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BFH Beschluss vom 26.03.1990 - V B 154/88 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückweisung einer auf alle drei Zulassungsgründe gestützten NZB

 

Leitsatz (NV)

1. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nicht dadurch dargelegt (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO), daß der Bf. geltend macht, die Revision sei für ihn als Steuerschuldner von finanziell wesentlichem Interesse. Ein finanzieller Zugriff und eine finanzielle Belastung wie im vorliegenden Fall hätten eine unmittelbar grundsätzliche Bedeutung auch dann, wenn die sonstigen Bedingungen für das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung nicht erkennbar seien. Entsprechendes gilt für das Vorbringen, in den Ausführungen des FG liege ein klarer Gesetzesverstoß.

2. Eine auf Divergenz gestützte NZB ist nicht begründet, wenn der vom Bf. aus der Vorentscheidung abgeleitete abstrakte Rechtssatz sich der Vorentscheidung nicht entnehmen läßt.

3. Zu den Mindestanforderungen an die Bezeichnung des gerügten Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO), wenn Verletzung der Ermittlungspflicht gerügt wird.

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, Abs. 3 S. 3

 

Tatbestand

Aufgrund der am 12. Februar 1987 abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 1986 hatte die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung von . . . DM zu leisten. Sie beantragte, diese Vorauszahlung mit an sie abgetretenen Ansprüchen zu verrechnen. Hierzu berief sich die Klägerin u. a. auf die Abtretung eines Anspruchs der . . . gesellschaft bürgerlichen Rechts . . . (GbR) in . . . gegen das FA X. In der nach Muster ,,AO 1 - OFD Z" gefertigten Abtretungsanzeige gegenüber dem FA X vom 31. Dezember 1986 ist zur Bezeichnung der Art des Anspruchs angegeben: ,,Vorsteuer 12/86"; ferner ist bezeichnet bzw. angekreuzt: ,,Abtretung / Verpfändung in voller Höhe des zu erstattenden Betrags voraussichtlich . . . DM.

Dieser Vorsteuerabzug beruht auf einem Kaufvertrag zwischen der Klägerin und der GbR vom 30. Dezember 1986 über den Verkauf von Inventar. In § 3 Abs. 3 des Vertrages heißt es: ,,Die auf den Kaufpreis entfallende Mehrwertsteuer wird zwecks vorzunehmender Aufrechnung mit dem Finanzamt Y an den Verkäufer abgetreten. Eine entsprechende Abtretungserklärung ist dem Verkäufer umgehend auszuhändigen."

Die GbR machte die Vorsteuer aus dem Vertrag in ihrer USt-Voranmeldung für Februar 1987 geltend. Das sich ergebende Guthaben wurde vom FA X im wesentlichen mit Steuerschulden der GbR verrechnet und in Höhe von . . . DM an den Beklagten und Revisionsbeklagten (FA Y) zur Verrechnung zugunsten der Klägerin für USt-Vorauszahlungen Oktober und November 1986 überwiesen.

Das FA lehnte eine von der Klägerin beantragte Stundung der noch verbliebenen USt-Schuld aus der USt-Voranmeldung der Klägerin für Dezember 1986 durch Verfügung vom 17. März 1987 mit dem Hinweis ab, laut Mitteilung des für die GbR zuständigen FA X ergebe sich für die GbR bezüglich Dezember 1986 kein Erstattungsanspruch. Die von der Klägerin eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

Die Klage der Klägerin wurde vom FG mit der Begründung abgewiesen, als einziger Stundungsgrund komme in Betracht, daß nach Treu und Glauben nicht etwas gefordert werden solle, was sogleich wieder zurückgezahlt werden müsse. Derartige Umstände lägen jedoch nicht vor; denn die von der Klägerin geltend gemachte Abtretung sei nicht wirksam.

