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BFH Beschluss vom 24.11.2004 - IX B 151/03 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbungskostenabzug von Schuldzinsen bei Änderung der Verwendung der Darlehensmittel; Rüge eines schwerwiegenden Rechtsfehlers und Verletzung des rechtlichen Gehörs

 

Leitsatz (NV)

1. Für die Anerkennung von Schuldzinsen als Werbungskosten ist nicht die erstmalige Verwendung der Darlehensmittel entscheidend. Vielmehr kann der Zusammenhang zu einer bestimmten Einkunftsart wieder gelöst werden und die Darlehensmittel der Erzielung neuer Einkünfte zugeordnet werden.

2. Die bloße Behauptung, dem angegriffenen Urteil liege eine unzutreffende Rechtsauffassung zugrunde, reicht nicht aus, einen schwerwiegenden, willkürlich erscheinenden Rechtsfehler darzulegen.

3. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs durch eine Überraschungsentscheidung erfordert die schlüssige Darlegung, dass das Urteil auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt gestützt ist, dessen Entscheidungserheblichkeit der Kläger nach dem bisherigen Verfahren nicht erkennen konnte.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 96 Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin (Urteil vom 28.10.2003; Aktenzeichen 7 K 7217/03)

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Eine solche grundsätzliche Bedeutung ist nur anzunehmen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und auch klärungsfähig ist. Klärungsfähig ist die Rechtsfrage, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von ihr abhängt (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Juli 2002 XI B 219/01, BFH/NV 2002, 1490, m.w.N.).

Hieran fehlt es im Streitfall. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat als grundsätzlich bedeutsam die Frage bezeichnet, "wo die Zinsen zu erfassen sind, wenn zwischen dem zeitnah erfolgten eigentlichen Umwidmungsakt und der Deklaration eine gewisse Zeitspanne liegt".

Diese Rechtsfrage ist aber im Streitfall nicht klärungsfähig, weil nicht entscheidungserheblich. Denn das Finanzgericht (FG) hat allein den wirtschaftlichen Zusammenhang der Schuldzinsen aus dem Darlehen der X-Bank mit dem Erwerb der Anteile an der Z-GbR verneint. Die weiter gehende Frage, ob die angefallenen Schuldzinsen bis zur eindeutig nach außen erkennbaren Zweckänderung des Darlehens für den Erwerb der Anteile an der Z-GbR Werbungskosten bei anderen Einkünften oder Einkunftsarten bilden, ist insoweit ohne Belang.

2. a) Aus denselben Gründen ist die Revision auch nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  1. Alternative FGO) zuzulassen.

b) Auch die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sind nicht gegeben.

Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO kommt eine solche Zulassung in Fällen der Divergenz (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837; vom 7. Juni 2002 IX B 15/02, BFH/NV 2002, 1300) sowie in Fällen offensichtlicher Rechtsanwendungsfehler des FG von erheblichem Gewicht in Betracht (vgl. BFH-Beschluss vom 8. Januar 2004 V B 37-39, 57/03, BFH/NV 2004, 829, m.w.N.).

aa) Die vom Kläger hervorgehobene Abweichung des angefochtenen Urteils von der benannten BFH-Entscheidung vom 19. August 1998 X R 96/95 (BFHE 187, 21, BStBl II 1999, 353) ist nicht gegeben.

Im beigezogenen Urteil hat der BFH --z.T. unter Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung-- die Kriterien für eine steuerrechtlich anzuerkennende Umwidmung eines Kredits näher herausgestellt. Für die Anerkennung von Schuldzinsen als Werbungskosten ist hiernach nicht mehr die erstmalige Verwendung der Darlehensmittel entscheidend; vielmehr kann dieser Zusammenhang zu einer bestimmten Einkunftsart oder der privaten Vermögenssphäre gelöst werden und die Darlehensmittel der Erzielung neuer und/oder anderer Einkünfte bzw. Einkunftsarten zugeordnet werden. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung ist insoweit, dass (1.) die durch die bisherige tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel eingetretene Zuordnung beendet worden ist, (2.) der Steuerpflichtige durch eine neue Anlageentscheidung das Objekt des Kreditbedarfs substituiert und (3.) diese Änderung in der Zweckbestimmung nach außen hin, an objektiven Beweisanzeichen feststellbar, in Erscheinung tritt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 187, 21, BStBl II 1999, 353; vom 24. April 1997 VIII R 53/95, BFH/NV 1998, 103; vom 25. Januar 2001 IX R 27/97, BFH/NV 2001, 1065; vom 23. Oktober 2001 IX R 65/99, BFH/NV 2002, 341).

