Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BFH Beschluss vom 28.06.2006 - I R 84/04 (veröffentlicht am 18.10.2006)

Sie haben bereits ein Haufe Produkt? Hier anmelden
 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH: Freistellung von Verlusten einer luxemburgischen Betriebsstätte gemeinschaftsrechtswidrig?

 

Leitsatz (amtlich)

Dem EuGH wird die folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist es mit Art. 43 und Art. 56 EG vereinbar, wenn ein deutsches Unternehmen mit Einkünften aus Gewerbebetrieb Verluste aus einer Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Luxemburg) bei der Gewinnermittlung nicht abziehen kann, weil nach dem maßgeblichen Doppelbesteuerungsabkommen entsprechende Betriebsstätteneinkünfte nicht der deutschen Besteuerung unterliegen?

 

Normenkette

EG Art. 43, 56; DBA LUX Art. 5 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2; EStG 1997 § 2a Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Gerichtsbescheid vom 30.06.2004; Aktenzeichen 1 K 312/03; EFG 2004, 1694)

 

Nachgehend

EuGH (Urteil vom 15.05.2008; Aktenzeichen C-414/06)

 

Tatbestand

I. Sach- und Streitstand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betrieb ihre Geschäftstätigkeit --den Handel mit und den Vertrieb von Waren-- u.a. in Luxemburg über eine dort belegene Betriebsstätte und erwirtschaftete hieraus im Streitjahr 1999 einen Verlust von 163 382 DM, den sie zunächst bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abzog. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte den Verlustabzug ab und berücksichtigte den Verlust nur im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts gemäß § 32b des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997). Zur Begründung verwies das FA auf die Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte gemäß Art. 5 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 2 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (DBA-Luxemburg) vom 23. August 1958 (BGBl II 1959, 1270) und auf die Abschaffung von § 2a Abs. 3 EStG 1997 durch das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) mit erstmaliger Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1999 an (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften --StBereinG 1999-- vom 22. Dezember 1999, BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13). Es stellte dementsprechend den Gewinn der Klägerin auf den 31. Dezember 1999 gesondert und einheitlich fest. Der Bescheid stand unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977).

Die auf Änderung dieses Bescheides gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 gerichtete Verpflichtungsklage, die die Klägerin auf gemeinschafts- und verfassungsrechtliche Einwendungen stützte, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg wies sie mit Urteil vom 30. Juni 2004  1 K 312/03 als unbegründet ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1694 abgedruckt.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und das FA zu verpflichten, den angefochtenen Feststellungsbescheid 1999 dahin gehend zu ändern, dass die Verluste aus der Betriebsstätte in Luxemburg sich steuermindernd auswirken.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Rechtslage nach deutschem Recht

Die Entscheidung über die Revision ist von der Beantwortung der im Leitsatz genannten Vorlagefrage abhängig. Sofern diese Frage zu verneinen ist, muss das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und der Klage entsprochen werden. Ist die Frage aber zu bejahen, ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

1. Die Klägerin bezieht im Inland Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1997). Sie unterhielt im Streitjahr eine Betriebsstätte in Luxemburg und erwirtschaftete daraus Einkünfte aus einem gewerblichen Unternehmen, für die nach Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg Luxemburg das Besteuerungsrecht hat. Einkünfte, für die nach den vorstehenden Artikeln der andere Staat (hier: Luxemburg) ein Besteuerungsrecht hat, werden nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA-Luxemburg von der Bemessungsgrundlage für die deutsche Steuer ausgenommen. Die Gewinnermittlung richtet sich hierbei nach deutschem Recht (z.B. Senatsurteil vom 22. Mai 1991 I R 32/90, BFHE 165, 197, BStBl II 1992, 94; Piltz in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 73, 136 f.).

