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BFH Beschluss vom 20.07.2007 - XI B 193/06 (NV) (veröffentlicht am 29.08.2007)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegung von Zulassungsgründen; einkommensteuerrechtliche Qualifizierung von Bestechungsgeldern

 

Leitsatz (NV)

Es liegen sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG und keine gewerblichen Einkünfte i.S. von § 15 Abs. 2 EStG oder steuerbarer Arbeitslohn i.S. von § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG vor, wenn der Steuerpflichtige Geschäfte seines Arbeitgebers ohne dessen Wissen zu dessen Nachteil ausführt und hierfür Bestechungsgelder von Dritten erhält.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3; EStG §§ 15, 22 Nr. 3, § 19 Abs. 1; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Berlin (Urteil vom 27.10.2006; Aktenzeichen 10 K 10020/03)

 

Gründe

Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.

1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen.

a) Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechungerfordert eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH), wenn eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung vorliegt. Dies ist u.a. der Fall, wenn das Finanzgericht (FG) bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Mai 1995 III B 60/92, BFH/NV 1996, 74; vom 4. Juni 2003 VII B 138/01, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790, m.w.N.). Das FG muss seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 4. Mai 2000 I B 121/99, BFH/NV 2000, 1477). Dagegen genügt eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 4. August 1993 II B 175/92, BFH/NV 1994, 718).

b) Im Streitfall hat das FG in der entscheidungserheblichen Rechtsfrage der einkommensteuerrechtlichen Qualifizierung von Bestechungsgeldern, die Dritte an einen Arbeitnehmer zahlen, keine von der Rechtsprechungdes BFH abweichende Rechtsauffassung zugrunde gelegt.

aa) Nach der Rechtsprechung des BFH sind einem Arbeitnehmer von Dritten ohne Wissen und entgegen den Interessen des Arbeitgebers gezahlte Bestechungsgelder nicht durch das Dienstverhältnis veranlasst und deshalb kein steuerbarer Arbeitslohn (BFH-Urteile vom 26. Januar 2000 IX R 87/95, BFHE 191, 274, BStBl II 2000, 396, m.w.N.; vom 31. Mai 2000 IX R 73/96, BFH/NV 2001, 25). Auch handelt es sich nicht um gewerbliche Einkünfte i.S. von § 15 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Denn hierfür wäre erforderlich, dass der Arbeitnehmer außerhalb der für den Arbeitgeber durchgeführten Geschäfte auf eigene Rechnung durch selbstständige Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr eigene Geschäfte tätigt, z.B. durch bewusste Ausnutzung der ihm durch sein Arbeitsverhältnis gebotenen Gelegenheiten (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juli 1991 X R 163-164/87, BFHE 164, 556, BStBl II 1991, 802). Führt der Steuerpflichtige hingegen lediglich Geschäfte des Arbeitgebers zu dessen Nachteil aus und erhält hierfür Bestechungsgelder davon profitierender Dritter, erzielt er sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 3 EStG (vgl. BFH-Urteile in BFHE 191, 274, BStBl II 2000, 396; in BFH/NV 2001, 25; FG München, Urteil vom 24. Mai 2006  9 K 1725/05, juris). Diese Rechtsgrundsätze hat die Vorinstanz ihrer Entscheidung zugrunde gelegt (Seite 9 des Urteils).

bb) Soweit die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) eine Abweichung der Vorentscheidung von dem BFH-Urteil in BFHE 164, 556, BStBl II 1991, 802 rügen, übersehen sie, dass die den beiden Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte nicht vergleichbar sind.

In dem vom BFH entschiedenen Fall ging es um einen leitenden Bankangestellten, der treuwidrig unter Ausnutzung seiner Vertrauensstellung unter dem Namen der Bank Bankgeschäfte (u.a. An- und Verkäufe von Wertpapieren) auf eigene Rechnung zu Lasten der Bank getätigt hatte. Der BFH hat die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG nur deswegen bejaht, weil der Kläger sich das durch ihn veranlasste und gesteuerte Auftreten der Bank gegenüber den Geschäftspartnern zurechnen lassen müsse. Er hat dies damit begründet, dass derjenige, der die Erkennbarkeit der eigenen Marktteilnahme erfolgreich verschleiere, nicht bessergestellt werden dürfe als derjenige, der offen tätig werde (BFH-Urteil in BFHE 164, 556, BStBl II 1991, 802, unter 1.c der Gründe).