Gegenstand der Abtretung habe nach ausdrücklicher Bestimmung im Vertrag (§ 3 Abs. 3) und in der Abtretungsanzeige lediglich die ,,Vorsteuer" für den Voranmeldungszeitraum Dezember 1986 sein sollen. Einer anderen Auslegung sei die Vereinbarung zwischen der Klägerin und der GbR auch unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 133 BGB (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 7. Mai 1982 VI R 49/79, BFHE 136, 46, BStBl II 1982, 785) nicht zugänglich. Denn die in den vorgenannten Dokumenten enthaltenen Willensäußerungen gingen eindeutig dahin, daß der auf den Kaufpreis laut Vertrag entfallende USt-Anteil Gegenstand der Abtretung sein solle. Dieser stelle sich bei der GbR als gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 abziehbare Vorsteuer dar. Diese wiederum sei lediglich eine unselbständige Besteuerungsgrundlage innerhalb der Steuerberechnung der GbR und kein Anspruch mit verfahrensrechtlichem Eigenleben (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 24. März 1983 V R 8/81, BFHE 138, 498, BStBl II 1983, 612). Dies ergebe sich aus den auf dem System der USt aufbauenden Vorschriften über die Steuerberechnung (§§ 16 ff. UStG 1980); sie bestimmten unter Anwendung des Abschnittsprinzips diejenigen Ansprüche aus den Steuergesetzen zugunsten des FA bzw. zugunsten des Unternehmers, welchen eine verfahrensrechtliche Eigenständigkeit zukomme. Die für den Besteuerungszeitraum zu berechnende Steuer i. S. des § 18 Abs. 1 UStG 1980 sei demgemäß der Saldo aus zwei unselbständigen Besteuerungsgrundlagen, nämlich aus der nach § 16 Abs. 1 UStG 1980 berechneten Steuer und der Summe der Vorsteuerabzugsansprüche i. S. von § 16 Abs. 2 UStG 1980 (Hinweis auf BFH-Urteil vom 30. September 1976 V R 109/73, BFHE 120, 562, BStBl II 1977, 227). Nur dann, wenn sich bei der Steuerberechnung als Saldo ein rechnerischer Überschuß zugunsten des Unternehmers ergebe (vgl. § 18 Abs. 4 Satz 4 UStG 1980), der abgabenrechtlich als negative Steuerschuld einzuordnen sei, erwachse dem Steuerpflichtigen ein selbständiger und damit abtretbarer Auszahlungsanspuch. Dagegen treffe dies nicht für den einzelnen Vorsteuerabzugsbetrag gemäß § 15 Abs. 1 UStG 1980 zu, der lediglich einen - negativen - Bestandteil der USt-Festsetzung darstelle (Hinweis auf BFH-Urteile vom 27. Mai 1971 V R 109/70, BFHE 102, 440, BStBl II 1971, 649, und vom 15. Mai 1975 V R 84/70, BFHE 117, 1, BStBl II 1976, 41).

Dem könne die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, Vorsteueranspruch und negative Steuerschuld seien im Streitfall aufgrund der besonderen Konstellation identisch, weil die GbR umsatzsteuerlich relevant erstmals und zum einzigen Male im Voranmeldungszeitraum Dezember 1986 tätig geworden sei. Denn dies sei nicht sicher. Aber selbst wenn angenommen würde, der ,,Vorumsatz"-Inventarkauf sei der GbR für Dezember 1986 zuzurechnen gewesen, schlösse dies nicht aus, daß die GbR auch anderweitig unternehmerisch und damit umsatzsteuerlich relevant hätte tätig werden können. Dann wäre wiederum das Wesen des Vorsteueranspruchs als bloßer unselbständiger Bestandteil der Gesamtfestsetzung offenbar geworden. Außerdem sei der Korrespondenz sämtlicher Beteiligten (Klägerin, GbR, FA X und beklagtes FA) zu entnehmen, daß die GbR den Verkaufsumsatz der Klägerin als Vorumsatz nicht dem Voranmeldungszeitraum Dezember 1986, sondern dem Voranmeldungszeitraum Februar 1987 zugeordnet habe, was i. S. des § 3 Abs. 1 UStG 1980 (Verschaffung der Verfügungsmacht) i. V. m. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980 (Erteilung der Rechnung für den Vorsteuerabzug) trotz § 5 des Kaufvertrages (Übergabe zum 30. Dezember 1986) ohne weiteres als möglich und denkbarerweise als richtig anzusehen sei. Dieser Umstand mache die Unselbständigkeit des Anspruchs auf Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 1 UStG 1980 zusätzlich deutlich.