2. Da sich der Begriff der Betriebsstättengewinne auf einen Nettobetrag bezieht, entspricht es ständiger Rechtsprechung des Senats, dass auch Betriebsstättenverluste aus der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind. Der Senat nimmt insoweit auf diese Rechtsprechung Bezug (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 13. November 2002 I R 13/02, BFHE 201, 73, BStBl II 2003, 795; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., MA Art. 23A Rz. 57, jeweils m.w.N.), an der er jedenfalls für die mit Luxemburg vereinbarte Abkommenslage festhält.

a) Denn indem nach Art. 20 Abs. 2 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg ausdrücklich "von der Bemessungsgrundlage der Steuer des Wohnsitzstaates … die Einkünfte … ausgenommen (werden), für die nach den vorhergehenden Artikeln der andere Staat ein Besteuerungsrecht hat …", ist letztlich zweifelsfrei, dass darin nicht nur positive, sondern auch negative Einkünfte einbezogen sind (sog. Symmetriethese). Darauf baute auch die --bisherige-- (innerstaatliche) Regelung des § 2a Abs. 3 EStG 1997 auf (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 201, 73, BStBl II 2003, 795; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., MA Art. 23A Rz. 57): Nach dessen Satz 1 ist auf Antrag des unbeschränkt Steuerpflichtigen ein Verlust, der sich nach den Vorschriften des inländischen Steuerrechts bei den nach einem Doppelbesteuerungsabkommen von der Einkommensteuer zu befreienden, aus einer in einem ausländischen Staat belegenen Betriebsstätte stammenden Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit ergibt, bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abzuziehen, soweit er vom Steuerpflichtigen ausgeglichen oder abgezogen werden könnte, wenn die Einkünfte nicht von der Einkommensteuer zu befreien wären, und soweit er nach dem Abkommen zu befreiende positive Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit aus anderen in diesem ausländischen Staat belegenen Betriebsstätten übersteigt. Dieser Verlustabzug ist gemäß § 10d EStG 1997 vortragsfähig (§ 2a Abs. 3 Satz 2 EStG 1997); er steht allerdings nach § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG 1997 unter dem Vorbehalt einer Nachversteuerung, soweit sich in einem der folgenden Veranlagungszeiträume bei den nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zu befreienden Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit aus in diesem Staat belegenen Betriebsstätten insgesamt ein positiver Betrag ergibt.

b) Der Umstand, dass § 2a Abs. 3 EStG 1997 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 mit erstmaliger Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1999 an (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999) --und damit für das Streitjahr-- ersatzlos gestrichen worden ist, ändert an der sog. Symmetriethese schon in Anbetracht der erwähnten zwischenstaatlichen Vereinbarung nichts (vgl. zur prinzipiellen Ausgeglichenheitsvermutung von Doppelbesteuerungsabkommen zuletzt Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften --EuGH--, Urteile vom 5. Juli 2005 Rs. C-376/03 "D.", Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2005, Nr. C 271,4; vom 13. Dezember 2005 Rs. C-446/03 "Marks and Spencer", ABlEU 2006, Nr. C 36,5, dort Tz. 45 f.). Abgesehen davon ist nicht zu erkennen, dass der (deutsche) Gesetzgeber mit der Streichung von § 2a Abs. 3 EStG 1997 die Grundlage für ein anderweitiges Abkommensverständnis schaffen wollte. Gründe für die Streichung von § 2a Abs. 3 EStG 1997 waren ausweislich der Gesetzesmaterialien (vgl. BTDrucks 14/23, S. 167) vielmehr --allein-- die Schwierigkeiten, die geltend gemachten Verluste zu dokumentieren und über viele Zeiträume zu "kontrollieren", systematische Bedenken gegenüber dem erwähnten Umstand, dass abkommensbefreite Gewinne unberücksichtigt bleiben, Verluste aber angesetzt werden können, sowie die Überlegung, dass die Verluste bereits über den Progressionsvorbehalt (vgl. § 32b EStG 1997) hinreichend berücksichtigt seien.