Im Gegensatz zu dem vom BFH entschiedenen Fall hat der Kläger im Streitfall nicht unter dem Namen seines Dienstherrn Geschäfte auf eigene Rechnung zu Lasten seines Dienstherrn getätigt. Er hat vielmehr im Rahmen seiner Tätigkeit als Beamter Geschäfte im Namen und für Rechnung seines Dienstherrn getätigt (Auftragsvergabe für Brückensanierung und Graffitibeseitigung) und hierfür Bestechungsgelder entgegengenommen. Eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte kann nicht allein deshalb angenommen werden, weil die Untreuehandlungen des Klägers lange Zeit andauerten und für ihn mit einem nicht unerheblichen Organisationsaufwand verbunden waren.

c) Die Hinweise der Kläger auf Entscheidungen des BFH und anderer FG, in denen Einkünfte als gewerblich i.S. von § 15 Abs. 2 EStG qualifiziert wurden oder ein Leistungsaustausch i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) angenommen wurde, genügen zur Darlegung eines Revisionszulassungsgrunds i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative FGO ebenfalls nicht. Denn auch insoweit liegen keine vergleichbaren Sachverhalte vor; die vom Kläger aufgeführten Fälle betreffen keine Bestechungsgelder. In dem BFH-Urteil vom 23. Februar 2000 X R 142/95 (BFHE 191, 498, BStBl II 2000, 610) ging es um "Telefonsex" als gewerbliche Tätigkeit, in dem BFH-Urteil vom 6. April 2000 IV R 31/99 (BFHE 192, 64, BStBl II 2001, 536) um Rauschgifthandel als gewerbliche Tätigkeit, in dem BFH-Beschluss vom 29. August 1991 V B 116/90 (BFH/NV 1992, 277) darum, ob ein Zuhälter gegenüber "seinen" Prostituierten regelmäßig entgeltliche Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erbringt, in dem Beschluss des FG des Saarlandes vom 6. Januar 1992  1 V 362/91 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1992, 343) um illegales Glücksspiel als gewerbliche Tätigkeit und in dem Beschluss des FG Münster vom 28. November 1995  13 V 3276/95 E, G (EFG 1996, 267) um Einkünfte aus dem Unternehmensspiel "Life" als gewerbliche Gewinne.

Zwar kann diesen Entscheidungen entnommen werden, dass auch sittenwidrige oder deliktische Betätigungen zu gewerblichen Einkünften i.S. von § 15 Abs. 2 EStG führen können. Dies bedeutet aber nicht, dass sie dies auch stets müssen. Wie bereits oben dargelegt, liegen keine gewerblichen Einkünfte vor, wenn der Steuerpflichtige lediglich Geschäfte des Arbeitgebers zu dessen Nachteil ausführt und hierfür Bestechungsgelder von Dritten erhält (vgl. BFH-Urteile in BFHE 191, 274, BStBl II 2000, 396; in BFH/NV 2001, 25; FG München, Urteil vom 24. Mai 2006  9 K 1725/05, juris).

2. Den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) haben die Kläger nicht hinreichend dargelegt (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

a) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einerzweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH und den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen. Liegt zu der Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so gehört zu der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fundierte Stellungnahme dazu, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt hat oder aufgrund welcher neuen Entwicklung sie nunmehr in Frage gestellt werden muss (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N.).

b) An solchen Darlegungen fehlt es im Streitfall. Mit ihrer Behauptung, die Betätigung des Klägers könne als gewerblich i.S. von § 15 Abs. 2 EStG qualifiziert werden, weil auch sittenwidrige oder deliktische Betätigungen zu gewerblichen Einkünften i.S. von § 15 Abs. 1 EStG führen könnten, haben die Kläger schon keine Rechtsfrage formuliert. Das Gleiche gilt für die Behauptung, dass der BFH in seinem von der Vorinstanz zitierten Urteil in BFHE 191, 274, BStBl II 2000, 396 offensichtlich nicht geprüft habe, ob die Merkmale eines Gewerbebetriebs i.S. des § 15 Abs. 2 EStG erfüllt gewesen seien. Mit den in diesen Behauptungen enthaltenen Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angegriffenen Urteils und der BFH-Entscheidung, auf die sich die Vorinstanz gestützt hat, wird kein Zulassungsgrund dargetan (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).

 

Fundstellen

BFH/NV 2007, 1887

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