Es brauche danach nicht darauf eingegangen zu werden, ob für Dezember 1986 ein unselbständiger Vorsteuerabzugsanspruch für die GbR gegenüber dem FA X oder ein (grundsätzlich abtretbarer) USt-Erstattungsanspruch für den entsprechenden Voranmeldungszeitraum bestanden habe. Denn letzterer sei nach dem möglichen Sinn des ausdrücklichen Wortlauts des Vertrages nicht abgetreten worden; hinsichtlich des ersteren sei eine Abtretung nicht möglich.

Sollte es zutreffen, daß das FA unter gleichen Voraussetzungen in einem anderen Fall der Klägerin schon einmal eine Stundung gewährt habe, könne sich die Klägerin für den vorliegenden Streitfall nicht hierauf berufen. Denn der Grundsatz von Treu und Glauben bzw. der Vertrauensschutz eines Steuerpflichtigen begründe keinen Anspruch auf Fehlerwiederholung.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, die Revision sei zuzulassen; denn es lägen alle drei in § 115 Abs. 2 FGO angeführten Zulassungsgründe vor.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde wird zurückgewiesen (§ 115 Abs. 5 Satz 1 FGO); die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor, soweit die Klägerin überhaupt die formellen Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde erfüllt hat.

1. Soweit sich die Klägerin auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft, sind nicht einmal die formellen Anforderungen an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde erfüllt. Unter Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO) ist zu verstehen, daß der Beschwerdeführer konkret auf eine für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage und deren Bedeutung für die Allgemeinheit eingeht, so daß sich daraus ergibt, die Rechtsfrage berühre das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Anm. 61 i. V. m. 7). Dies ist von der Klägerin hinsichtlich beider von ihr angeführten Rechtsfragen nicht beachtet worden.

a) Soweit die Klägerin geltend macht, die GbR habe ihr mitgeteilt, keinerlei Zahlungen in der vorliegenden Angelegenheit leisten zu können, so daß die umsatzsteuerliche Belastung aufgrund des mit der GbR geschlossenen Kaufvertrages endgültig auf ihr, der Klägerin, hängenbleibe, hat die Klägerin aufgrund ihres Irrtums über die diesbezüglichen Anforderungen nicht einmal den Versuch gemacht, ein allgemeines Interesse an einer der Streitsache zugrunde liegenden Rechtsfrage aufzuzeigen. Sie ist nämlich von der irrtümlichen Annahme ausgegangen, daß die Revision zuzulassen sei, wenn diese für den Steuerschuldner von finanziell wesentlichem Interesse sei, und daß ein finanzieller Zugriff und eine finanzielle Belastung wie im vorliegenden Falle eine unmittelbar grundsätzliche Bedeutung auch dann hätten, wenn die sonstigen Bedingungen für das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung nicht erkennbar seien.

b) Im Ergebnis nichts anderes gilt insoweit, als die Klägerin sich mit der Bemerkung des FG befaßt hat, die Zuordnung der Vorsteuer durch die GbR nicht zum Voranmeldungszeitraum Dezember 1986, sondern zum Voranmeldungszeitraum Februar 1987 sei ohne weiteres als möglich und denkbarerweise als richtig anzusehen. Dem hält die Klägerin lediglich entgegen, hierin liege ein klarer Gesetzesverstoß. Damit bringt sie zum Ausdruck, daß sie vom Vorliegen einer Gesetzesverletzung im Einzelfall ausgeht. Unter diesen Umständen wird nicht verständlich, inwiefern eine Rechtsfrage von allgemeinem Interesse vorliegen sollte. Ein solches allgemeines Interesse wird auch nicht dadurch deutlich, daß die Klägerin hinzugefügt hat, der Gedanke des FG stehe im Raum und zu ihm gebe es noch keine höchstrichterliche Entscheidung.