Da das DBA-Luxemburg in diesem Punkt ein entgegenstehendes Regelungsverständnis nicht zwingend einfordert und Art. 20 Abs. 2 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg deswegen nach deutschem Recht auszulegen ist (vgl. Art. 2 Abs. 2 DBA-Luxemburg; s. auch Nr. 44 des Musterkommentars 2005 der OECD zu Art. 23A des OECD-Musterabkommens), sieht der Senat nach wie vor weder Veranlassung noch Notwendigkeit, sich der anderweitigen Spruchpraxis des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs (Erkenntnis vom 25. September 2001  99/14/0217 E, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2001, 754) und neuerdings wohl auch des luxemburgischen tribunal administratif (Urteil vom 10. August 2005 No. 17.820, s. Winandy, IStR 2005, 594) anzuschließen und den Verlust der luxemburgischen Betriebsstätte in die inländische Besteuerung einzubeziehen. Zumindest für das hier maßgebliche deutsche Abkommensverständnis lässt sich eine solche Spruchpraxis für den Bereich der Europäischen Gemeinschaften angesichts der eindeutigen Rechtslage auch nicht im Wege einer gemeinschaftsrechtskonformen Regelungsauslegung herbeiführen (vgl. im Ergebnis ähnlich z.B. Gosch in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 2a Rn. 4; Paetsch, Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung im Europäischen Binnenmarkt, 2004, S. 67 ff., 69 f.; anders z.B. Balmes/Grammel/Sedemund, Betriebs-Berater --BB-- 2006, 1474, 1477 f.).

III. Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht

Das FG-Urteil wäre danach zu bestätigen. Der vorlegende Senat erachtet die unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen mit ausländischen Betriebsstättenverlusten einerseits und inländischen Betriebsstättenverlusten andererseits bei der Einkünfteermittlung (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1, §§ 4 ff. EStG 1997) aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht jedoch nicht als zweifelsfrei. Sie könnte gegen die in Art. 43 und 56 des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften --EG--, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 1997, Nr. C-340/1) garantierten Grundfreiheiten verstoßen, deren Auslegung dem EuGH vorbehalten ist (vgl. Art. 234 Abs. 1 Buchst. a EG).

1. Auch Doppelbesteuerungsabkommen müssen sich an den gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverboten messen lassen (s. zuletzt EuGH-Urteil vom 19. Januar 2006 Rs. C-265/04 "Bouanich", ABlEU 2006, Nr. C 60,6 Tz. 49 f., m.w.N.). So gesehen könnte es sowohl gegen die Grundfreiheit der freien Wahl der Niederlassung (Art. 43 EG) als auch gegen diejenige des freien Kapitalverkehrs (Art. 56 EG) verstoßen, wenn Verluste, die ein Steuerpflichtiger in seiner in einem Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte erwirtschaftet, in seinem Ansässigkeitsstaat im Verlustjahr nicht verrechnen kann.

2. Allerdings hat der EuGH durch Urteil "Marks and Spencer" in ABlEU 2006, Nr. C 36,5 entschieden, dass die Art. 43 EG und Art. 48 EG --und damit das Beschränkungsverbot des Rechts der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates-- beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehe, die es einer gebietsansässigen Muttergesellschaft allgemein verwehrt, von ihrem steuerpflichtigen Gewinn Verluste abzuziehen, die einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft dort entstanden sind, während sie einen solchen Abzug für Verluste einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft zulässt. Der EuGH betont die grundsätzliche Ausgewogenheit einer übereinstimmenden Behandlung von Gewinnen und Verlusten im Ansässigkeitsstaat und macht lediglich für den Fall eine Ausnahme, dass der Verlust im Quellenstaat unter keinen Umständen steuerlich verwertbar ist, letztlich also nur im Fall der Aufgabe des Quellenstaatsengagements. Die Nachweispflicht dafür trägt der Steuerpflichtige.