Allein auf der Grundlage dieser Rechtssätze hat das FG geurteilt. Ausdrücklich hat das FG seiner Entscheidungsfindung die Prämisse vorangestellt: " … Jedoch müssen äußerlich erkennbare Beweiszeichen den geforderten Zusammenhang des Darlehens mit der neuen Einkunftsquelle eindeutig und nachvollziehbar belegen." Eine Abweichung zwischen FG und BFH in der Beurteilung der Kriterien für eine steuerlich anzuerkennende Umwidmung von Krediten zum Zwecke der Einkunftserzielung besteht daher nicht.

bb) Auch ein schwerwiegender, willkürlich erscheinender Rechtsfehler ist vom Kläger nicht dargelegt worden. Die bloße Behauptung des Klägers, dem angegriffenen Urteil liege eine unzutreffende Rechtsauffassung zugrunde, ist hierfür nicht ausreichend (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. August 2003 IV B 189/01, BFH/NV 2003, 1604; vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25). Im Übrigen ist eine willkürliche oder greifbar gesetzeswidrige Entscheidung des FG nicht erkennbar.

3. Schließlich liegt, soweit der Beschwerdeführer mit der Verletzung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 96 Abs. 2 FGO eine sog. "Überraschungsentscheidung" rügt, der geltend gemachte Verfahrensfehler nicht vor.

Rechtliches Gehör wird den Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll. Das rechtliche Gehör bezieht sich vor allem auf Tatsachen und Beweisergebnisse (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 96 Rz. 28); darüber hinaus darf das FG seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt nur stützen, wenn die Beteiligten zuvor Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen (BFH-Beschlüsse vom 15. Juni 2001 VII B 45/01, BFH/NV 2001, 1580; vom 27. Oktober 2003 III B 151/02, BFH/NV 2004, 354).

Ein Verfahrensbeteiligter darf auch nicht mit einer Tatsachenwürdigung überrascht werden, die von keiner Seite als möglich vorausgesehen werden konnte (BFH-Beschluss vom 19. Juli 1996 VIII B 37/95, BFH/NV 1997, 124, m.w.N.). Jedoch ist das Gericht unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nicht verpflichtet, seine Rechtsauffassung und seine tatsächlichen Schlussfolgerungen vorab zu erörtern, zumal sich diese regelmäßig erst nach der mündlichen Verhandlung aufgrund der abschließenden Beratung bzw. der nochmaligen Durchdringung des Streitfalles ergeben werden (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Juli 2001 III B 107/00, BFH/NV 2002, 36).

Nach diesen Maßstäben hat das FG den Beteiligten ausreichend Gelegenheit gegeben, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, den es seiner gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt hat.

a) Das FG ist auf der Grundlage der zeitlichen Abfolge der vom Kläger in 1991 verkauften und gekauften Immobilien und unter Einrechnung der jeweiligen Verkaufserlöse bzw. der Kaufpreise zu dem Ergebnis gekommen, dass das Darlehen X-Bank nur anteilig für den Erwerb der Beteiligung an der GbR zur Verfügung gestanden habe.

Die Frage der Zuordnung des Darlehens X-Bank war Gegenstand der mündlichen Verhandlung; die Frage der Verwendung des ursprünglich als "Betriebs- und Praxisdarlehens" ausgereichten Kredits ist ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung detailliert angesprochen worden. Dass das Gericht aus dem Geschehensablauf andere Würdigungen zieht als der Kläger, führt nicht zu einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Erforderlich, aber auch ausreichend ist insoweit, dass der Kläger die Möglichkeit hatte, zu der Frage der Zuordnung des Darlehens Stellung zu nehmen.

b) Soweit der Kläger darüber hinaus die Beweiswürdigung des FG angreift und rügt, das FG habe zu Unrecht aus der Sonderwerbungskosten-Mitteilung eine Umwidmung der Darlehensvaluta verneint, liegt darin keine schlüssige Darlegung eines Verfahrensmangels. Denn die Beweiswürdigung des FG bindet grundsätzlich das Revisionsgericht, wenn sie --wie im Streitfall-- nach dem festgestellten Sachverhalt möglich ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Eine Bindung entfällt nur, wenn das FG gegen allgemeine Erfahrungssätze oder gegen die Denkgesetze verstoßen hat. Letzteres ist der Beschwerdebegründung hingegen nicht zu entnehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1323806

BFH/NV 2005, 853

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