2. Zum Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) hat die Klägerin zwar den formellen Anforderungen genügt (vgl. insoweit Gräber / Ruban, a. a. O., § 115 Anm. 63), indem sie in der Beschwerdeschrift ausgeführt hat, im BFH-Urteil in BFHE 136, 46, BStBl II 1982, 685 komme zum Ausdruck, daß auch Abtretungen i. S. von § 46 AO 1977 einer Auslegung gemäß § 133 BGB zugänglich seien, wogegen das FG dieses Urteil als unanwendbar bezeichnet habe. Hiermit hat die Klägerin zum Ausdruck gebracht, in der Vorentscheidung sei die Auslegbarkeit einer Abtretung mit Hilfe von § 133 BGB verneint worden.

Damit ist zwar der formellen Anforderung genügt, es müsse dargelegt werden, die Vorentscheidung beruhe auf einem abstrakten Rechtssatz, der einem abstrakten Rechtssatz derjenigen BFH-Entscheidung widerspreche, zu der sich die Divergenz ergeben soll. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch insoweit nicht begründet, weil sich der Vorentscheidung nicht entnehmen läßt, das FG habe ausgesprochen, Abtretungserklärungen dürften nicht mittels § 133 BGB ausgelegt werden. Eine diesbezügliche ausdrückliche oder sinngemäße Aussage ist in der angefochtenen Entscheidung nicht enthalten. Das FG hat vielmehr unter Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 136, 46, BStBl II 1982, 685 ausgeführt, Gegenstand der Abtretung habe allein die Vorsteuer für den Voranmeldungszeitraum Dezember 1986 sein sollen; einer anderen Auslegung sei die Vereinbarung ,,auch unter Berücksichtigung" der Grundsätze des § 133 BGB nicht zugänglich.

Die zusätzlichen Ausführungen der Klägerin zur Frage, weswegen das zitierte BFH-Urteil auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar sei, belegen, daß es der Klägerin eigentlich allein darum geht, ob das FG bei der Anwendung der Grundsätze aus dem zitierten BFH-Urteil zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen. Hierauf kommt es jedoch für das Vorhandensein des Zulassungsgrundes aus § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht an.

3. Soweit die Klägerin die Nichtzulassungsbeschwerde auf den Zulassungsgrund des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO (Verfahrensmangel) stützt und geltend macht, das FG habe gegen seine Ermittlungspflicht verstoßen und Nachforschungen unterlassen, die sich ihm hätten aufdrängen müssen, sind die formellen Anforderungen an die Beschwerdebegründung nicht erfüllt. In dieser Hinsicht war von der Klägerin der Verfahrensmangel zu bezeichnen (vgl. § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Damit ist außer der Schlüssigkeit der Verfahrensrüge die genaue Angabe derjenigen Tatsachen gemeint, die den Verfahrensmangel ergeben sollen. Dies erfordert im Falle der Rüge mangelhafter Sachaufklärung ohne Beweisantritt die Darlegung, wo in Schriftsätzen oder sonstigen Aktenteilen im einzelnen zu bezeichnende Tatsachen angeführt sind, denen das FG aufgrund von näher darzustellenden Umständen hätte nachgehen müssen, was das voraussichtliche Ermittlungsergebnis gewesen wäre und inwiefern die Vorentscheidung auf der Unterlassung der Nachforschung beruhen kann (vgl. Gräber / Ruban, a. a. O., § 115 Anm. 65 i. V. m. § 120 Anm. 40).

Diesen Anforderungen hat die Klägerin nicht genügt, indem sie im wesentlichen nur auf Diskrepanzen zwischen lediglich datumsmäßig bezeichneten Schreiben des beklagten FA und des FA X sowie auf den Inhalt eines Telefonats hingewiesen hat, indem sie ferner einzelne Fragen als nachforschungsbedürftig bezeichnet und ein datumsmäßig angegebenes Schreiben der GbR aus dem Jahre 1988 als Träger von entsprechenden Anhaltspunkten angeführt hat, wobei es in Beziehung auf dieses Schreiben lediglich heißt, es sei ,,in den Akten befindlich".

Soweit die Klägerin ausführt, auch ihrem Antrag, das FA X beizuziehen, sei nicht stattgegeben worden, fehlt es an jeglichen weiteren Angaben.

 

Fundstellen

BFH/NV 1991, 749

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