Das EuGH-Urteil in ABlEU 2006, Nr. C 36,5, auf dessen Gründe im Einzelnen verwiesen wird, ist zu den Regelungen des britischen "group relief" und damit der britischen Konzernbesteuerung im Verhältnis der (britischen) Muttergesellschaft zu deren (ausländischen) Tochtergesellschaften und den von diesen erzielten Verlusten ergangen. Es ist sonach für die Besteuerung unselbständiger Betriebsstätten und deren Verlusttransfer auf das Stammhaus nicht unmittelbar einschlägig (vgl. auch Rz. 52 des vorgenannten Urteils). Es spricht nach Auffassung des erkennenden Senats dennoch manches dafür, dass die Grundsätze jenes Urteils sich hier wie dort nicht unterscheiden können. Denn die tragenden Erwägungen, die der EuGH anstellt und die prinzipiell den Abzugsausschluss ausländischer Verluste rechtfertigen, liegen in beiden Sachverhaltskonstellationen jedenfalls weitgehend gleich (vgl. ebenso Englisch, IStR 2006, 22; Herzig/ Wagner, Der Konzern 2006, 176, 178 f.; dieselben, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2006, 1, 10 Fn. 103; s. auch Hey, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 2006, 113, 122; Sutter, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --EuZW-- 2006, 87, 88; PricewaterhouseCoopers, Verlustberücksichtigung über Grenzen hinweg, 2006, S. 34; Balmes/Grammel/Sedemund, BB 2006, 1474, 1477 f.; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 2a Rn. 4; derselbe, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der Steuerberatung 2006, 112; Saß, Der Betrieb --DB-- 2006, 123, 124). Es sind dies: Die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten bezogen auf Gewinne ebenso wie auf Verluste (Rz. 45 f. des Urteils), die Vermeidung eines doppelten Verlustabzugs (Rz. 47 f. des Urteils), die Befürchtung der Steuerflucht dergestalt, dass Verlustübertragungen in jene Mitgliedstaaten geleitet werden, die den höchsten Steuersätzen unterliegen und bei denen folglich die Verluste am wertvollsten sind (Rz. 49 des Urteils). Der pauschale Ausschluss der Verlustverrechnung geht nach Auffassung des EuGH lediglich dann über jenes Maß hinaus, das zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich ist, wenn im Quellenstaat alle Möglichkeiten zur Verlustverrechnung ausgeschöpft wurden und zudem keine Möglichkeit besteht, die Verluste dort zukünftig zu nutzen (Rz. 55 des Urteils). Es verstoße dann gegen die Niederlassungsfreiheit, den Verlustabzug zu verwehren, sofern der Steuerpflichtige nachweisen kann, dass eben diese Voraussetzungen erfüllt sind (Rz. 56 des Urteils).

Die angeführten Rechtfertigungsgründe sind auf unselbständige Betriebsstätten eines Unternehmens nicht uneingeschränkt übertragbar; das betrifft insbesondere den Aspekt der Steuerflucht. Im Kern sind aber Unterschiede, die darin gründen, dass die Verluste in einer selbständigen Tochtergesellschaft oder aber in einer unselbständigen Betriebsstätte erwirtschaftet werden, nicht auszumachen (ebenso Balmes/Grammel/Sedemund, BB 2006, 1474, 1477 f.). Vor allem der Gesichtspunkt der doppelten Verlustnutzung in beiden Staaten trifft hier wie dort zu. Gleiches gilt für die Verschiebung von Besteuerungssubstrat mittels Funktionsübertragung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte und für die im Territorialitätsprinzip wurzelnde Ausgewogenheit des Besteuerungszugriffs des Quellenstaates auf Gewinne ebenso wie auf Verluste. Die prinzipielle Gleichbehandlung von Tochtergesellschaften und Betriebsstätten wurde vom EuGH denn auch erst kürzlich im Urteil vom 23. Februar 2006 Rs. C-253/03 "CLT-UFA" (ABlEU 2006, Nr. C 131,4) für die Frage danach, ob für beide Organisationsformen ein einheitlicher (nationaler) Steuersatz für den Fall der Gewinnausschüttung vorzusehen ist, bejaht.

