegt. Diese in der Hauptsache auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung weist keine Verstöße im Sinne des § 288 AO auf und ist deshalb für den Bundesfinanzhof bindend.

Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hat nun allerdings bei Umbauten zugelassen, daß sie nach Fertigstellung zunächst selbständig bewertet werden (Entscheidungen I A 73/36 vom 10. Juni 1936, RStBl 1936 S. 723; VI 533/36 vom 19. Januar 1938, a. a. O.; VI 630/37 vom 30. März 1938, Steuer und Wirtschaft 1938 Nr. 351). Das hat zur Folge, daß Fehlmaßnahmen bei Umbauten im Jahre der Vollendung des Bauwerks bei der Ermittlung des Erfolges berücksichtigt werden können. Man könnte gleichartige Grundsätze auch auf Fälle der vorliegenden Art anwenden. Wie aber das Finanzgericht bereits eingehend begründet hat, liegt eine Fehlmaßnahme nicht vor. Es mag zutreffen, daß die KG einen über den gemeinen Wert des eingetauschten Grundstücks erheblich hinausgehenden Betrag gezahlt hat. Es war dies in der wirtschaftlichen Lage begründet, in der sich das Unternehmen der Bfin. befunden hat. Der Erfolg, der mit dem Aufwand angestrebt worden ist, ist aber in vollem Umfang eingetreten; es ist nicht zu erkennen, worin eine Fehldisposition gelegen haben soll.

Die Bfin. ist nun der Ansicht, daß es sich bei dem Betrag der über dem von ihr behaupteten gemeinen Wert liegt, um einen verlorenen Aufwand gehandelt habe, der im Rahmen der Teilwertabschreibung abgebucht werden könne. Dies führt zu der wirtschaftlichen Beurteilung des Vorganges.

Es mag zutreffen, daß es sich um einen Aufwand gehandelt hat, der nicht mit dem unmittelbaren Interesse an dem Eigentum des eingetauschten Grundstücks selbst verknüpft ist, sondern mit dem Interesse an der Beseitigung von Belästigungen durch den Besitzer des Nachbargrundstücks. Siehe hierzu auch den Streitfall der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 264/35 vom 15. Dezember 1936 (RStBl 1937 S. 622, Steuer und Wirtschaft 1937 Nr. 99). Theoretisch hätte man auch den Weg wählen können, an den Eigentümer des Nachbargrundstücks ohne Erwerb seines Grundstücks eine Abfindung zu entrichten. Es mag zutreffen, daß in diesem Falle der Abfindungsbetrag als selbständiges Wirtschaftsgut hätte aktiviert werden und gegebenenfalls mit Hilfe der Abschreibung oder von AfA innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu Lasten des Erfolges abgebucht werden können. Tatsächlich ist aber dieser Weg nicht gewählt worden. Es handelt sich bürgerlich-rechtlich und damit auch steuerlich um einen einheitlichen Aufwand zum Erwerb eines Grundstücks, der bilanzmäßig einheitlich behandelt werden muß. Im übrigen würden einer Aufteilung des Gesamtbetrages durch Schätzung auch beachtliche Schwierigkeiten entgegenstehen. Es handelt sich um Anschaffungskosten für ein Grundstück, dessen Teilwert für die KG weit über dem gemeinen Wert lag, da der Erwerb des Grundstücks die ungestörte Fortführung des gut rentierenden Betriebs der KG in den nächsten Jahren ermöglichte. Die Bilanzierung im Steuerrecht muß dem Vorgang folgen, wie er sich bürgerlich-rechtlich tatsächlich abgespielt hat.

Auch bei dieser Betrachtung kann der Rb. nicht stattgegeben werden.

Die Rb. wird deshalb als unbegründet zurückgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410341

BStBl III 1962, 186

BFHE 1962, 496

BFHE 74, 496

BB 1962, 626

DB 1962, 558

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