3. Der Senat erachtet die Gemeinschaftsrechtslage zur Frage der Verlustnutzung gleichwohl nicht als derart eindeutig, dass er von einer Vorlage an den EuGH gemäß Art. 234 Abs. 3 EG absehen dürfte (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 "C.I.L.F.I.T.", EuGHE 1982, 3415). Ihm erscheint derzeit insbesondere ungewiss, ob der EuGH die von ihm aufgeführten Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung inländischer und ausländischer Tochtergesellschaften in dem Urteil "Marks and Spencer" in ABlEU 2006, Nr. C 36,5 als kumulative, gleichgewichtige Erfordernisse verstanden oder ob er diese Gründe, wofür manches spricht, nur im Rahmen einer allgemeinen Gesamtwürdigung berücksichtigt wissen will (vgl. Tz. 51 des Urteils: "insgesamt"; s. dazu auch die Schlussanträge des Generalanwalts M. Poiares Maduro in der Rechtssache C-347/04 "Rewe Zentralfinanz", dort Tz. 34, abrufbar im Internet unter http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=de). Ungewiss ist gleichermaßen, ob nicht jedenfalls bei Betriebsstättenverlusten an die Stelle der prinzipiellen Nichtabziehbarkeit der Verluste mit der Ausnahme ihrer endgültigen Nichtberücksichtigung im Ausland die im Verhältnis dazu (liquiditäts-)schonendere Methode einer Nachversteuerung zunächst abziehbarer und später doppelt genutzter Verluste, wie sie in § 2a Abs. 3 EStG 1997 a.F. vorgesehen war, vorzuziehen ist und den gemeinschaftsrechtlichen Freiheitsrechten eher entspricht (vgl. dazu z.B. Kessler/Schmitt/Janson, IStR 2001, 729, 735 f.; IStR 2003, 307; Tillmanns/Mössner in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Rz. B 470 f.; Paetsch, a.a.O., S. 83 ff., und --in Reaktion auf das Urteil in der Rechtssache "Marks and Spencer" in ABlEU 2006, Nr. C 36,5-- z.B. Scheunemann, Recht der Internationalen Wirtschaft 2006, 79; Herzig/Wagner, Der Konzern 2006, 176, 179; dieselben, DStR 2006, 1, 8; Saß, DB 2006, 123, 124, 126; Hey, GmbHR 2006, 113, 116; Wernsmann/Nippert, Finanz-Rundschau 2006, 153, 159; Müller, GmbHR 2006, 301, 302; Thömmes, Internationale Wirtschaftsbriefe Fach 11a, 933; vgl. auch Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 2a Rn. 2 und 4, m.w.N.).

IV. Vorlage an den EuGH

Der Senat setzt das Revisionsverfahren deshalb gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung aus und legt dem EuGH die im Leitsatz formulierte Rechtsfrage gemäß Art. 234 Abs. 3 EG zur Vorabentscheidung vor.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1588185

BFH/NV 2006, 2366

BStBl II 2006, 861

BFHE 2007, 270

BFHE 214, 270

BB 2006, 2390

DB 2006, 2377

DStR 2006, 1927

DStRE 2006, 1432

DStZ 2006, 752

HFR 2006, 1227

WPg 2006, 1517

FR 2007, 86

Inf 2006, 882

SteuerBriefe 2006, 1449

GStB 2006, 47

NWB 2006, 3608

IStR 2006, 784

IStR 2006, 796

StuB 2006, 846

RIW 2006, 866

GmbHR 2006, 1282

NWB direkt 2006, 4

Konzern 2006, 793

SJ 2006, 11

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Gold enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 14b Verspätungszuschlag
    262
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO § 109 Verlängerung von Fristen / 5.1 Allgemeines
    170
  • Grunderwerbsteuer bei Veränderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft (§ 1 Abs. 2a GrEStG) (ErbStB 2022, Heft 8, S. 247)
    129
  • Stenger/Loose, Bewertungsrecht - Kommentar zum BewG, Erb ... / VI. Umrechnungsfaktoren zur Ermittlung der Brutto-Grundfläche bei Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken
    125
  • Bedarfsbewertung: Erklärung zur Feststellung des Bedarfs ... / 1 Erläuterungen zum Formular
    119
  • Grundsteuer für land- und forstwirtschaftliche Betriebe ... / 5.1 Landwirtschaftliche Nutzung – § 237 Abs. 2 BewG
    113
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 28 Allgemeines / 3.5 Verlegung einer Betriebsstätte von einer in eine andere Gemeinde (§ 28 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GewStG)
    111
  • Weilbach, GrEStG § 1 Erwerbsvorgänge / 3 Tauschvertrag (Abs. 5)
    111
  • Kapitalgesellschaft: Liquidation / 3.3.4 Auswirkungen der Auskehrung des Vermögens
    109
  • Änderungsvorschriften / 5 Gegenrechnung materieller Fehler
    105
  • Praxisveräußerung, Praxisaufgabe und Praxisübertragung: ... / 2.1 Tod eines Freiberuflers
    105
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 29 Zerlegungsmaßstab / 3.2 Zerlegung nach Arbeitslöhnen (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG)
    95
  • Erbschaftsteuererklärung: Anlage Erwerber vom 1.1.2009 b ... / 1.6 Erwerb durch Erbanfall (Zeilen 22 bis 31)
    93
  • Frotscher/Drüen, GewStG § 7 Gewerbeertrag / 4.2 Veräußerungs- und Aufgabegewinne bei Einzelunternehmen
    93
  • Grundstücksteile von untergeordneter Bedeutung (§ 8 EStDV) (estb 2022, Heft 12, S. 467)
    93
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO § 173 Aufhebung oder Änderung von ... / 3.2.2 Maßstab des groben Verschuldens
    92
  • Frotscher/Drüen, UmwStG § 22 Besteuerung des Anteilseigners
    85
  • Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG § 13b Begünstigtes Vermögen
    73
  • Pflegekosten / 1.3 Unterbringung in einem Heim
    71
  • Schwarz/Pahlke/Keß, AO Vorbemerkungen zu §§ 172–177 / 3.1 Formelle Bestandskraft als Unanfechtbarkeit
    71
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Steuer Office Gold
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop

Produktempfehlung


Zum Thema Steuern
BFH Kommentierung: Nichtberücksichtigung "finaler" ausländischer Betriebsstättenverluste
Faehnchen in den deutschen und englischen Nationalfarben
Bild: MEV-Verlag, Germany

Der auf einem DBA (hier: DBA-Großbritannien 1964/1970) beruhende Ausschluss der Berücksichtigung von Verlusten einer in einem anderen Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte (sog. Symmetriethese) verstößt auch für endgültige ("finale") Verluste nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit (Bestätigung des BFH-Urteils v. 22.2.2017, I R 2/15, BStBl II 2017, S. 709).


Erfolgreich umsetzen: Neue Arbeitswelt in der Steuerberatung
Neue Arbeitswelt in der Steuerberatung
Bild: Haufe Shop

Das Buch ist ein Wegweiser für alle, die ihre Kanzlei in eine moderne und zukunftsorientierte Arbeitsumgebung transformieren wollen. Es bietet Strategien und praktische Ratschläge, um die Vorteile von New Work voll auszuschöpfen und sich erfolgreich den neuen Herausforderungen zu stellen.


BFH I R 116/04
BFH I R 116/04

  Entscheidungsstichwort (Thema) Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH: Abzugssausschluss von Verlusten einer US-amerikanischen Betriebsstätte gemeinschaftsrechtswidrig?  Leitsatz (amtlich) Dem EuGH werden die folgenden Rechtsfragen zur Vorabentscheidung ...

4 Wochen testen


Newsletter Steuern
Bild: Adobe
Newsletter Steuern - BFH-Urteilsservice

Aktuelle Informationen zur neuesten BFH-Rechtsprechung frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Kurzkommentierungen
  • Praxishinweise
  • wöchentlich
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Sie müssen den AGB zustimmen
Haufe Fachmagazine
Zum Steuern Archiv
Themensuche A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #
Haufe Group
Haufe People Operations
Haufe Fachwissen
Haufe HR-Software
Haufe Digitale Personalakte
Haufe Onlinetraining
Smartsteuer
Schäffer-Poeschel
Lexware
rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS
Newsletter
FAQ
Mediadaten
Presse
Editorial Code of Conduct
Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz
Netiquette
Sitemap
Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt

Kontakt & Feedback
AGB

Compliance
Datenschutz
Impressum
Haufe Steuern Shop
Steuern Software
Komplettlösungen Steuern
Kanzleimanagement Lösungen
Steuern im Unternehmen
Lösungen für die Steuererklärung
Steuer-Kommentare
Alle Steuern Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren